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Matthias Lietz
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Frage von Anna Maria W. •

Frage an Matthias Lietz von Anna Maria W.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

wie können Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren, gegen die Ablehnung von Schiedsgerichten im Zshg. des TTip Abkommens zu stimmen?
Haben Sie sich ausreichend informiert? Es gibt genügend kritische Hintergrundinformationen, die Sie hätten zurate ziehen können- Hat Sie die Art und Weise dieser Verhandlungen - hinter geschlossenen Türen, nur ein kleiner Kreis kennt überhaupt den Inhalt usw. - nicht alarmiert?
Was sagen Sie zu den Folgen der TTip und CETA Verhandlungen für unsere Demokratie, zu deren Wahrung auch Sie gewählt worden sind?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Wesener,

haben Sie vielen Dank für Ihre kritischen Fragen in Ihrer Nachricht vom 12. Oktober 2014. Es ist grundsätzlich wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger Sachverhalte hinterfragen, wenn sie sie nicht hinlänglich verstehen oder sie Zweifel haben.

Lassen Sie mich, bevor wir zum fachlichen Teil kommen, zunächst einige grundlegende Äußerungen zum Sachverhalt treffen:
Ich habe mich sehr wohl umfänglich und in dem erforderlichen Maß informiert und meine persönliche Meinung basierend auf diesen Informationen getroffen. So gehe ich stets an meine Arbeit heran und das bildet die Grundlage meiner Abgeordnetentätigkeit. Diese somit entstehende Entscheidung treffe ich sehr wohl aus vollem Wissen und Gewissen.
Zu Ihrer These „…hinter geschlossenen Türen, nur ein kleiner Kreis kennt überhaupt den Inhalt…“ gestatten Sie mir die Frage: Worauf gründet sich diese?

Sehr geehrte Frau Wesener,

ich sehe TTIP ganz klar als Chance, als Wachstumsmotor im internationalen Wettbewerb.

Die TTIP soll ein neues Zeitalter der wirtschaftlichen Verflechtung über den Atlantik hinweg einläuten. Die positiven Effekte auf Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und das reale Einkommen der Bürgerinnen und Bürger wurden in einer Vielzahl von Studien analysiert. Ein solches Abkommen kann ein wichtiger Beitrag sein, um Wohlstand sowie sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt in Europa und den USA nachhaltig zu sichern.

Sofern Investoren mit kommunalem Verwaltungshandeln oder Ratsentscheidungen nicht einverstanden sind, darf abgesehen vom bestehenden Verwaltungsgerichtsweg kein außergerichtlicher Klageweg eröffnet werden. Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen darauf, dass sie sich zur Frage der Einbeziehung von Investitionsschutz einschließlich Investor-StaatSchiedsverfahren in das Abkommen von Anfang an kritisch geäußert habe. Diese Position habe sie auch in den zuständigen EU-Gremien geäußert. Die Bundesregierung sehe grundsätzlich keine Notwendigkeit für die Einbeziehung von Regelungen zum Investitionsschutz und zu Investor-StaatSchiedsverfahren (ISDS) in das Abkommen, da amerikanische Investoren in der EU sowie EU-Investoren in den USA hinreichenden Schutz vor nationalen Gerichten haben. Diese Position hat die Bundesregierung schon in den Beratungen über das Verhandlungsmandat zum TTIP vertreten. Über eine eventuelle Einbeziehung dieses Bereichs in das Abkommen und eine mögliche Ausgestaltung soll - gemäß dem Verhandlungsmandat - nach Vorlage des Verhandlungsergebnisses und Evaluierung durch die Mitgliedstaaten entschieden werden. Die Europäische Kommission hat die zunehmenden Bedenken in der europäischen Öffentlichkeit gegen ein Investitionsschutzkapitel mit ISDS aufgegriffen und zum Investitionsschutz und zu Investor-StaatSchiedsverfahren im Rahmen des TTIP eine dreimonatige öffentliche Konsultation durchgeführt. Die Verhandlungen zum Investitionsschutz wurden zunächst ausgesetzt. Die Europäische Kommission will nach Abschluss der Konsultation die Ergebnisse auswerten und dann ihre Verhandlungsposition mit den Mitgliedstaaten abstimmen. Unabhängig davon: Investitionsschutz garantiert den Unternehmen, dass ihre Investitionen im Ausland gerecht und gleichberechtigt mit den Investitionen der nationalen Unternehmen behandelt werden. Er schafft Rechtssicherheit und Berechenbarkeit für Unternehmen. Investitionsschutzabkommen garantieren, dass Länder weltweit für ausländische Direktinvestitionen attraktiv sind. Eine der größten Gefahren für Investoren in einem fremden Land besteht in indirekten Enteignungen (zum Beispiel durch Nicht-Anerkennung von Patenten, Verbote von Finanztransfers ins Heimatland, intransparente Vergabeverfahren). Deutschland selbst hat Investitionsschutzregeln vor 50 Jahren erfunden und bereits mit rund 130 Staaten sogenannte Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Investor-Staats-Schiedsverfahren sind Teil der Verhandlungen über spezielle Investitionsschutzvorschriften im Rahmen von TTIP. Es ist unsere Position, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. Nur Investitionen, die im Einklang mit den Bestimmungen des Gaststaates stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt.

