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Matthias Zimmer
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Frage von Sascha A. •

Frage an Matthias Zimmer von Sascha A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Dr. Matthias Zimmer,

vor einigen Tagen kam aus der FDP die Forderung nach der Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften Homosexueller mit der klassischen Ehe. Aus ihrer Partei kam die Gegenargumentation, dass gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche Ehe nicht gleichwertig seien und dass es einer Verfassungsänderung bedürfe, die eine 2/3-Mehrheit im Bundestag erfordere.

Die Verfassungsänderung wäre meiner Einschätzung nach kein Problem, da potentiell alle Parteien außer der CDU dies unterstützen würden. Zu der Ungleichheit muss ich fragen, was der entscheidende Unterschied sein soll. Eine Ehe wird (oder sollte zumindest) aus tiefster Überzeugung gegenseitiger Liebe und Verbundenheit geschlossen werden. Diese Eigenschaft scheint man in der CDU pauschal allen homosexuellen Paarbindungen abzusprechen. Sehe ich das so richtig?

Es wird in Bezug zum Schutz der Ehe auch mit dem Schutz der Gleichheit und Würde des Menschen argumentiert. Warum gilt Gleichheit nicht auch Homosexuellen, welche sich ihr Leben als Homosexuelle (nachgewiesenerweise) nicht aussuchen konnten? Wie wird in der CDU dieser Widerspruch zum Grundgesetz gerechtfertigt? Und wie stehen sie persönlich zu der Thematik?

Wenngleich diese Fragen in ihrer Position als CDU-Politiker unbequem sind, würde ich mich sehr über umfassende und erklärende Antworten zu meiner Frage freuen.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Apazeller,

ich will nicht für die CDU insgesamt bei diesem Thema sprechen sondern nur für mich selbst. Vielleicht auch ein wenig ausführlicher, da Sie das ja auch angemahnt haben.

Ich gestehe, dass ich mich mit dem Thema ausgesprochen schwer tue. Zunächst einmal ist Ehe ja immer definiert als Bund zwischen einem Mann und einer Frau. Eben nicht: Zwei Männer, oder zwei Frauen, auch nicht: Ein Mann, drei Frauen oder eine Frau, drei Männer. Ehe ist also definiert als eine nicht polygame, auf Dauer angelegte Verbindung von Mann und Frau. Das hat kulturelle ebenso wie normative Gründe. Zunächst einmal wird in der Ehe (und in der Familie) die kleinste Solidargemeinschaft gesehen, die füreinander einsteht. Im Bereich der Familie ist die Idee, dass diese Voraussetzung für die Entwicklung von Kindern sind. In der Familie werden Normen eingeübt, kulturelle Traditionen weiter gegeben, Identität ausgeprägt; im Schutzraum der Familie entwickelt sich die Persönlichkeit.

In der jetzigen Form ist die (Zivil)ehe nicht sehr alt; sie wurde im Kaiserreich eingeführt. Sie ist wesentlich eine Konvention, eine rechtlich bindende Übereinkunft. Hintergrund ihrer Einführung war wohl auch die Frage konfessionsverschiedener Ehen, die die Kirchen damals sehr kritisch gesehen haben. Grundidee war damals aber auch, dass die Ehe eine natürliche Ordnung einer Gemeinschaft von Mann und Frau spiegelt, und dass sie wesentlich auf die Fortpflanzung angelegt ist, also die Gründung einer Familie. In der Familie reproduziert sich die Gesellschaft.

