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Rolf Mützenich
SPD
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Frage von Klaus D. •

Frage an Rolf Mützenich von Klaus D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Rolf Mützenich,

ich bin erschüttert und auch empört über die Vorgehensweise, wie hier der Versuch unternommen wird den Bürger zu betrügen.
Es gibt schon viele Menschen die sich darüber geäußert haben. Deshalb zitiere ich Manfred Demos aus Ottobrun:

"Diese ÖPP sind ein Skandal, da für sie keinerlei Notwendigkeit besteht und der Bundesrechnungshof festgestellt hat, daß sie langfristig unwirtschaftlich sind.

Es werden dadurch wichtige öffentliche Infrastrukturen der parlamentarischen Kontrolle entzogen und das Parlament entmachtet sich selbst.
Glauben Sie, daß wir sie dafür gewählt haben ?

Die Umwidmung zu einem privatwirtschaftlichen Unternehmen installiert das Prinzip ‚Gewinnmaximierung vor Gemeinnutzen‘. Die Autobahn-GmbH darf künftig private – und damit sehr teure – Kredite aufnehmen. Diese Schulden bilden einen Schattenhaushalt und verstoßen damit gegen die - vernünftige - Schuldenbremse der öffentlichen Haushalte. Damit sind die Schulden aber nicht weg. Sie müssen von den Bürgern samt Zinsen zurückgezahlt werden – über Steuern und Maut.

Wie können Sie als SPD- Mitglied des Haushaltsausschusses verantworten, dass nun deutsche Bürger den Gewinn für Banken bezahlen und ihn fördern, die doppelt verdienen würden: über Darlehenszinsen für ihre Autobahngesellschaften und über die Beteiligung an diesen Gesellschaften, erst recht wenn über den marktüblichen Zins hinaus für Darlehen mehr als sonst bezahlt werden ?

Offenbar soll hier Banken und Versicherungsindustrie von der CDU ein Milliardengeschenk durch mögliche zu hohe Zinsen gemacht werden.

Welche Gegenmaßnahmen für diesen Missbrauch sind vorgesehen?"

Dem kann ich mich nur gänzlich anschliessen.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Dorsch

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dorsch,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Privatisierung der Autobahnen.

Vorweg: ich stehe Privatisierungen sehr skeptisch gegenüber und vertrete die Meinung, dass die öffentliche Daseinsvorsorge auch weiter in öffentlicher Hand bleiben soll. Das schließt die kommunale Wasserversorgung und Müllabfuhr genauso ein wie den Betrieb von Autobahnen und Schulen. Dafür kämpfe ich auch in meiner Fraktion in Berlin. Daher bin ich sehr froh, dass es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen ist, die Privatisierungspläne der Unionsminister Schäuble und Dobrindt bei den Autobahnen und Bundestraßen zu verhindern.

Mit der SPD wird es keine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen geben, weder ganz noch teilweise. Daran haben wir auch im parlamentarischen Verfahren festgehalten.

Um das zu schaffen, hat die SPD die eigentlich bereits für den 19. Mai vorgesehene Beschlussfassung in 2./3. Lesung im Bundestag blockiert, um sich bei diesen strittigen Punkten durchsetzen zu können. Jetzt können wir verkünden: Versprochen – gehalten! Das Verbot von funktionaler Privatisierung bei Teil-Netz-ÖPP kommt ins Grundgesetz und wird somit verfassungsrechtlich festgeschrieben. Grundgesetzlich schließen wir auch eine unmittelbare und mittelbare Beteiligung von Privaten an der neu zu gründenden Gesellschaft und ihrer regionalen Tochtergesellschaften aus – nach Auffassung unserer SPD-Gutachter von der Anhörung am 27. März, Prof. Dr. Georg Hermes und dem Bundesrechnungshof, die beiden wichtigsten Grundgesetzänderungen, ohne die wir das Paket hätten platzen lassen. Damit errichten wir im Gesetz – und auch im Grundgesetz – Schranken, wo es vorher keine gab.

