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Richard Pitterle
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Frage von Jörg A. •

Frage an Richard Pitterle von Jörg A. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Pitterle,

seit über 20 Jahren bin ich als freiberuflicher Informatiker in großen Kundenprojekten tätig. In dieser Zeit unternahm der Gesetzgeber ständig Versuche mit der Definition der „Scheinselbständigkeit“ Fürsorgepflicht gegenüber Schutzbedürftigen aufzubauen und deren Auftraggeber damit abzumahnen. Leider wurde mit diesen Versuchen auch unser Berufszweig erwischt, der mit seinen Honoraren genügend Rücklagen bilden kann. Die neuen Kriterien des §611 BGB entziehen uns erst recht jede Grundlage zur weiteren Ausübung des freien Berufes. Warum nehmen Sie nicht endlich den nicht mehr jungen Beruf „Informatiker“ in die Katalogberufe EStG auf und grenzen dagegen ab? Viele Sparten dieser Einteilung können die aberwitzigen Kriterien des Referentenentwurfs des BMAS auch nicht mehr erfüllen. Wird der Gesetzvorschlag so verabschiedet, stehen ca. 100.000 freiberufliche Informatiker vor dem Aus! Das bedeutet, für meinen Beruf ist eine selbständige Tätigkeit per Gesetz untersagt?! Meine Grundrechte Artikel 2 (1) und 12 sehe ich dadurch nicht mehr gegeben. Ich habe mich für die Selbständigkeit entschieden um flexibler auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren zu können. In oft erlebten Rezessionen ist es freiberuflich einfacher einen Auftrag zubekommen. Der Angestellte erhält einen befristeten Vertrag und lebt nach Ablauf vom Arbeitslosengeld. Die Unternehmen benötigen unsere Ressourcen nur für die Projektdauer, danach bewältigen ihre internen Mitarbeiter das Tagesgeschäft. Eine Festanstellung ist daher seitens des Endkunden nicht erwünscht. Der Rahmen dieser Seite ist begrenzt, sodaß ich Ihnen nicht mehr Details erläutern kann. Ich bitte Sie, für die Nachbesserung des Gesetzesentwurfes einzutreten. Der Grundgedanke des Gesetzes ist zweifellos gut. Der Gesetzgeber muss seiner Fürsorgepflicht gegenüber Schutzbedürftigen nachkommen. Nur darf es nicht sein, dass dies zu Lasten der nicht Schutzbedürftigen geschieht.

Mit freundlichen Grüßen
Jörg Asch

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Asch,

wie Sie wissen, engagiert sich meine Fraktion DIE LINKE. im Bundestag dafür, dass alle Bürgerinnen und Bürger Tätigkeiten nachgehen können, die ihnen unter würdigen Beschäftigungsbedingungen auch ein gutes Auskommen ermöglichen. Das betrifft nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern selbstverständlich auch Selbständige. Der von Ihnen zutreffend beschriebene Wandel bei den Anforderungen der Wirtschaft an Beschäftigungsstrukturen führt dazu, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger nicht mehr in klassischen Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden - und das auch häufig gar nicht wollen oder müssen. Daher unterstützen wir auch Initiativen, die für Selbständige verbesserte Bedingungen schaffen.

Wie aber bei jedem Wandel gibt es Entwicklungen, denen die Politik und der Gesetzgeber begegnen müssen. Eine der kritischsten Entwicklungen ist die massive, ausschließlich aus Gründen des Lohn- und Sozialversichungsdumpings betriebene Flucht der Unternehmen aus regulären Arbeitsverhältnissen, die durch Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter oder externe Dienstleister zu deutlich schlechteren Bedingungen ersetzt werden. Als Informatiker ist Ihnen das in der IT gebräuchliche Konzept des „duck-typing“ bekannt. Und nichts anderes gilt auch in der vorliegenden Debatte: Wenn jemand für ein Unternehmen wie eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer tätig ist, muss sie oder er auch rechtlich wie eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer behandelt werden ! Das zugrundeliegende Prinzip ist dabei keine neue Erfindung der IT oder Sonderfall im Arbeitsrecht, sondern prägend für das gesamte Recht. Bei der Frage nach der Unternehmerstellung zur Abgrenzung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind die branchenspezifische Flexibilität, die Höhe der Vergütung oder das Maß an erforderlicher Spezialisierung nicht ausschlaggebend. Freiberuflerinnen und Freiberufler im Sinne des Einkommensteuerrechts sind nicht per Definition selbständig tätig. Ganz im Gegenteil, die überwiegende Zahl wird als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer abhängig beschäftigt. Und auch diejenigen, die sich heute nicht als schutzbedürftig betrachten, können es durch veränderte Bedingungen schnell werden - Politik darf sich nicht darauf beschränken, den status quo zu analysieren.

Ich verstehe, dass Sie befürchten, durch neue Regelungen benachteiligt zu werden. Meine Fraktion setzt sich jedenfalls in den parlamentarischen Beratungen für klare Regelungen ein, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen, ohne für Selbständige die Freiheit der eigenverantwortlichen Berufsausübung zu beschränken.

Mit freundlichen Grüßen

Richard Pitterle