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Frage von Samuel R. •

Frage an Oskar Lafontaine von Samuel R. bezüglich Frauen

Sehr geehrter Herr Lafontaine,

Ich habe bemerkt, dass sich die Linke für einen möglichst schnellen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan einsetzt und zugleich eine mindest Frauenquote in Ämtern, Mandaten und Jobs vordert.
Das mag auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, aber wenn die Bundeswehr Afghanistan in dem jetzigen Zustand verlässt, ist damit zu rechnen, dass die Frau den Großteil ihrer jetzigen Rechte wieder verlieren wird, sie nicht mehr zur Schule gehen darf usw.
Wie kann man in Deutschland eine Frauentquote fordern und gleichzeitig verantworten, dass Frauen in einem Land, auf dessen Entwicklung wir im Moment Einfluss haben, nicht einmal ein Recht auf Bildung und Gleichheit vor dem Gesetz haben?

Mit freundlichen Grüßen
Samuel Röcken

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Röcken,

Oskar Lafontaine bedankt sich für Ihre Anfrage und hat mich gebeten Ihnen zu antworten. Sie sprechen Themen an, den Krieg in Afghanistan und die Situation von Frauen vor Ort, mit dem sich meine Partei intensiv auseinander setzt.

Die Befreiung der Frauen von der brutalen Herrschaft der Taliban war in der Tat eine der öffentlichen Rechtfertigungen in Deutschland, um eine mehrheitlich gegen den Krieg eingestellte deutsche Bevölkerung von der angeblichen Notwendigkeit dieser Militärintervention zu überzeugen. Es ist richtig, dass seit 2001 viele Mädchen in die Schule gehen können, was unter den Taliban unmöglich war oder nur im Untergrund stattgefunden hat. Leider wird auch davon berichtet, dass viele Mädchen dennoch zuhause bleiben, etwa weil sie auf dem Weg in die Schule vergewaltigt oder entführt werden. Von Frauenhilfsorganisationen vor Ort wurde uns auch erzählt, dass die Nähe eines Bundeswehrlagers dazu führen kann, dass die Mädchen und Frauen eher angegriffen werden und also aus Sicherheitsgründen vom Schulbesuch absehen.

Ein Hauptproblem ist also die anhaltende Armut (80% Arbeitslosigkeit, Lebenserwartung unter Frauen bei 43 Jahren), die mangelnde Sicherheit und sich fortsetzende Gewalt gegen Frauen.

Die Regierungsparteien und Medien sprechen fast nur von "den Taliban", dem Feind schlechthin, der terroristisch sei und daher den Angriff des Westens rechtfertige. Leider erhalten die Taliban aber mehr Zulauf denn je, gerade weil die NATO im Land als Besatzungsarmee fungiert. Aber nicht nur Taliban sind ein Problem für die Bevölkerung. Unsere Partnerinnen vor Ort berichten uns davon, dass die Situation der Frauen sich keineswegs verbessert hat. Deutschland hat seit 2001 besonders die Nordallianz und die Karsai-Regierung unterstützt, die sich jedoch maßgeblich aus ehemaligen Mudschaheddin und gewalttätigen Warlords zusammensetzen, die in ihren Provinzen die Bevölkerung tyrannisieren und massakrieren und nicht besser sind als die Taliban in den 90er Jahren. Es ist eine traurige Wahrheit, dass gerade in diesem Moment zwar viele Frauen im Parlament sitzen, eine Mehrheit von ihnen aber fundamentalistisch ist oder von Warlords unterstützt wird. Gleichzeitig werden in den Provinzen die Frauenrechte, die sowieso nur auf dem Papier standen, wieder abgeschafft.

Natürlich wünsche ich mir, dass es den Frauen, Männern und Kindern in Afghanistan besser gehen soll. Aber Frieden und Freiheit können nicht militärisch herbei gebombt werden. Momentan befindet sich das Land, das bereits von 30 Jahren Krieg zerstört ist, in einer Gewaltspirale, welche die NATO-Staaten mit zu verantworten haben. Stattdessen fordern wir den Abzug der Bundeswehr. Die durch den Abzug freiwerdenden Mittel sollen allein in den zivilen Wiederaufbau, Schaffung von Infrastruktur und Arbeit fließen. Die Verbrecher im Parlament müssen vor Gericht gestellt und für ihre Verbrechen bestraft werden. Nur durch eine Bewegung von unten kann das Land sich selbst befreien. Daher unterstützt DIE LINKE demokratische, friedlich Kräfte im Land wie die Frauenrechtlerin und Abgeordnete Malalai Joya und die Frauenorganisation RAWA.

Mit freundlichen Grüßen

Harald Schindel
Büro des Vorsitzenden Oskar Lafontaine