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Peter Danckert
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Frage von Norbert K. •

Frage an Peter Danckert von Norbert K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Danckert,

ich bin kein Mediziner, trotzdem sehe ich als Patient, das in Brandenburg die medizinische Versorgung vor allem in den ländlichen Gebieten gefährdet ist. Durch die bisherigen und noch geplanten Gesetze der Gesundheitsreform ist eine weitere Verschlechterung der Versorgung der Bevölkerung zu erwarten. Ich habe noch keine Information erhalten, dass sich in diesem Bereich etwas bessern soll. Im Gegenteil:
Zum Einen ist gerade in Brandenburg die Altersstruktur der Ärzte so, dass in naher Zukunft ein großer Teil der Ärzte in den Ruhestand gehen wird.
Zum Anderen wird der Anreiz für junge Mediziner genommen sich niederzulassen und die medizinische Versorgung fortzuführen.
Ein Augenarzt erklärte mir, dass er für einen augenärztliche Notfall (Zeitraum der Inanspruchnahme von 19.00 - 6.00 Uhr bzw. an Sonn- und Feiertagen) eine Pauschale von 20 € bekommt. Jeder ungelernte Schlüsseldienst erhebt allein für die Fahrtkosten eine Pauschale von ca. 80 € ohne eine Leistung zu erbringen.

Meine Tochter studiert derzeit Medizin (11. Semester) Ihre Ausbildung wird sie voraussichtlich Ende 2007 mit dem Staatsexamen abschließen. Obwohl sie sehr heimatverbunden ist, wird sie sich nicht in Brandenburg um eine Arbeitsmöglichkeit bemühen, da hier die Arbeits- , Verdienst- und somit auch Lebensmöglichkeiten im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich schlechter sind. Den Ihnen sicher bekannten Vergleich zu anderen europäischen Staaten (Norwegen, Schweden Schweiz) erspare ich mir .
Das vorgesehene Gesundheitsreformwerk wird diese Tendenzen verschärfen.
Haben Sie dieses Reformwerk gelesen? Wie sieht ihre Meinung zu den vorgesehenen Maßnahmen aus? Werden Sie versuchen, dieses Reformwerk zu verhindern?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Köhler,

vielen Dank für Ihren Hinweis. Ich freue mich, dass Sie mir auf diesem Weg Ihre Befürchtung in Bezug auf die Ärzteversorgung in Brandenburg mitgeteilt haben.

Lassen Sie mich Ihnen zunächst kurz die grundsätzliche Notwendigkeit struktureller Reformen im Gesundheitswesen erläutern. Deutschland hat ein modernes und leistungsfähiges Gesundheitswesen, das allen Bürgerinnen und Bürgern Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung und zugleich rund 4,2 Millionen Beschäftigten und Selbständigen Arbeitsplätze bietet. Das Gesundheitswesen ist damit eine dynamische Wirtschaftsbranche mit Innovationskraft und erheblicher ökonomischer Bedeutung für den Standort Deutschland.

Im internationalen Vergleich ist das deutsche Gesundheitswesen wettbewerbsfähig, und die Qualität der Gesundheitsversorgung wird hierzulande als hoch eingeschätzt. Allerdings belegen nationale Studien und internationale Vergleiche auch, dass die Mittel zur Gesundheitsversorgung nicht überall effizient eingesetzt werden, so dass es auch zu Über- und Unterversorgung kommt, die Qualität der Versorgung erheblich variiert und Ressourcen nicht nur an den Schnittstellen suboptimal eingesetzt werden.

Angesichts großer Herausforderungen, insbesondere des demografischen Wandels und des medizinischen und medizinisch-technischen Fortschritts, muss das Gesundheitswesen ständig weiterentwickelt werden. Das gilt sowohl für die Finanzierungs- wie für die Versorgungsseite. In den nächsten zwei Jahrzehnten wird die Zahl älterer Menschen in Deutschland deutlich zunehmen. Damit werden voraussichtlich auch die Kosten für die medizinische Versorgung steigen. Eine grundlegende Reform der (Finanzierungs-)Strukturen und damit der Einnahmeseite im Gesundheitswesen muss verbunden sein mit einer Reform auf der Ausgabenseite, die sicherstellt, dass die Mittel effizient und effektiv eingesetzt werden. Wie Sie sicherlich nachvollziehen können, ist dies keine einfache Aufgabe, da in der öffentlichen Diskussion sehr unterschiedliche Interessen mit jeweils eigennützigen Motiven geäußert werden.

