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Sebastian Brehm
CSU
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Frage von Friedrich H. •

Die katholische Kirche akzeptiert Art 3(2) GG (Gleichberechtigung) für Ihre Arbeit nicht. Trotzdem leisten alle Finanzämter Hilfe beim Einzug der Kirchensteuer. Wie wird das begründet?

Die Praxis der Kirche wird wohl durch Weitergeltung des Art 137 der Weimarer Verfassung erlaubt. Danach darf sie auch Steuern erheben.
Ich finde aber im GG nichts, das den Staat dazu zwingt, Menschenrechtswidrige Zustände durch die praktizierte Amtshilfe zu fördern.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch.de vom 20. Oktober 2021 zum Thema Kirchensteuer. Gerne nutze ich die Gelegenheit Ihnen zu antworten, bitte entschuldigen Sie die späte Antwort.

Zu den staatskirchenrechtlich bedeutsamen Verfassungsnormen gehört Artikel 140 Grundgesetz (GG). Er lautet: „Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.“ Hierbei bildet Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) die Rechtsgrundlage für die bis heute in „erheblichem Umfang“ an die Kirchen gezahlten Staatsleistungen. Sie werden in Form von zweckgebundenen Zuschüssen zu den kirchlichen Personalkosten und für den allgemeinen Bedarf der kirchlichen Verwaltung (Dotationen) gezahlt. Hinzu kommen vor allem staatliche Leistungen in Bezug auf den Unterhalt kirchlicher Gebäude (Baulastverpflichtungen). Als „negative Staatsleistungen“ werden zudem die gesetzlichen Steuer- und Gebührenbefreiungen und, nach heutigem Verständnis, auch die Leistungen kommunaler Gebietskörperschaften unter diesen Begriff gefasst.

Ähnlich der Weimarer Verfassung behält auch das Grundgesetz dem Bund die vorrangige Kompetenz vor, Entscheidungen von grundsätzlicher staatskirchenpolitischer Bedeutung zu treffen. Durch Artikel 140 GG sind die Länder gehindert, die Kirchen in ihrer Freiheit stärker zu beschränken, als es nach Bundesverfassungsrecht zulässig ist. Der Bund hat, anders als das Reich unter der Weimarer Verfassung, keine allgemeine Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Staatskirchenrechts. Artikel 4 Abs 1 und Abs 2 sowie Artikel 140 GG geben jedoch dem Bund die Möglichkeit, durch das Bundesverfassungsgericht den Inhalt des Staatskirchenrechts weitgehend zu bestimmen.

Sowohl CDU/CSU als auch ich haben Vertrauen in das Potenzial von Religionsgemeinschaften, unsere Gesellschaft zu bereichern. Wir betrachten es als Vorteil unseres Grundgesetzes, dass es Staat und Religion einerseits trennt, andererseits aber eine Kooperation zwischen beiden ermöglicht und fördert. Wir bekennen uns deshalb zum Konzept des Religionsverfassungsrechts nach Art. 140 Grundgesetz und zum Kooperationsmodell zwischen Kirche und Staat.

Ebenso treten wir für den interreligiösen Dialog ein. Für die Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs sprechen Entwicklungen wie die Globalisierung, die weltweite Migration und die zahlreichen Konflikte zwischen Gruppen in vielen Ländern. Ein wesentliches Ziel des interreligiösen Dialogs ist es, ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame ethische Grundlage für Lösungsansätze zu erarbeiten. CDU und CSU sehen im interreligiösen Dialog auch ein politisches Mittel, verbindliche Prinzipien für das friedliche und gedeihliche Zusammenleben aus einer solchen gemeinsamen ethischen Grundlage abzuleiten und auch gemeinsame Lösungen für praktische Probleme des Zusammenlebens von unterschiedlichen religiösen Gruppen zu finden. Wir wollen, dass z. B. unsere politischen Stiftungen Partner ermuntern und ggf. unterstützen, um in ihren Ländern den Dialog unterschiedlicher nationaler und religiöser Gruppen unter Einbeziehung nicht nur politischer, sondern auch religiöser Führungspersönlichkeiten zu stärken.

Die von Ihnen formulierte, eher grundsätzliche Anmerkung, die katholische Kirche würde nicht auf dem Fundament unseres Grundgesetzes stehen und die Gleichberechtigung nach Art. 3 Abs. 2 missachten, teile ich nicht. Allerdings spreche ich mich, sowohl vor dem Hintergrund der Skandale in der letzten Zeit, als auch auf Grundlage unser modernen zivilgesellschaftlichen und politischen Debatte dafür aus, dass wir unser Verhältnis von Staat und Kirche in einer lebendigen Diskussion immer wieder auf den Prüfstand stellen sollten. Dazu sollte auch die Hinterfragung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern gehören, die ich uneingeschränkt unterstütze.

Ich hoffe ich konnte Ihr Anliegen beantworten und stehe für weitere Rückfragen gerne zur Verfügung. Bleiben Sie gesund.

 

Herzliche Grüße

 

Sebastian Brehm, MdB

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