Die tatsächlichen Veränderungen am Regierungsentwurf zur Privatisierung der Autobahnen, die wir Abgeordneten im Haushaltsausschuss in den letzten Wochen durchgesetzt haben, um eine mögliche Privatisierung der Autobahnen „durch die Hintertür“ zu verhindern, und jetzt dem Parlament zur Zustimmung vorlegen, finden Sie in folgender Zusammenfassung:

1. „Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und möglichen Tochtergesellschaften ist ausgeschlossen.“ Dies wird verfassungs-rechtlich und einfachgesetzlich geregelt.
2. Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, z.B. durch Teilnetz-ÖPP, wird ausgeschlossen. In Artikel 90 Ab-satz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“
3. Eine Übertragung von Altschulden auf die Gesellschaft wird ausgeschlossen.
4. Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt. Um effizient wirtschaften und „atmen“ zu können, kann die Gesellschaft aber Liquiditätshilfen (zinslose Darlehen) aus dem Bundeshaushalt erhalten – wie andere Bundesgesellschaften auch.
5. Das wirtschaftliche Eigentum an den Fernstraßen, geht nicht an die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund. Die Übertragung und die Überlassung von (Nieß-brauch-)Rechten werden ausgeschlossen.
6. Mautgläubiger bleibt der Bund (für Lkw-Maut und Pkw-Maut). Die Option, dass die Gesellschaft das Mautaufkommen direkt vereinnahmen kann, ist gestrichen. Die zweckgebundenen Einnahmen (Lkw-Maut, Pkw-Maut) fließen der Gesellschaft wie bisher über den Bundeshaushalt zu.
7. Das Verkehrsministerium kann Befugnisse und Aufgaben der Gesellschaft und des Fernstraßen-Bundesamtes nur dann auf andere vom Bund gegründete Gesellschaften übertragen, wenn diese im ausschließlichen Eigentum des Bundes stehen.
8. Spartengesellschaften sind ausgeschlossen. Zur Herstellung der Präsenz in der Fläche kann die Gesellschaft aber bedarfsgerecht bis zu zehn regionale Tochtergesellschaften gründen, die denselben Restriktionen unterliegen wie die Muttergesellschaft.
9. Die Gesellschaft wird als GmbH errichtet. Die Evaluationsklausel, die eine einfache Umwandlung zur AG ermöglicht hätte, wird gestrichen.
10. Der Gesellschaftsvertrag (= Satzung) der GmbH und wesentliche Änderungen bedürfen der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages.
11. Eine unabhängige externe Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Gesellschaft sowie möglicher Töchter wird sichergestellt, indem entsprechende Prüfrechte des Bundesrechnungshofes verankert werden.
12. Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des Parlaments auf Verkehrsinvestitionen bleiben vollumfänglich erhalten.
13. Der fünfjährige Finanzierungs- und Realisierungsplan für Verkehrsinvestitionen der Gesellschaft bedarf der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages (während dieser 5-Jahresplan nach heutigem Recht den Ausschüssen vom Verkehrsministerium nur „zur Kenntnis“ und damit ohne Zustimmungsvorbehalt vorgelegt wird).

In dem Aufruf von Change.org wird gefordert, folgende Formulierung ins Grundgesetz aufzunehmen: „Die Bundesrepublik Deutschland haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“. Diese Formulierung unserer Sachverständigen stammt aus dem März 2017 auf der Grundlage des Regierungsentwurfes, der vorsah, dass die Gesellschaft sich – ohne parlamentarische Kontrolle – unbeschränkt am Markt verschulden hätte dürfen. Genau DAS allerdings ist jetzt von uns ausgeschlossen worden. Die Gesellschaft HAT KEINE Verbindlichkeiten und wird keine haben dürfen, weil sie und ihre möglichen „Töchter“ zu 100 Prozent dem Staat zuzurechnen sind. WENN jetzt trotzdem die von „Change.org.“ vorgeschlagene Formulierung ins Grundgesetz aufgenommen werden würde, wäre verfassungsrechtlich verankert, dass diese Gesellschaft Verbindlichkeiten haben SOLL – ein fataler Fehler.

Des Weiteren beschreibt Change.org in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass „unter einer möglichen neoliberalen schwarz-gelben Koalition“ genau diese gesetzlichen Restriktionen, die wir heute für diese „Autobahngesellschaft“ beschließen, ausgehebelt werden könnten. Das stimmt teilweise. Allerdings konnte eine schwarz-gelbe Regierung eben leider auch die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke nur wenige Monate vor Fukushima beschließen und NUR DADURCH den vier Energiemonopolisten Klagemöglichkeiten auf milliardenschweren Regress nach der Energiewende eröffnen. Man kann eben leider nicht grundgesetzlich ausschließen, dass künftige Regierungen folgenschwere negative Entscheidungen für die Menschen treffen – in der Demokratie haben genau diese Verantwortung die Wählerinnen und Wähler. Helfen Sie deshalb mit, dass sich das bis zum 24. September 2017 ändert.

Mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich

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