Dies gilt nicht nur für die etwa 250 Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), bei denen zur Zeit 70 Millionen Menschen versichert sind. Auch die Privaten Krankenversicherungen (PKV), die ohne den großen Beitrag der GKVen ihre Strukturen so nicht aufrechterhalten könnten, melden sich zu Wort. Die Interessenvertreter von knapp 400.000 Ärztinnen und Ärzten in Deutschland treten für eine aus ihrer Sicht gerechtere Bezahlung ein. Die Pharmakonzerne machen einen massiven Einfluss geltend und sperren sich gegen die geplante Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln. Auch die Apotheker melden sich, weil der von ihnen erwartete Sparbeitrag von 500 Millionen Euro als Existenzbedrohung bewertet wird. Hinzu kommen ganz unterschiedliche Parteiinteressen - bei den ursprünglichen Ausgangspunkten Bürgerversicherung einerseits und Kopfpauschale andererseits ist das nicht überraschend. Darüber hinaus ist zurzeit erkennbar, dass auch die Länder eigene Interessen haben und sich massiv gegen eine solidarische Regelung zur Wehr setzen. Vor den Beratungen, die in den nächsten vier Wochen stattfinden werden, ist noch nicht absehbar, wie sich die Reform entwickeln wird. Deshalb ist meine Antwort nur auf dem Hintergrund des derzeitigen Diskussionsstandes zu sehen. Dafür bitte ich um Verständnis.

Angesichts der Fülle von Themen bei der anstehenden Gesundheitsreform gehe ich in erster Linie auf den von Ihnen genannten Punkt ein. Ich kann Ihnen versichern, dass auch für mich der Erhalt von medizinischen Versorgungsstrukturen für alle, auch für die kommenden Generationen, oberste Priorität hat. In diesem Sinne werden wir in der SPD-Bundestagsfraktion im weiteren Verlauf der Gesetzgebung mit großer Aufmerksamkeit die Folgen der Gesundheitsreform für die wirtschaftliche Situation der Ärzte beobachten und erörtern diese Problematik auch mit den GKV und der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. Unsere brandenburgische Gesundheitsexpertin in der SPD-Bundestagsfraktion, Frau Dr. Margrit Spielmann, hat in diesem Zusammenhang unzählige Gespräche geführt. Am 15. Januar 2007 trifft sich die Landesgruppe Brandenburg der SPD-Bundestagsfraktion mit Vertretern der GKV aus Brandenburg. Dabei wird die Rolle der Ärzte in unserem Land mit an erster Stelle stehen.

Die Koalition hat im vergangenen Jahr die Änderung des Vertragsarztrechts beschlossen. Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG), das am 27. Oktober 2006 vom Deutschen Bundestag in 2./3. Lesung beschlossen wurde und dem am 24. November der Deutsche Bundesrat zugestimmt hat, sieht zahlreiche Erleichterungen der vertragsärztlichen Leistungserbringung vor. Damit haben Ärztinnen und Ärzte in Zukunft mehr Möglichkeiten, zu entscheiden, wo und wie sie ihre ärztliche Tätigkeit ausüben. Zudem enthält das Gesetz Neuregelungen, die dazu dienen, regionalen Versorgungsproblemen, wie Sie sie für Brandenburg befürchten, entgegenzuwirken.
Im Einzelnen enthält das Gesetz folgende Regelungen: Der Versorgungsauftrag, der aus der Zulassung resultiert, kann auf die Hälfte einer hauptberuflichen Tätigkeit beschränkt werden (sog. Teilzulassung). Vertragsärzte haben die Möglichkeit, gleichzeitig auch als angestellte Ärzte in Krankenhäusern zu arbeiten. Die Anstellungsmöglichkeiten von Ärzten und Zahnärzten werden verbessert. Die Altersgrenze für den Zugang zur vertragsärztlichen Tätigkeit von 55 Jahren wird ganz aufgehoben und auf die Altersgrenze für das Ende der vertragsärztlichen Tätigkeit von 68 Jahren wird in unterversorgten Gebieten zukünftig verzichtet. Die vertragsärztliche Tätigkeit an weiteren Orten ? auch den Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung überschreitend ? wird erleichtert (sog. Zweigpraxen). In Zukunft sind örtliche und überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften zwischen allen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern ? auch den Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung überschreitend ?zulässig.

Ich denke, dass dieses Gesetz durchaus zur Erleichterung der Situation der Ärztinnen und Ärzte in Brandenburg beitragen kann und auch den von Ihnen angesprochenen Anreiz für jüngere Mediziner schafft. Ich versichere Ihnen, dass ich mich innerhalb meiner Fraktion dafür stark machen werde, dass es in Brandenburg nicht zu einer medizinischen Unterversorgung kommt. Zusätzlich möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass wesentliche Teile der Reform, wenn Sie so erhalten bleiben, wie sie im Moment konzipiert sind, auch einen finanziellen Beitrag für Ärztinnen und Ärzte bedeuten, die in strukturschwachen und unterversorgten Gebieten tätig sind.
Es liegt in der Natur der Sache, dass es bei einem so komplexen Reformprojekt und so unterschiedlichen Interessen keine einfache Lösung gibt, die allen Bedürfnissen entsprechen können. Diese Gesundheitsreform machen wir vor allem im Interesse von 70 Millionen Versicherten. Obwohl ich kein Experte in Gesundheitsfragen bin, habe ich in den letzten Monaten den Eindruck gewonnen, dass sie sehr viel besser ist, als dies den öffentlichen Äußerungen von Interessenvertretern der verschiedenen Bereiche, die davon betroffen sind, zu entnehmen ist.

Für weitere Nachfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Danckert