Wir haben heute eine Situation, in der Ehe nicht mehr automatisch auf die Familie angelegt ist. Wenn ich von den ungewollten Fällen einmal absehe, sehe ich viele Ehen in denen bewusst auf Kinder verzichtet wird. Als Essenz der Ehe bleibt dann die Verantwortungsgemeinschaft, das aus der Liebe begründete Einstehen füreinander in guten wie in schlechten Tagen. Ich sehe keinen systematischen Grund, Liebe und gegenseitiges Einstehen füreinander nicht auch für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in vollem Umfang zu öffnen. Das entspricht aus meiner Sicht dem Prinzip der Subsidiarität und ist auch mit meinem christlichen Menschenbild durchaus vereinbar. Zwar hat Gott die Menschen als Mann und Frau geschaffen und sie aufeinander zugeordnet. Aber er hat auch die Liebe in die Welt gebracht und die Solidarität füreinander, und vielleicht auch, ihre Frage impliziert es ein wenig, auch einige Menschen mit der Veranlagung zu gleichgeschlechtlicher Liebe ausgestattet. Wenn sich also zwei Menschen gleich welcher sexueller Ausrichtung zueinander bekennen und füreinander sorgen wollen ist das zunächst einmal aus gesellschaftspolitischer Sicht die Stützung der kleinen Einheiten, die dem Prinzip der Subsidiarität entsprechen. Ich denke, das Problem der Union sollte an der Stelle nicht sein dass so viele gleichgeschlechtliche Partner in die Ehe wollen. Eher beunruhigt mich, dass so viele heterosexuelle Paare aus der Ehe heraus wollen. Die Scheidungsraten finde ich bedenklich. Das Einstehen füreinander in guten und schlechten Tagen scheint mir da zu einer bloßen Formel verkommen zu sein. Jeder menschliche Lebensentwurf steht in der Gefahr des Scheiterns. Aber die Mühelosigkeit, mit der das Scheitern von Ehen heute erklärt wird, hat etwas Beschämendes. Ich bin durchaus dafür, die Trennung voneinander deutlich zu erschweren, aber dieses ist eine andere Diskussion.

Also, erster Schritt: Ja, ich befürworte eine gleiche rechtliche Ausgestaltung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften. Semantisch wäre es aber vielleicht zunächst einmal klug, die beiden unterschiedlichen Begriffe auch beizubehalten. Nächster Schritt: Sollen gleichgestellte eingetragene Lebenspartnerschaften auch Kinder adoptieren dürfen? Auch hier ein klares Ja, denn es geht darum, Menschen zu unterstützen, die Verantwortung für Andere übernehmen wollen. Das liegt in gesamtgesellschaftlichem Interesse. Ich bin da auch nicht bange, dass Kinder, die in einer solchen Lebenspartnerschaft aufwachsen, einseitig sexuell geprägt werden. Ein wenig problematisch sehe ich zwar die Rollenverteilung, die in einer traditionellen Ehe dem Kind zwei verschiedene Rollenmuster anbietet; aber gegenüber der heute schon so häufigen Realität von Alleinerziehenden ist es für das Kindeswohl vermutlich immer noch besser, zwei feste und dauerhafte Ansprechpartner zu haben.

Ich bin Ihnen für die Frage sehr dankbar weil ich mich lange mit dem Problem rumgeschlagen und mich vor einer Beantwortung beinahe ein wenig gedrückt habe. Einer der Gründe, weshalb ich mich damit sehr schwer getan habe, sind diese unseligen Christopher-Street-Days, weil hier der Eindruck vermittelt wird, bei der Frage der Homosexualität gehe es vor allem um Sexualität und das Ausleben eines karnevalesken Hedonismus. Der ernsthafte Kern ist aber: Liebe, Solidarität und gegenseitiges Füreinander Dasein. Das erfährt man dann am Rande des CSD bei den vielen Gruppen, die zu Gesprächen sich bereit halten und eben über diese andere, wichtigere Seite des menschlichen Zusammenlebens berichten. Wenn es gelingt, die Gleichberechtigung eingetragener Lebenspartnerschaften aus dem lediglich Lust, Sexualität und Hedonismus signalisierenden Umfeld des CSD zu befreien und die Debatte in der Begrifflichkeit von Liebe, Verantwortung, Solidarität und gemeinsamer Gotteskindschaft zu führen, dann kann die Debatte mit der gebotenen Ernsthaftigkeit geführt werden und wird sicherlich auch dazu führen, dass sich einige meiner Unionskollegen anders positionieren können. Mich würde es jedenfalls freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Zimmer