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Rolf Schwanitz
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Frage von uwe h. •

Frage an Rolf Schwanitz von uwe h. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Guten Tag Herr Schwanitz,

vor einigen Monaten hat die Koalition sicher auch mit Ihrer Stimme ein Gesetz verabschiedet durch welches Beamte bei der Telekom unter bestimmten Vorraussetzungen schon ab 55 Jahren in den Ruhestand treten können. Begründung im Gesetzestext war unter anderem die Einsetzbarkeit des betreffenden Personals in der Telekom.
Jetzt haben Sie die Rente mit 67 verabschiedet und da ich Ihnen selbstverständlich nicht die Absicht unterstellen möchte eine Rentenkürzung durch die Hintertür zu beabsichtigen, bitte ich Sie ein paar Fragen zu beantworten.
Wo sehen Sie Möglichkeiten für die Mehrheit der Betroffenen die Möglichkeit bis zum Renteneintritt zu arbeiten wenn Sie heute noch Gesetze verabschieden müssen um Mitarbeiter der Telekom frühzeitig in Ruhestand zu schicken?
Sind Sie bereit Ihre Meinung zum Gesetz zu ändern wenn die Entwicklung zeigt das doch nicht genügend Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen 60+ bestehen?
Sind Sie der Meinung, dass sich in den nächsten Jahrzehnten der medizinische Fortschritt in einer Weise entwickelt um die Arbeitsfähigkeit der Mehrheit der Bevölkerung in allen Berufen bis 67 zu erhalten?
Wieviele Mitarbeiter 60+ beschäftigen Sie selbst?
Aktuell wird in Deutschland von einem Mangel an Ingenieuren gesprochen während viel ältere Ingenieure wegen mangelnder Qualifikation arbeitslos sind. Wie wollen Sie älteren Menschen die in Bereichen mit sich ständig wandelnder und erneuernder Technologie arbeiten den Zugang zu Ihren Berufen erhalten?

Mit freundlichen Grüßen

Uwe Härtel

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Härtel,

trotz der heute gängigen Frühverrentungspraxis in den Betrieben (auch den Postnachfolgeunternehmen) steht uns in den nächsten Jahren ein dramatischer Wandel bevor. So wird gerade in unserer Region die Zahl der Schulabgänger drastisch zurückgehen. Im Jahr 2030 werden dem Arbeitsmarkt in Deutschland mehrere Millionen Menschen weniger als heute zur Verfügung stehen. Das kann nicht ohne Auswirkungen auf die Altersstruktur in den Betrieben bleiben. In einigen Jahren werden die Unternehmen deshalb darauf angewiesen sein, dass die älteren erfahrenen Arbeitnehmer länger arbeiten. Auch aus diesem Grund müssen wir Arbeitnehmern ermöglichen, länger als bisher erwerbstätig zu bleiben. Mir ist natürlich klar, dass es sehr schwer ist, sich die zukünftige Situation auf dem Arbeitsmarkt vorzustellen. Aber wer vor einem Jahr prognostiziert hätte, dass wir heute in Deutschland 824.000 Arbeitslose weniger und 650.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mehr haben, wäre als Phantast verlacht worden. Deshalb erscheint es mir auch nicht ganz abwegig, davon auszugehen, dass zukünftig genügend Arbeitsplätze für ältere Beschäftigte zur Verfügung stehen. Sollte dies doch nicht der Fall sein, würde ich eine Revision der Entscheidung über die Anhebung des Renteneintrittsalters unterstützen. Eine Überprüfung der Anhebung des Renteneintrittsalters ist im SGB VI ohnehin gesetzlich vorgesehen. Danach ist die Bundesregierung verpflichtet, ab 2010 regelmäßig darüber zu berichten, ob die Maßnahmen des Gesetzes zur Rente mit 67 mit der Entwicklung der Arbeitsmarktlage und der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer vereinbar ist.

