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Marina Schuster
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Frage von Hermann L. •

Frage an Marina Schuster von Hermann L. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Schuster,

wie stehen Sie zur Bürger-Energiewende?

Unterstützen Sie Brüderle´s Verbot von neuen PV-Anlagen?
... schnellste Abschaffung des EEG und Einführung eines "konzernfreundlichen" Quotenmodell?
... Abschaffung des Einspeise-Vorrangs erneuerbarer Energie (Sonne, Wind, etc.?)

Wie lange sollen Ihrer Meinung nach noch die Kohle-Dreckschleudern und AKWs laufen, die heute Strom ins Ausland liefern? (uns also "überversorgen")

Stehen Sie hinter der enormen Entlastung der Industrie bei den Strompreisen? Sie sind teilweise überbegünstigt, und sollten sich auch solidarisch beteiligen!
Der Privatkunde und Mittelstand zahlt die Zeche!!

Vielen Dank für Ihre Antwort.

mit klimafreundlichem Gruß

Hermann Lorenz/Roth

Portrait von Marina Schuster
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Lorenz,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch.

Da Sie bereits in meiner Bürgersprechstunde waren, freut es mich, dass ich Ihnen heute die FDP-Forderungen zum EEG und zur Energiepolitik im Allgemeinen vorstellen darf.

Eines gleich vorweg: Am Atomausstieg halten wir fest.

Bei mindestens einem Ziel stimmen wir überein, denn es ist meine Zielvorgabe und das Ziel der FDP, dass die Energieversorgung SICHER, SAUBER und BEZAHLBAR bleibt. Energie muss für ALLE Bürger, aber auch für mittelständische Betriebe, Handwerk und Industrie bezahlbar bleiben. Wir werden nicht zulassen, dass Energiepreise zur sozialen Frage werden. Jeder von den Menschen zu viel bezahlte Euro für Energie fehlt ihnen, um ihre eigenen Träume und Ziele zu verwirklichen. Jeder von der Wirtschaft zu viel bezahlte Euro für Energie gefährdet Arbeitsplätze.

Deshalb wollen wir den Zeitplan und die Steuerungswirkung aller Fördermaßnahmen regelmäßig überprüfen und, wenn notwendig, anpassen.

Weil wir Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit wollen, haben wir den notwendigen finanziellen Rahmen für die beschleunigte Energiewende geschaffen und den Netzausbau gesetzlich neu geregelt. Dabei stellen wir den beschleunigten Ausbau der Energienetze bei gleichzeitiger Beteiligung der Bürger sicher. Wir haben neue Programme zur energetischen Gebäudesanierung, zur Erforschung und Entwicklung Erneuerbarer Energien sowie neuer Speichertechnologien aufgelegt. Zusätzlich haben wir beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bereits mehr Wettbewerb durchgesetzt – und arbeiten weiter daran, die von Rot-Grün verordnete teure Überförderung zu beseitigen und das EEG an den Markt heranzuführen.

Wir unterstützen die Einführung einer Strompreisbremse, damit zum 1. Januar 2014 die Strompreise nicht erneut ansteigen. Neue Anlagen erneuerbarer Energien und begünstigte Unternehmen müssen einen angemessenen und kurzfristig realisierbaren Beitrag zur Stabilisierung der EEG-Umlage leisten. Gleichzeitig haben wir haben dafür gesorgt, dass Eingriffe in rechtswirksame Förderzusagen nicht Bestandteil des Vorschlags sind.

Eine Übersicht über unsere Forderungen im Einzelnen:

1. Der Staat darf sich an steigenden Energiekosten nicht bereichern. Als sofort wirksame Maßnahme soll die Stromsteuer auf das von der EU vorgegebene Mindestmaß gesenkt werden. Auch die Länder müssen sich an der Rückgabe der Mehreinnahmen an den Steuerzahler beteiligen. Wir wollen dazu in der nächsten Wahlperiode eine neue Initiative zur steuerlichen Entlastung der Bürger bei der energetischen Gebäudesanierung auf den Weg bringen, die dann von Bund und Ländern gemeinsam getragen werden soll.

