Portrait von Martina Bunge
Martina Bunge
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Martina Bunge zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Chaled N. •

Frage an Martina Bunge von Chaled N. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Bunge,

ich interessiere mich für einen Aspekt um die Debatte zur Reformierung oder (hoffentlich baldigen) Abschaffung der Privaten Krankenvollversicherung.

Die Bürger haben derzeit grundsätzlich ein Wahlrecht, ob sie lieber gesetzlich oder privat versichert sein wollen. Dabei spielt es an dieser Stelle erstmal keine Rolle, ob diese Menschen aufgrund von falscher Gier über günstige Lockangebote oder warmer Worte eines gierigen Versicherungsverkäufers in die Fänge der Abwärtsspirale PKV geraten sind.

Ein Teil der Bürger - der Ihnen im Übrigen gewissermaßen besonders nahe steht - wird bei der Diskussion aber völlig außen vor gelassen: Die Beamten. Meine Lebensgefährtin hat im November 2011 zu Beginn Ihres Referendariats (rund 1000 Euro netto mtl.) die Wahl zwischen der PKV (ca. 70 Euro Beitrag mtl. bei Debeka) oder der freiwilligen Versicherung bei ihrer bisher unglaublich zuverlässigen und wunderbaren GKV (BKK essanelle/mehrere hundert Euro Beitrag mtl.).

Meine Frage: Diese Menschen haben kein Wahlrecht. Meine Freundin wäre liebend gerne in der GKV geblieben, doch die aktuelle Gesetzteslage lässt ihr mit der finanziellen Pistole auf der Brust faktisch keine Wahl. Gibt es aus Ihrer Sicht die Möglichkeit, den Beamtentarif in der GKV wieder einzuführen? Den hat damals m.W. irgendeine Bundesregierung als Parteispendenrückführung an die PKV-Lobby abgeschafft. Viele Menschen gelangen wegen Unwissenheit in den Ärger mit der PKV. Meine Freundin musste diesen Weg wider besseren Wissens gehen. Wie ist das möglich?

Mit freundlichen Grüßen aus Köln,

Chaled Nahar

Portrait von Martina Bunge
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Nalad,

vielen Dank für Ihre Frage.

Sie machen in ihrer Email auf ein wichtiges Problem für Beamte aufmerksam. Sobald Beamte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert sind, entfällt die Beihilfe, da dann auf das Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung verwiesen wird. Zugleich wird die gesetzliche Krankenversicherung für viele Beamte finanziell uninteressant, weil gerade bei geringen Bezügen, wie bei Ihrer Lebensgefährtin die Beiträge als "freiwillig" Versicherte" höher sind als Angebote der Privaten Krankenversicherung (PKV). Die Regelung ist so ein Geschenk an die Private Krankenversicherung, die ohne Beamte vermutlich längst nicht mehr existieren würde.

DIE LINKE will die PKV als Vollversicherung abschaffen und die solidarische Bürgerinnen und Bürgerversicherung einführen. Dann wäre das Problem gelöst, da auch alle Beamten in der GKV versichert würden. Dabei legt DIE LINKE darauf wert, dass sich die Beamten durch den Übertritt in die GKV weder von den Leistungen noch finanziell verschlechtern. Die Beihilfe könnte z.B. weiterhin die Leistungen abdecken, die die GKV nicht übernimmt. Lediglich bei sehr hohen Einkommen würden durch die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze Mehrausgaben entstehen. Die allermeisten Beamten würden jedoch durch die Bürgerinnen und Bürgerversicherung finanziell entlastet. Und sogar der Staat würde profitieren, da die Beihilfeausgaben gerade für pensionierte Beamte enorm sind.

Wir haben natürlich überlegt, wie man diese Ungerechtigkeit unabhängig von der Einführung der Bürgerinnen und Bürgerversicherung angehen kann. Allerdings ist das nicht einfach, da dazu unter anderem Beamtengesetze des Bundes und der Länder geändert werden müssten und auf Ländergesetze haben wir bundesrechtlich nur beschränkten Zugriff.

DIE LINKE geht davon aus, dass die Beihilfe nicht zwingender Bestandteil der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist und zumindest durch die Versicherung in der GKV Genüge getan wäre. Man könnte es also in einem ersten Schritt den Beamten freistellen, ob sie Beihilfe erhalten oder in der GKV versichert sein wollen (mit Beiträgen prozentual zu den Bezügen) bei entsprechender hälftiger Beteiligung des Arbeitgebers. Hierbei würde es aber leider zur Rosinenpickerein kommen. Die gesunden und kinderlosen blieben in der PKV, die anderen würden in die GKV wechseln.
Bei der Einführung der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung wäre das anders. Da alle Beamten, in der Bürgerversicherung versichert würden, würde die Rosinenpickerei ausbleiben.

Die Einführung eines Beamtentarifs in der GKV wäre grundsätzlich denkbar, stößt auf weitere Probleme. Während in der GKV das Sachleistungsprinzip gilt, gilt bei der Beihilfe die Kostenerstattung. Die GKV müsste bei Beibehaltung des Sachkostenprinzips im Krankheitsfall in Vorleistung gehen und sich dann jeweils die Kostenbeteiligungen der Beihilfe zurückholen. Dazu müsste für jeden Versicherten der Beihilfestatus ermittelt und zur Anwendung gebracht werden. Das wäre zwar aufwendig, aber machbar. Auch hier spricht allerdings dagegen, dass mit der Wahlfreiheit, gesunde Beamte ohne Kinder eher in die PKV gingen und der GKV die Kosten für die kränkeren Beamten und Beamten mit Kindern blieben.

Bei beiden Möglichkeiten sind die Auswirkungen auf die Landeshaushalte unklar und daher ist nicht mit einer Unterstützung der Länder zu rechnen.

Letztendlich scheitern zudem alle Bemühungen faire Bedingungen zwischen GKV und PKV herzustellen aber an dem Unwillen der Bundesregierung, die an dem dualen System festhält, welches aber nur durch Regelungen zugunsten der PKV aufrecht erhalten werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Bunge