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Frage von Anne P. •

Frage an Marina Schuster von Anne P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Schuster,

Wir sind drei Studenten von der FH Deggendorf, studieren Internationales Management und werden am 29.11. einen Vortrage mit anschließender Diskussion zum Thema „Brain Drain – Brain Gain“ halten.

Diesbezüglich haben wir einige Fragen an Sie:
1. Wie hoch schätzen Sie die negativen Folgen von Brain Drain für Deutschland ein?

2. Kann der Verlust von hochqualifizierten deutschen Arbeitskräften durch den Einsatz von ausländischen Fachkräften kompensiert werden?

3. Die Arbeitslosenquote in Deutschland ist hoch, deshalb erschweren strenge Auflagen die Einstellung ausländischer Fachkräfte. Der Konflikt dabei ist, dass oftmals der Bedarf an hochqualifizieren Arbeitskräften nicht (mehr) von dem deutschen Arbeitsmarkt gedeckt werden kann und Unternehmen aber auf diese angewiesen sind, um in Zeiten der Globalisierung wettbewerbsfähig zu bleiben.
Welche Ansätze sind in Berlin vorhanden, um diesen Konflikt zu lösen? Was ist Ihre persönliche Meinung dazu?

4. Was wären Ihrer Meinung nach geeignete Maßnahmen, sodass die deutsche Wirtschaft von dem Brain Drain- bzw. Brain Gain-Trend profitieren könnte?

Wir freuen uns auf Ihre Antwort!

Mit freundlichen Grüßen

Anne Polinski, Kerstin Liebl, Mandy Hubrig

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Polinski,

haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen zum "Brain Drain", die ich Ihnen nachfolgend beantworte.

Viel Erfolg für Ihren Vortrag und die weiteren Studien.

Mit freundlichen Grüßen auch an Ihre Kolleginnen

Marina Schuster

1. Wie hoch schätzen Sie die negativen Folgen von Brain Drain für Deutschland ein?
Eine Auswanderung aus der Bundesrepublik Deutschland fand immer statt, allerdings waren die Zahlen noch nie so hoch. Im Jahr 2005 verließen über 145 000 deutsche Auswanderer offiziell die Bundesrepublik Deutschland. Die Zahl der tatsächlichen Auswanderung liegt allerdings noch wesentlich höher; Experten schätzen diese auf bis zu 250 000 Personen. Hinzu kommt, dass die heutigen Auswanderer zumeist junge und sehr gut ausgebildete Deutsche sind. Die Auswanderung hochqualifizierter Deutscher kann einen positiven Effekt auf den Standort Deutschland haben, wenn die Auswanderer nach einiger Zeit wieder zurückkehren und neu erworbene Qualifikationen mitbringen. So halten sich gerade Studierende und Nachwuchswissenschaftler oft für von vornherein begrenzte kürzere Zeitperioden zu Studien- und Forschungszwecken im Ausland auf. Im Übrigen arbeiten fast alle deutschen Nobelpreisträger der vergangenen Jahre, wie Horst L. Stornier, Herbert Kroemer und Wolfgang Kettele, an amerikanischen Universitäten. Ziel sollte es sein, dass sie in Deutschland die Rahmenbedingungen finden und nicht auswandern müssen. Schließlich brauchen wir Spitzenforschung und Innovation in Deutschland. Ein dauerhafter Brain Drain birgt daher Gefahren.

2. Kann der Verlust von hochqualifizierten deutschen Arbeitskräften durch den Einsatz von ausländischen Fachkräften kompensiert werden?
Für Deutschland gilt bislang: Der „Brain Drain" nimmt weiter zu, ohne dass ein vollständiger Ausgleich, geschweige denn der aus demografischen Gründen erwünschte Überschuss durch Zuwanderung erfolgt. Verglichen etwa mit Großbritannien, wo die Zahlen der Abwanderung traditionell sehr hoch sind, gelingt es Deutschland also bisher nicht, diese Lücken durch qualifizierte Zuwanderung auszugleichen. Diese Entwicklung ist hochproblematisch und muss von der Bundesregierung noch stärker berücksichtigt werden.

