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Rolf Hempelmann
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Frage von Uwe L. •

Frage an Rolf Hempelmann von Uwe L. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

Frage an Sie als den energiepolittischen Sprecher der SPD:

Die großen Energiekonzerne als inzwischen weitgehend private Monopole arbeiten derzeit daran, sich arm zu rechnen und, wie es zur staatlich tolerierten Übung gehört, Kosten zu sozialisieren sowie Gewinne zu privatisieren. Sie führen uns das ja aktuell durchaus eindrucksvoll bei den Netzen vor.
Meine große Sorge ist nun, daß die gigantischen, zweckgebundenen Milliardenrückstellungen, die unseren Staat in den letzten Jahrzehnten viel Geld gekostet haben, nun irgendwie verschwinden, mit Buchhaltungstricks weggerechnet und/oder außer Landes gebracht werden. Zurück bleiben dann, wie vielfach in den privatisierten Monopolbranchen üblich, enorme Kosten (hier: v.a. die Abbruchkosten der AKWs), die schließlich doch leider, leider wieder vom Steuerzahler bezahlt werden müssen, um den Abbau von Arbeitsplätzen oder sogar Konkurse zu vermeiden.

- Wie ist sichergestellt, daß ein solches Verhalten 100%ig vermieden wird, daß die Atomkonzerne ihren Verpflichtungen voll nachkommen?

- Wie können Politiker in den Aufsichträten dieser Gesellschaften ihrer Aufsichtsfunktion nachkommen, um so etwas zu vermeiden?

Beste Grüße

Uwe Lutz, Berlin-Dahlem

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lutz,

zunächst einmal möchte ich mich für die verspätete Antwort auf Ihre Frage entschuldigen. Die politischen Herausforderungen im Zuge des Wiedereinstiegs der Bundesregierung in die Energiewende haben mich sehr in Anspruch genommen. Dennoch ist es mir wichtig, auf Ihr Anliegen einzugehen.

Ihre Sorgen, dass die großen Energiekonzerne die gesetzlichen Rückstellungen nach Handelsgesetzbuch bilanziell andersweitig verwenden und ihren Verpflichtungen nach dem Atomgesetz nicht nachkommen, ist, glücklicherweise, unberechtigt. Denn bei Rückstellungen nach deutschem Handelsrecht handelt es sich um finanzielle Verpflichtungen, die dem Grunde nach feststehen, deren Höhe und Fälligkeitszeitpunkt zum Bilanzstichtag jedoch nicht exakt bestimmt werden können. Die Rückstellungsregelungen sind für alle privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen gültig, und sie stehen gemäß der Vierten Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und der Siebenten Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss im Einklang mit europäischen Vorgaben. Die Grundlage für die handelsrechtliche Rückstellungsbildung findet sich in § 249 Handelsgesetzbuch (HGB) [4]. Die Atomkraftwerke betreibenden Energiekonzerne haben Rückstellungen in Höhe von ca. 27,5 Mrd. Euro angesammelt.

Damit wird das in § 9 a Atomgesetz (AtG) materiell rechtlich niedergelegte Verursacherprinzip auf das System der finanziellen Entsorgungsvorsorge übertragen. Es wird aber so nicht nur dem Verursacherprinzip Rechnung getragen, sondern zugleich dem Gebot der Generationengerechtigkeit. Denn das geltende Handelsrecht zwingt nach dem Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) sowie nach dem Prinzip der periodengerechten Erfolgsermittlung (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB) dazu, jede Entsorgungsverpflichtung, die begründet wird, sofort bilanziell zu berücksichtigen und die entsprechende finanzielle Vorsorge zu treffen [5]. Mit paralleler Zielrichtung verlangen auch die Gebote des zutreffenden Vermögensausweises und der Vollständigkeit des Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 1 i.V.m. §§ 246 Abs. 1, 264 Abs. 2 HGB) den Ausweis der Rückstellungen.

Diese bilanzielle Berücksichtigung bezieht sich lückenlos auf alle atomgesetzlich gebotenen Entsorgungsschritte, bei denen typischerweise unterschieden wird zwischen den 3 Kategorien Stilllegung und Abbau von Kernkraftwerken, Brennelemententsorgung und Entsorgung radioaktiver Betriebsabfälle. Im Einzelnen sind dabei jeweils die Behälter-, die Transport-, die Zwischen- und Endlagerkosten sowie die Handhabungskosten wie z.B. Konditionierungskosten zu berücksichtigen.

Die Höhe der zu bildenden Rückstellungen bestimmt sich somit nach den zukünftigen Entsorgungskosten. Sie werden auf der Grundlage der in bestehenden Entsorgungsverträgen niedergelegten Preise oder auf der Basis externer Expertisen und Gutachten für das jeweilige Bilanzjahr ermittelt.

Sehr geehrter Herr Lutz,

abschließend möchte ich noch darauf hinwiesen, dass nur sehr wenige Politiker neben ihrem Bundestagsmandat als Mitglied des Aufsichtsrat eines Unternehmens tätig sind. Unter http://www.bundestag.de können Sie die Nebentätigkeiten einzelner Abgeordneter finden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen Ihre Fragen hinreichend beantworten und stehe Ihnen für weitere Fragen gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Rolf Hempelmann, MdB