Auch das Freihandelsabkommen CETA enthält Regelungen zum Investitionsschutz und zum Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren. CETA räumt nur solchen Investitionen Schutz ein, die unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Anlagelandes getätigt wurden, in Deutschland also im Einklang mit deutschen Recht und EU-Recht stehen. Außerdem enthält CETA eine Regelung, wonach nicht-diskriminierende staatliche Maßnahmen im öffentlichen Interesse, wie beispielsweise im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes, keine entschädigungspflichtige indirekte Enteignung darstellen. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn die betreffenden Maßnahmen manifest unverhältnismäßig sind. Dann wären sie aber bereits nach deutschem Verfassungsrecht rechtswidrig, so dass CETA insoweit keine zusätzlichen Ansprüche für Investoren schafft. Ein aktuelles Rechtsgutachten des Max-Planck-Instituts für das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt, dass der durch CETA gewährte Schutz ausländischer Investoren deutlich hinter dem Investitionsschutz des Grundgesetzes zurück bleibt. Mit anderen Worten: Das deutsche Verfassungsrecht bietet für ausländische Investoren bereits heute einen wesentlich stärkeren Schutz gegen staatliche Maßnahmen als CETA. Der im Grundgesetz verankerte gesetzgeberische Spielraum zum Schutz öffentlicher Interessen (z.B. nationale Sicherheit, Umwelt, Gesundheit etc.) wird durch CETA nicht tangiert. Wir erwarten, dass die bei TTIP auch der Fall sein wird.

In den EU-Leitlinien für die Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft heißt es: „Was den Investitionsschutz anbelangt, so sollte mit den diesbezüglichen Bestimmungen des Abkommens das Ziel verfolgt werden, das Recht der EU und der Mitgliedstaaten unberührt zu lassen, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten die Maßnahmen zu ergreifen und durchzusetzen, die erforderlich sind, um legitime Gemeinwohlziele wie soziale, umwelt- und sicherheitspolitische Ziele, das Ziel der Stabilität des Finanzsystems sowie das Ziel der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit in nichtdiskriminierender Weise zu verfolgen. [...] Der Mechanismus für die Streitbeilegung zwischen Investor und Staat sollte Schutz vor offensichtlich ungerechtfertigten oder leichtfertigen Klagen beinhalten."

Sehr geehrte Frau Wesener,
die hohe Transparenz des Verhandlungsprozesses ist für die CDU/CSU-Fraktion ein zentrales Anliegen. Die EU-Kommission informiert regelmäßig das Europäische Parlament sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (d.h. auch die Bundesregierung) über den Verhandlungsprozess. Die Bundesregierung gibt wiederum regelmäßige Informationen an den Deutschen Bundestag. Damit ist gewährleistet, dass alle demokratisch legitimierten Institutionen über aktuelle Entwicklungen bei den Verhandlungen informiert sind. Zudem tritt das Abkommen nach Abschluss der Verhandlungen nur in Kraft, nachdem das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zugestimmt haben. Auch dadurch ist eine umfassende parlamentarische Kontrolle sichergestellt. Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Lietz