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Michael Cramer
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Frage von Mario K. •

Frage an Michael Cramer von Mario K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Lieber Herr Cramer,

am kommenden Montag wird im EU-Parlament über das so genannte Telekom-Paket abgestimmt. Das Paket wurde bisher weitestgehend ohne öffentliche Diskussion entworfen worden. Damit lässt sich wohl auch der starke lobbyiste Einfluss in dem Papier erklären.
Da die Richtlinie auch Grundlage nationaler Gesetzgebung sein bin ich als Bürger natürlich besorgt. Auf der einen Seite steht mit der Neutralität des Internets ein Gut, welches ich als webaktiver Mensch ähnlich hoch bewerte wie die Meinungsfreiheit im Allgemeinen. Auf der anderen Seite stehen die berechtigten Interessen von Rechteverwertern. Bitte wägen sie sorgfältig ab. Kommerzielle Interessen können nicht ausreichend sein um Überwachungs- und Kontrollmechanismen zu legitimieren, die ein so hohes Gut wie die Freiheit des Internets langfristig, wenn nicht gar dauerhaft schädigen.
Ihre Position hierzu und ihr Abstimmungsverhalten würden mich gerade in Hinblick auf die kommende Wahl interessieren.

Mit vertrauensvollen Grüssen
Mario Konschake

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Konschake,

ich danke Ihnen für Ihre Frage und bitte um Entschuldigung dafür, dass ich erst jetzt Zeit finde, Sie zu beantworten.

Ich bin wie Sie der Meinung, dass der Schutz der Privatsphäre auch im Internet ein hohes Gut ist, dass es zu schützen gilt. Ich begrüße deshalb, dass sich sowohl der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz als auch der federführende Industrieausschuss für eine Stärkung der Rechte der Verbraucher und gegen eine intensive Überwachung ausgesprochen haben.

Ich möchte Sie ihn diesem Zusammenhang auf die Pressemitteilung meiner Kollegin Heide Rühle verweisen, welche sich mit der Problematik im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz intensiv auseinandergesetzt hat und die Position meiner Fraktion auf den Punkt bringt:

"Mit diesem Richtlinienentwurf werden die Rechte der Verbraucher im Telekommunikationsmarkt gestärkt - egal, ob es um Internet, Mobilfunk oder Telefon geht. Der Entwurf regelt unter anderem die Mitnahme der Rufnummern bei Betreiberwechseln, stärkt die Rechte von Menschen mit Behinderung, sichert den Zugang zur europaweiten Notrufnummer 112 und schafft die Möglichkeit, die Mindestdauer von Verträgen auf zwölf Monate zu verkürzen. Auch für abgelegene Regionen in Europa soll der Zugang zu Telekommunikationsdiensten sichergestellt werden.

Neben einigen problematischen - aber allesamt abgelehnten - Änderungsanträgen, die z.B. Internetprovider zu "Hilfssheriffs" machen wollten oder auf das französische "drei Treffer und du bist tot"-Modell abzielten, wurden in der Öffentlichkeit vor allem zwei Punkte kontrovers diskutiert:

Zum einen stärkte der Binnenmarktausschuss das Recht aller Nutzer gegenüber den Telekommunikationsunternehmen, gesetzeskonforme ("lawful") Anwendungen zu nutzen (beispielsweise VoIP-Dienste wie Skype), soweit diese nicht das Funktionieren des Netzes ernsthaft beeinträchtigen. Die Nutzung von VoIP wird derzeit leider nicht von allen europäischen Telekommunikationsunternehmen gestattet. Manche befürchteten, mit der Verwendung des Wortes "gesetzeskonform" würde durch die Hintertür ein Kontrollmechanismus aufgebaut. Allerdings liegt die Definition der Inhalte und damit auch des Begriffs "gesetzeskonform" nicht bei der EU, sondern bei den Mitgliedstaaten. Andererseits kann man auch auf europäischer Ebene Netzbetreibern nur Auflagen für "gesetzeskonforme" Anwendungen machen.

Umstritten war auch ein Kompromissantrag, der die Betreiber verpflichtet, auf Wunsch der Mitgliedstaaten Informationen der staatlichen Behörden an alle Kunden weiterzuleiten, die über Missbrauch und Gefahren im Telekommunikationsnetz aufklären sollen. Auch hier wurde eine stärkere Kontrolle der Nutzer befürchtet. Klar ist aber: Es geht nicht um Kontrolle, sondern um Informationen, an denen beispielsweise Eltern ein Interesse haben könnten. Internetprovidern wird mit dieser Richtlinie keine Verpflichtung auferlegt, Datenverkehr abzuhören oder Inhalte zu blockieren.

Die Universaldienst-Richtlinie hat in erster Linie das Ziel, die Interessen aller Nutzer von Telekommunikationsdiensten zu stärken und zu schützen. Dies muss unsere erste Priorität sein. Wir Grünen werden uns bemühen, mögliche Hintertüren bis zur Plenarabstimmung im September zu schließen. Dies gilt vor allem für Änderungsanträge des LIBE-Ausschusses, nach denen z.B. "Verkehrsdaten von jeder natürlichen oder juristischen Person verarbeitet werden können". Verkehrsdaten und Internet-Protokoll-Adressen sind genauso schützenswerte Daten wie andere persönliche Daten auch.

Anmerkung:

1) Das ´Telekommunikationspaket´ besteht aus drei einzelnen Gesetzesvorschlägen (zwei Richtlinien und eine Verordnung) sowie einer Mitteilung der Kommission über die "digitale Dividende". Für die Richtlinie über die Rechte der Nutzer und die so genannten Universaldienste, d.h. die gesetzliche Verpflichtung der Netzbetreiber, bestimmte Leistungen flächendeckend anzubieten, ist der Binnenmarktausschuss federführend. Das Gesetzespaket soll im September im Plenum verabschiedet werden.

Ich hoffe, Ihre Frage damit beantwortet zu haben.

Mit besten Grüßen,

Michael Cramer