3. Die Arbeitslosenquote in Deutschland ist hoch, deshalb erschweren strenge Auflagen die Einstellung ausländischer Fachkräfte. Der Konflikt dabei ist, dass oftmals der Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften nicht (mehr) von dem deutschen Arbeitsmarkt gedeckt werden kann und Unternehmen aber auf diese angewiesen sind, um in Zeiten der Globalisierung wettbewerbsfähig zu bleiben. Welche Ansätze sind in Berlin vorhanden, um diesen Konflikt zu lösen? Was ist Ihre persönliche Meinung dazu?

Mit diesen Fragen sprechen Sie einen wichtigen Punkt an: Allein 12 000 deutsche Ärzte haben bereits im Ausland eine Anstellung gefunden, während hiesige Krankenhäuser versuchen, ihre offenen Stellen mit Medizinern aus Osteuropa zu decken. Amerikanische und britische Krankenhausärzte verdienen das Drei- bis Vierfache ihrer deutschen Kollegen. An den deutschen Universitäten werden die angehenden Mediziner anscheinend schon während des Studiums darauf aufmerksam gemacht, dass ihre beruflichen Chancen im Ausland liegen und nicht innerhalb des deutschen Gesundheitswesens. Auch bei den Wissenschaftlern und Hochschullehrern drücken die Probleme. Dort gibt es einen gewaltigen Stellenbedarf, der nicht befriedigt wird. Wenn Sie von Lösungsansätzen in Berlin sprechen, kann ich natürlich nur als Abgeordnete der Opposition, also nicht für die Bundesregierung antworten. Aus meiner Sicht liegen die Hauptprobleme gerade im Wissenschaftsbetrieb in beamtenrechtlichen Hindernisse und kaum nachvollziehbaren Praktiken bei der Gestaltung und Befristung von Arbeitsverhältnissen. Zudem gibt es noch immer keinen Wissenschaftstarifvertrag, der leistungsgerechte Bezahlung und wissenschaftsgerechte Arbeitsbedingungen regelt. Meine Position und die der FDP-Bundestagsfraktion ist es, vor allem an diesen konkreten Punkten anzusetzen, um den Wissenschaftsstandort Deutschland
international attraktiver zu machen.

4. Was wären Ihrer Meinung nach geeignete Maßnahmen, sodass die deutsche Wirtschaft von dem Brain Drain- bzw. Brain Gain-Trend profitieren könnte?
Für ausländische Hochqualifizierte sind die bisherigen Regelungen im Aufenthaltsgesetz zu bürokratisch und abschreckend, die Hürden für einen Zuzug von ausländischen Selbständigen sind deutlich zu hoch. Deutschland ist darauf angewiesen, als Standort für ausländische Forscher, Entwickler, Führungskräfte und Unternehmer attraktiv zu bleiben. Leider ist aktuell die gegenteilige Entwicklung zu beobachten; insbesondere zieht es viele Hochqualifizierte ins Ausland, da dort die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen attraktiver sind. Deshalb braucht es in vielen Bereichen der deutschen Politik eine stärkere Anstrengung, damit nicht nur der „Brain Drain“ gestoppt, sondern im Gegenteil wieder mehr Hochqualifizierte und Unternehmer nach Deutschland geholt werden können. Hier sind die Änderungsmöglichkeiten im Aufenthaltsrecht zwar nur ein Bestandteil der Attraktivitätssteigerung, doch auch hier sind maßgebliche Schritte vonnöten, da die bisherigen Regelungen weitgehend leer laufen und zu wenigen hochqualifizierten Menschen die Möglichkeiten öffnen, nach Deutschland zu kommen. Das gilt sowohl für die zu hohe Hürde für Investitionen von Selbständigen, die sich nach geltendem Recht auf eine Investitionssumme von 1 Mio. Euro beläuft, als auch für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Hier sieht das geltende Recht die Notwendigkeit vor, dass zehn Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Auch im Angestelltenbereich ist die geltende Rechtslage unbefriedigend. Die für Spezialisten und leitende Angestellte mit besonderer Berufserfahrung bestehende Mindesteinkommensgrenze vom Doppelten der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung, derzeit 7.125 Euro pro Monat, erweist sich insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen als zu hoch.