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Sebastian Brehm
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Frage von Jörg D. •

Nach dem Urteil des BGH zum cum ex- Skandal sind offensichtlich über 20 Mrd.€ durch Verjährung nicht mehr einzufordern. Warum hat der Bundestag und der Finanzausschuss nicht rechtzeitig reagiert?

Sehr geehrter Hr. Brehm, Mitglied des Finanzausschusses,

nach dem BGH Urteil zum cum-ex Skandal wurde durch die ör Medien mitgeteilt, dass dem Staat ein Schaden von 10 Mrd € entstanden ist. Seit vielen Jahren, wurde aber eine Zahl von weit über 30 Mrd. angegeben. Das kann nur bedeuten, dass ein Großteil der möglichen Rückforderung der gezahlten Steuern verjährt ist. Warum wurde nicht schon viel früher eine Verjährung verhindert? Zum Bsp. wurde am 9.10. 2020 Ein Antrag der Grünen von CDU/CSU und SPD abgelehnt, die die Verjährung verhindern sollte. Zudem gibt es glaube ich kaum eine Erklärung warum das Ganze bis 2018 seit 26 Jahren möglich war.

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Sehr geehrter Herr Duda,

vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch.de vom 01. August 2021, in dem es um den Cum-Ex Skandal und seine Konsequenzen geht. Gerne nutze ich die Gelegenheit Ihnen zu antworten.

Bei den Cum-Ex Geschäften handelt es sich um betrügerische Steuergestaltung. Dividenden werden an Aktionäre abzüglich der Kapitalertragsteuer ausgezahlt. Nach alter Rechtslage führte die Aktiengesellschaft die Kapitalertragsteuer an das Finanzamt ab und die Depotbank stellte darüber eine Steuerbescheinigung aus. Nach Vorlage der Bescheinigung bei der Finanzbehörde zieht dieses den Betrag bei Inländern bei der individuellen Steuerfestsetzung ab. Bei Ausländern wird die gezahlte Kapitalertragssteuer auf Antrag erstattet. Das Ziel der sogenannten cum/ex-Geschäfte mit Leerverkäufen bestand darin, die Depotbank zu veranlassen, für nur einmal abgeführte Kapitalertragsteuer mehrfach solche Bescheinigungen auszustellen. Man wollte die Steuern so nur einmal zahlen, aber mehrfach angerechnet bekommen. Das dies nicht richtig sein kann, lag auf der Hand. Dennoch gab es Investoren, Banken, Berater und Wissenschaftler, die diese Geschäfte für legal gehalten haben. Nach Schätzungen geht man davon aus, dass mehrere Milliarden Euro so dem deutschen Fiskus und der Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entzogen worden sind.

Cum/Ex-Geschäfte waren und sind rechtswidrig. Das hat das Finanzgericht Kassel am 10. März 2017 durch Urteil (4 K 977/14) bestätigt.

Die Steuer- und Justizbehörden müssen und dürfen bei Cum/Ex-Geschäften umfassend ermitteln. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 2. März 2017 (2 BvR 1163/13) bestätigt. Es bestehen gute Aussichten, dass die Steuer- und Justizbehörden unberechtigte Steuererstattungen mit Zins und Zinseszins zurückzuerhalten sowie strafrechtliche Verurteilungen erwirken.

Die zuständigen Behörden in Bund und Ländern leisten sehr gute Arbeit. Sie konnten in zahlreichen Fällen verhindern, dass zu Unrecht beantragte Anrechnungen oder Erstattungen der Kapitalertragssteuer auch tatsächlich angerechnet oder ausgezahlt wurden. Außerdem ist es ihnen gelungen, den Großteil der irrtümlich bereits angerechneten oder erstatteten Kapitalertragsteuern erfolgreich zurückzufordern. Die tatsächliche Schadenshöhe durch Cum/Ex-Geschäfte hart sich dadurch deutlich verringert.

Um die rechtswidrig durch die Cum-Ex-Geschäften erlangten Erträge einzuziehen, war eine Gesetzesänderung nötig. Dieses haben wir im Finanzausschuß des Deutschen Bundestages selbstverständlich und fachlich fundiert in Angriff genommen. Folge dieser beabsichtigten Neuregelung für die besagten Cum/Ex-Sachverhalte war es, dass eine Einziehung im Rahmen eines Strafverfahrens nach §§ 73-73c StGB auch bei verjährtem zugrundeliegendem steuerlichen Anspruch möglich ist. Zudem wurden die Verjährungsregelungen bei Steuerhinterziehung deutlich verlängert, um gerade eine langwierige und oft komplizierte Aufarbeitung der Fälle zu gewährleisten, ohne dabei in die Verjährung zu gehen.

Bezüglich der Einziehung von Taterträgen hat man darüber hinaus in § 73e Abs. 1 S. 2 StGB einen Passus eingefügt, der klarstellt, dass die Einziehung von Taterträgen nicht allein dadurch ausgeschlossen wird, dass der Anspruch des Verletzten (bei Steuerstraftaten ist dies der Fiskus) durch Verjährung erlischt. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 316j EGStGB ist diese neue Gesetzesfassung unter anderem in manchen besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO), in denen noch nicht über eine Tatertrageinziehung entschieden worden ist, auch rückwirkend anwendbar. Damit bildet die Verjährung von Steueransprüchen in den praktisch relevanten Cum/Ex-Konstellationen künftig kein Hindernis mehr, die Taterträge einzuziehen. Durch die zusätzliche Verlängerung der Verjährungsregelungen für schwere Steuerhinterziehung wird es darüber hinaus gelingen, auch wirklich fast alle Cum-Ex-Geschäfte einer notwendigen Ahndung zuzuführen.

Ich hoffe ich konnte zur Aufklärung beitragen und stehe für Rückfragen gerne weiter zur Verfügung. Bleiben Sie gesund.

Herzliche Grüße

Sebastian Brehm, MdB

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