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Olav Gutting
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Frage von Christoph S. •

Frage an Olav Gutting von Christoph S. bezüglich Staat und Verwaltung

Ich frage Sie dies, weil Sie im Finanzausschuss des Bundestages sitzen. Zur Entschuldung der Gemeinden: Ist es ggf. sinnvoller, an Stelle der pauschalen Entschuldung armer Gemeinden rückwirkend Unterstütung für Aufgaben nachzuzahlen, die besser von anderen Gebietskörperschaften erledigt werden?
Die Gemeinden sind im Bundestag und -Rat nicht vertreten: wurde ihnen deshalb viele Aufgaben aufgetragen ohne angemessene finanzielle Ausstattung, wurde die mit Geld verbundene staatliche Macht von den Gemeinden auf Bund und Länder verlagert? Wieviel Ex-Abgeordnete haben sich schon darüber geärgert, wenn sie nach ihrer Mitgliedschaft im Bundestag als Landrat oder OB tätig waren?
Bei der Gemeindefinzierung könnten diese Fragen besonders wichtig sein: Welche Extras sollen sich reiche Gemeinden gönnen dürfen und worauf sollen zumutbarerweise Bürger armer Gemeinden verzichten?
Ist es angemessen, dass große Teile der öffentlichen Aufgaben durch die Grundsteuer und die Gewerbesteuer finanziert werden?
Sollte man die Projektförderung mit komplizierten Anträgen abschaffen und statt dessen pauschal pro Einwohner mehr Geld an die Gemeinden zahlen?
Sollte ein überregionales Unternehmen die Gewerbesteuer in der jeweiligen Gemeinde bezahlen, wo die produktiven physischen Investionen getätigt werden, die Arbeitsplätze sich befinden, der Güterverkehr zur Fabrik groß ist?
Sind Massenarbeitslosigkeit, weltweite Flüchtlingsstöme, z.B. Eisenbahnbrücken von je her nicht eher Aufgaben des Bundes? Überfordert Kinderbetreuung in Kitas, Krippen und Horte usw sowie Teile des Schulwesens die Gemeinden, sollte dies ggf viel mehr bei der Landes-Schulbehörde angesiedelt werden?
Kann es sein, dass die Zuteilung einer Zuständigkeiten an eine Anstalt oder Gebietskörperschaft, die zu arm dafür ist, eine Methode ist, dafür zu sorgen, dass diese Aufgabe schlecht oder gar nicht erledigt wird?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr S.,

mit Dank bestätige ich Ihre über das Portal Abgeordnetenwatch gestellte Anfrage vom 4. vorigen Monats.

Lasen Sie mich zunächst folgende Feststellung treffen: Ihre Behauptung, die Gemeinden seien im Bundestag wie auch im Bundesrat nicht vertreten, kann so nicht stehenbleiben. Die Kommunen sind in den Gremien der Fraktionen vertreten: so gibt es in der Unionsfraktion eine Arbeitsgruppe „Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen“. Darüber hinaus verfügt der Bundestag auch über einen entsprechenden Ausschuss, der den gleichen Namen trägt. Außerdem gibt es in der Unionsfraktion noch die Arbeitsgemeinschaft „Kommunalpolitik“. Da dürfen Sie versichert sein, dass die Interessen der Kommunen nicht zu kurz kommen.

In den drei genannten Gremien werden selbstverständlich kommunalpolitische Themen, auch die mit finanziellem Hintergrund, mit Vorrang diskutiert. Im Bundesrat haben wir den Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung, der für viele kommunalpolitische Themen zuständig ist. In beiden Kammern, im Bundestag, aber auch in der Länderkammer, werden spezielle kommunalpolitische Themen wie beispielsweise die Finanzausstattung der Kommunen im Ausschuss für Finanzen, den es sowohl im Bundestag wie auch im Bundesrat gibt, diskutiert und entschieden.

Dass sich Bürgermeister, Landräte und sonstige Gemeindevertreter immer wieder über zu geringe Finanzausstattung kritisch auslassen, ist kein Novum. Mit dieser Forderung stehen die kommunalen Vertreter aber nicht allein. Der Bund und auch die Länder sind weit davon entfernt, sich als Gewinner des jährlichen Steueraufkommens zu fühlen. Es kommt dabei immer wieder zu Verteilungskämpfen.