Nach meiner Ansicht wird es auch in den nächsten Jahrzehnten weiteren medizinischen Fortschritt geben. Daneben wird die Bedeutung des Dienstleistungssektors weiter zunehmen. Zusammen mit dem technischen Fortschritt wird dies zu einer weiteren Abnahme körperlich belastender Arbeit führen. All diese Prozesse haben bisher dazu beigetragen, dass die meisten Menschen heute aus gesundheitlichen Gründen eher als früher bis 65 arbeiten können. Diese Prozesse werden sich fortsetzen, so dass auch das Arbeiten bis 67 möglich sein wird. Natürlich gibt es aber immer noch bestimmte Berufe, bei denen es schwer ist, bis zum Alter von 65 Jahren zu arbeiten. Solche Berufe wird es auch noch in 25 Jahren geben. Obwohl hier weiterhin die Regelungen zur Altersteilzeit und zur Erwerbsminderung greifen werden, halte ich es für wichtig, dass die Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen in den entsprechenden Branchen verbessern. Schließlich hatte bereits die damalige von der SPD geführte Bundesregierung mit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes die Mitbestimmungsrechte zur Ausgestaltung menschengerechter Arbeitsbedingungen verbessert. Und diese Möglichkeiten werden von den Gewerkschaftern in den Betrieben durchaus genutzt. So wies der sächsische DGB-Vorsitzende Hanjo Lucassen kürzlich im Zusammenhang mit dem niedrigen Krankenstand in den Unternehmen darauf hin, dass die Betriebsräte in den letzten Jahren für eine bessere Gesundheitsvorsorge in den Unternehmen gesorgt und ihre Möglichkeiten genutzt haben, um Gesundheitsgefährdungen bei der Arbeit aufzudecken und zu verringern. Natürlich sind auf diesem Gebiet weitere gemeinsame Anstrengungen notwendig. Ich bin mir sicher, dass es in den kommenden Jahren gelingen kann, die Arbeitswelt gesünder und humaner zu gestalten.

Im Moment arbeitet niemand für mich, der älter als 60 Jahre ist. Dies ist aber eher dem Zufall geschuldet, denn in der Vergangenheit haben durchaus auch Menschen bei mir gearbeitet, die älter als 60 waren. Das Durchschnittsalter der bei mir beschäftigten Mitarbeiter beträgt übrigens 50,6 Jahre, wobei der jüngste Mitarbeiter 43 Jahre alt ist. Insofern glaube ich, dass ich mir wegen einer mangelnden Vorbildwirkung nichts vorzuwerfen hätte.

In den von Ihnen angesprochenen Bereichen mit sich ständig wandelnder und erneuernder Technologie müssen die Unternehmen künftig noch mehr für die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter tun. Der Bund selbst leistet mit der Übernahme der Weiterbildungskosten für ältere Arbeitnehmer in kleinen und mittleren Betrieben (Teil der Initiative "50plus") dazu bereits einen Beitrag.

Sehr geehrter Herr Härtel, für mich geht es in der Debatte auch um einen grundlegenden Wechsel bei unserer Haltung zu älteren Menschen und ihrer Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft. Auf dem Arbeitsmarkt herrscht noch immer ein Jugendwahn. Wenn wir nicht länger hinnehmen wollen, dass Ältere aus dem Erwerbsleben hinausgedrängt und durch jüngere Menschen ersetzt werden, dann muss jetzt ein Umdenkprozess beginnen. Die Debatte über ein längeres Erwerbsleben steht auch erst am Anfang. Deshalb hat die SPD und die SPD-Bundestagsfraktion eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit dieser Frage weiter intensiv beschäftigen wird. Dabei geht es u. a. darum, durch die Verbindung von tarifvertraglichen Regelungen und Teilrente Altersübergänge weiter zu gestalten. Themen wie Erwerbsminderung und Erwerbsunfähigkeitsrente werden in dieser Arbeitsgruppe ebenso eine Rolle spielen, wie "lebenslanges Lernen" und "Humanisierung der Arbeitswelt". Wir werden uns also auch nach dem Gesetzesbeschluss zur Rente mit 67 weiter mit diesem Thema beschäftigen und Lösungsvorschläge für die Zukunft erarbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Rolf Schwanitz