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Frage von Benedikt L. •

Frage an Martin Güll von Benedikt L. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Güll,

mit dem G8 wurde auch der Nachmittagsunterricht bereits in der 5. Klasse eingeführt, während im G9 man sogar noch in der 10 Klasse keinen Nachmittagsunterricht hatte.
In den höheren Klassenstufen wird der Nachmittagsunterricht immer mehr und die Schüler sind stark mit der Schule beschäftigt, sodass sie kaum mehr Freizeit haben und somit wegen des Schulstresses kaum mehr einem Verein beiwohnen können oder sonstigen Aktivitäten nachgehen können (wie Sportarten oder Musikinstrumenten).
Manche Schüler müssen sogar schon bereits in der 5. Klasse Nachhilfe nehmen. Ich selbst (Schüler der 10. Klasse G9) gebe bereits Nachhilfe schon an 6.-klässler, da sie mit der Fülle des Stoffes nicht mithalten können.
Wie kann der Unterricht und die Stofffülle so geregelt werden, dass die Schüler wieder ihren Hobbys nachgehen können und nicht schon in der fünften Klasse ein fünftel aller Schüler das Klassenziel nicht erreicht?

Herzliche Grüße
Benedikt Leichtmann

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Leichtmann,

zunächst einmal ein großes Kompliment, dass Sie sich als Schüler (10. Klasse) für die Landespolitik und damit für die Landtagswahlen interessieren.
Ihre Frage kommt natürlich aus einem Bereich der bayerischen Politik, der gerade vor der Landtagswahl viele Bürgerinnen und Bürger umtreibt: der Bereich der Bildungs- und Schulpolitik. Dass es hier viele Baustellen gibt, deren Beseitigung nun endlich fundiert und nachhaltig angegangen werden muss, liegt auf der Hand und erfordert den Sachverstand aller Bildungsexperten in diesem Land.
Als G9-Schüler haben Sie glücklicherweise noch relativ stabile Schulverhältnisse genossen, wenngleich die Frage des doppelten Abiturjahrgangs 2011, in dem Sie sich ja befinden, bisher keineswegs zufriedenstellend gelöst ist.
Grundsätzlich bin ich kein Gegner des G8, also der Schulzeitverkürzung. Man darf dann aber nicht nur die Schulzeit um ein Jahr kürzen und alles andere belassen wie es ist. Daran ändern auch die angekündigten Stoff- und Stundenkürzungen nichts, zumal wenn sie letztlich auch noch die Intensivierungsstunden tangieren.
Die Verkürzung der Schulzeit wäre die einmalige Chance gewesen, das Gymnasium zu einer modernen Schulform zu machen, die durch ein ausgeprägtes Fördersystem mehr Schülerinnen und Schülern einen Besuch bis zum Abitur ermöglicht und die Scheiterungs- und Durchfallerquote deutlich reduziert. Grundsätzlich spricht auch nichts gegen Nachmttagsunterricht, wenn er sich in Grenzen hält. Da ich mit rhythmisierten Ganztagsklassen in meiner Schule beste Erahrungen mache, würde ich das G8 - wenn immer möglich - als Ganztagssschule machen. Vor allem auch deshalb, dass die wichtige musische Bildung und die individuelle Förderung der Schüler nicht dem Stoffdruck zum Opfer fallen. Ich halte es auch für absolut unnötig, alle Schüler zwangsweise ein G8 durchlaufen zu lassen, Mischformen G8 und G9 sind doch durchaus auch vorstellbar. Dann müssten sich die Schulen vor Ort halt etwas einfallen lassen, was ja wohl nicht zu viel verlangt wäre.
Für mich hat bei jeder Schulpolitik immer das Kind, der Mensch also, im Vordergrund zu stehen. Die bestmögliche Förderung jedes Kindes muss Leitlinie für jede Schulstruktur sein. Derzeit müssen sich aber die Kinder den Schulstrukturen anpassen, ja unterwerfen, und wenn sie in das Raster nicht passen, müssen sie eben die Schule wechseln. Dieser Ansatz ist in jeder Schulart falsch.
Es ist also nicht verwunderlich, dass schon die jungen Gymnasiasten nicht mehr ohne Nachhilfe auskommen. Ich finde das zwar klasse, wenn ältere Schüler so wie Sie jüngeren Schülern helfen, aber das müsste in einer modernen Schule selbstverständlich sein. Im übrigen lernt man durch das Lehren, also Stoffvermitteln, auch als älterer Schüler eine ganze Menge. Wenn aber ein so hoher Prozentsatz an Schülern die Schulform ohne Nachhilfe nicht mehr bewältigen kann, stimmt etwas am System nicht. Natürlich weiß ich auch, dass durch das derzeitige Übertrittsverfahen und den harten Verteilungskampf in der 4. Klasse dr Grundschule viele Schüler auf das Gymnasium wechseln, die diese Art von Schule nicht bewältigen können. Aber das ist ein anderes Kapitel, nämlich die Frage, ob das dreigliedrige Schulsystem so überhaupt noch zeitgemäß ist.
Abschließend: Das G8 ist nicht mit kosmetischen Korrekturen zu retten. Da muss man sowohl inhaltlich (Reduzierung der Stofffülle) als auch strukturell (Ganztagsschule, andere Fächerstrukturen, Mischformen G8/G9) ran. Aber dazu ist die CSU offensichtlich nicht in der Lage, sonst hätte sie es in den letzten Jahrzehnten ihrer Regierungszeit ja anders gemacht.
Ich würde mich freuen, wenn wir in Kontakt blieben und uns nach den Landtagswahlen mit anderen nteressierten Schülerinnen und Schülern einmal eingehend über all diese Frage unterhalten könnten. Ich bitte Sie um Beachtung meiner Homepage mit den entsprechenden Kontaktmöglichkeiten.

Herzliche Grüße und weiterhin viel Erfolg auf Ihrem schulischen und privaten
Weg.

Martin Güll