Ihre Frage nach der Angemessenheit der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben der Gemeinden durch die Grundsteuer und die Gewerbesteuer stellt sich meines Erachtens so nicht, da diese Steuern heute nur noch einen geringen Teil der kommunalen Einnahmen ausmachen. Sie sind zwar noch bedeutsam, auch weil sie von der Gemeinde in eigener Hoheit erhoben werden. Es handelt sich neben der Grundsteuer und die Gewerbesteuer um kommunale Gebühren und Beiträge, die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern und einige kommunale Sonderabgaben. Bei diesen Abgaben kann die Gemeinde das Steueraufkommen selbst gestalten.

Finanzpolitisch kommt aber auch den Abgaben erhebliche Bedeutung zu, deren Erträge den Gemeinden ganz oder zum Teil überlassen werden. Vor allem das hohe Aufkommen des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer, aber auch der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer sichert und verstetigt die Gemeindefinanzen. Einen Überblick können Sie sich z.B. unter https://fm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-fm/intern/Publikationen/171214_Steuertipps_Kommunen.pdf verschaffen. Hier wird auch deutlich, dass die Gemeindesteuern heute nur noch unter 40 % des Finanzierungsaufkommens der Kommunen ausmachen.

Ihr Vorschlag zur Gewerbesteuer indes ist schon geltendes Recht; es nennt sich Steuerzerlegung und wird im deutschen Steuerrecht vorgenommen, um das Steueraufkommen eines Unternehmens, das in mehreren Gemeinden ansässig ist, auf die einzelnen Gemeinden aufzuteilen. Grundsätzlich ist im Zerlegungsgesetz die Zerlegung von Körperschaftsteuer, Zinsabschlag und Lohnsteuer geregelt. Körperschafts- und Lohnsteuer werden dabei zwischen den Ländern aufgeteilt und der Zinsabschlag zwischen Ländern und Kommunen.

Die Zerlegung der Gewerbesteuer hat der Gesetzgeber im Gewerbesteuergesetz in den §§ 28 bis 35 festgeschrieben. Die Gewerbesteuer als Gemeindesteuer wird dabei zwischen den betreffenden Gemeinden zerlegt. Dazu wird in der Regel das Verhältnis der Lohn- und Gehaltssumme aller zum Unternehmen gehörenden Betriebsstätten zur Lohn und Gehaltssumme der Betriebsstätte in der betreffenden Gemeinde herangezogen. Dabei wird das steuerpflichtige Entgelt zuzüglich der steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Mehr- und Nachtarbeit zugrunde gelegt.

Da jede Gemeinde durch ihre autonome Festlegung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer Einfluss auf die Höhe der Gewerbesteuereinnahmen nimmt, ist die Gewerbesteuerzerlegung nicht aufkommensneutral. Das bedeutet, dass die Gewerbesteuerzahlung, die das Unternehmen insgesamt zu leisten hat, in Abhängigkeit von der Höhe der Gewerbesteuerhebesatze in den einzelnen Gemeinden schwankt.

Sie fragen weiter: sind Massenarbeitslosigkeit, weltweite Flüchtlingsströme, z.B. Eisenbahnbrücken von je her nicht eher Aufgaben des Bundes?
Natürlich sind sie das. In all den von Ihnen aufgeführten Fällen ist der Bund der hauptsächliche Zahlmeister. Bei allen Projekten der Infrastruktur ist der Bund der Hauptverantwortliche, was die Bereitstellung von Finanzmitteln angeht.

Bei den Themen „Kitas und Schulen“ sieht es im Übrigen nicht wesentlich anders aus. Allein für die Sanierung von Schulgebäuden und Sportstätten (Bedarf um die 35 Mrd. Euro) stellt der Bund den größten finanziellen Batzen zur Verfügung.

Ihre zuletzt vorgetragene Unterstellung, wonach die Zuteilung einer Zuständigkeit an eine Anstalt oder Gebietskörperschaft zu nichts anderem dienen soll, dass die übertragenen Aufgaben schlecht oder gar nicht erledigt werden, halte ich für abwegig.

Mit freundlichen Grüßen

Olav Gutting

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