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Marlies Volkmer
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Frage von Angelika H. •

Frage an Marlies Volkmer von Angelika H. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Fr. Dr. Volkmer,
in Bevölkerungssdiskussionen kommt immer wieder die angebliche Bevorzugung der Ausländer zur Sprache. dies wird dann auch von der NPD schamlos ausgenutzt. Nun gibt es die These, dass von arbeitenden Ausländern in Deutschland auch deren Eltern, Kinder und Ehepartner in den Herkunftsländern mitversichert sind, sozusagen eine umfassende Familienversicherung.
Entspricht dies den Tatsachen? Aus welchen Kassen wird dies finanziert? Wieviel € sind im letzten Jahr insgesamt dafür gezahlt wurden?
Mit freundlichen Grüßen
Angelika Hörner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Hörner,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.de.

Alle gesetzlich Krankenversicherten haben in Deutschland die gleichen Leistungsansprüche. Dies gilt auch für die eventuellen Familienangehörigen. Wohnen die Familienangehörigen eines Versicherten im Ausland, kommt ein Leistungsanspruch zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur dann in Betracht, wenn für den jeweiligen Staat die europäischen Verordnungen über Soziale Sicherheit gelten oder mit diesem ein bilaterales Abkommen über Soziale Sicherheit geschlossen wurde.

Zu den klassischen Koordinierungsmechanismen des EG-Koordinisierungsrechts als auch der bilateralen Sozialversicherungsabkommen gehört es seit Jahrzehnten, die Mitversicherung auch dann vorzusehen, wenn der "Stammversicherte" in einem Mitgliedsstaat beschäftigt ist und die Familie in einem anderen Staat wohnt ("Mitversicherung über die Grenze"). Wohnt beispielsweise die Familie in Frankreich und ist der Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt, so trägt die deutsche Krankenversicherung auch die Gesundheitskosten für die Familie in Frankreich. Gleiches gilt für Länder wie die Türkei oder die Länder des ehemaligen Jugoslawiens, mit denen bilaterale Sozialversicherungsabkommen bestehen.

Die "Mitversicherung über die Grenze" funktioniert so, dass die Familienmitglieder Leistungen der Krankenversicherungen ihrer Heimatländer erhalten. Die hierdurch entstehenden Kosten erstattet die deutsche Krankenversicherung.

Um den Verwaltungsaufwand gering zu halten, erfolgt die Kostenerstattung durch die deutsche Krankenversicherung über jährlich zu vereinbarende monatliche Pauschalbeträge pro Familie. Dieser Pauschalbetrag wird je Familie unabhängig von der Zahl der anspruchsberechtigten Familienangehörigen gezahlt. Allerdings berücksichtigen die Pauschalbeträge die durchschnittliche Zahl der in diesen Staaten wohnenden Familienangehörigen und die von ihnen durchschnittlich verursachten Kosten. Damit ist es trotz des pauschalen Abrechnungsverfahrens indirekt von finanzieller Bedeutung, wer nach dem Recht des Wohnsitzstaates zu den mitversicherten Familienangehörigen zählt.

Zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören bei den genannten Vertragsstaaten regelmäßig die Ehefrau, sofern sie nicht selbst versichert ist, und die minderjährigen Kinder eines Versicherten. Geschwister eines Versicherten gehören nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis.

Die Erstattungsforderungen aus anderen EU-Staaten gegenüber Deutschland betrugen in 2003 etwa 14,1 Mio. Euro. Hinzu kommen Grenzgängerfälle (Arbeitnehmer pendelt nur nach Deutschland), zu denen keine Zahlen vorliegen (Kosten in diesen Fällen werden unmittelbar zwischen den Kassen abgerechnet).

Der Bundesregierung liegen keine Zahlen darüber vor, wie viele Familienangehörige aus Ländern mit Sozialversicherungsabkommen insgesamt Leistungen erhalten haben, die von deutschen Krankenkassen zu erstatten waren. Forderungssummen lassen sich nur getrennt pro Land ausweisen. Beispielhaft möchte ich die Forderungssumme der Türkei für das Jahr 2003 nennen, die die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland mitgeteilt hat: Es waren 13,4 Mio. Euro.

Die Kosten für die deutsche Krankenversicherung würden deutlich höher ausfallen, wenn die anspruchsberechtigten Familienangehörigen nicht in ihren Heimatstaaten, sondern in Deutschland wohnen würden. So betrugen beispielsweise die durchschnittlichen monatlichen Kosten im Jahr 1999 für die Betreuung einer Person in Deutschland 79,94 Euro, während im Vergleich hierzu der oben genannte Monatspauschbetrag für die Betreuung einer ganzen Familie in der Türkei umgerechnet 17,75 Euro betrug.

Mit freundlichen Grüßen
Marlies Volkmer