2. Um den gesamten Energiemarkt marktwirtschaftlicher zu gestalten, ist eine zügige und grundlegende Reform des EEG erforderlich. Dazu haben wir in der vergangenen Legislaturperiode ein Reformkonzept vorgelegt. Die Erneuerbaren Energien sollen schneller und konsequenter als bisher an den Markt herangeführt werden. Unser Ziel ist es, dass die Erneuerbaren Energien spätestens im Markt sind, wenn das letzte Kernkraftwerk in Deutschland abgeschaltet ist. Wir Liberalen stehen dabei FÜR Rechtssicherheit und Vertrauensschutz in getätigte Investitionen. Alle Reformvorschläge beziehen sich daher stets NUR auf Neuanlagen. Bei der Weiterentwicklung des Fördersystems werden wir insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten kleiner und mittelständischer Unternehmen berücksichtigen.

3. Es soll ein klarer Stufenplan entwickelt werden, nach dem zügig und planbar alle Anlagengrößen und Technologien zwingend von der festen Einspeisevergütung in die Direktvermarktung wechseln sollen. Dabei bedarf es geeigneter Konzepte, um kleinere Anlagen vom administrativen Aufwand der Direktvermarktung zu entlasten. Gleichzeitig sollen die Direktvermarktungsinstrumente für Erneuerbare Energien weiterentwickelt werden. Die bisherige EEG-Marktprämie ist durch einen Marktzuschlag auf den Börsenpreis zu ersetzen. Er sollte degressiv ausgestaltet sein und nach Technologien aber nicht mehr nach Anlagengrößen unterscheiden.

4. Einspeisevergütungen und Marktzuschläge sind bei allen Technologien einer deutlich höheren Vergütungsabsenkung pro Jahr für Neuanlagen zu unterwerfen. Der künftige Ausbau der Erneuerbaren Energien soll gleichmäßiger und ohne Überhitzungen erfolgen. Der „atmende Deckel“ als automatischer Anpassungsmechanismus soll deshalb von der Photovoltaik auf alle Technologien ausgeweitet werden. Erreicht eine Technologie die Ausbauziele, so ist die Förderung aus dem EEG zu beenden. Ausnahmen sind nur bei Anlagen denkbar,
die über die Energieproduktion hinaus noch wichtige Aufgaben übernehmen.

5. Wir Liberalen sprechen uns dafür aus, den EU-Binnenmarkt auch für Erneuerbare Energien entschieden voranzubringen. Wir streben einen garantierten Mindestanteil Erneuerbarer Energien im gesamten Binnenmarkt an. Die Einführung eines europäischen Fördermodells – auch in Form eines Mengenmodells – ist durch eine Mehrheitsentscheidung der Mitgliedstaaten möglich. Sollte sich eine europäische Lösung absehbar nicht realisieren lassen, soll Deutschland seinerseits ein nationales Mengenmodell zügig umsetzen.

6. Ausnahmen von EEG-Umlage und Stromsteuer für energieintensiv produzierende Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, sind zur Sicherung von Beschäftigung und Wirtschaftswachstum am Industriestandort Deutschland unverzichtbar. Anderenfalls drohen Arbeitsplatzverluste durch Abwanderung der Industrie. Was immer keiner hören will: die Ausnahmen für die Großindustrie hatte übrigens schon Trittin eingeführt. Schwarz-gelb hat den industriellen Mittelstand mit Großkonzernen in der Industrie gleich gestellt. Das wichtigste Ziel ist jedoch die Begrenzung der Kosten der Energiewende insgesamt. Deswegen sagen wir ganz klar: Unternehmen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen, sollen NICHT begünstigt werden, da dies die Umlage für Privathaushalte und den Mittelstand unangemessen erhöht.

Mit einem Vorurteil will ich an dieser Stelle aber auch aufräumen:
Sie wettern in Ihren Mails häufig gegen "Konzerne", ich möchte allerdings hier klarstellen, dass mir Arbeitsplätze in Deutschland wichtig sind, auch die, die von der Industrie geschaffen werden. Und ich möchte dies auch mit Zahlen belegen. Die energieintensiven Branchen (Baustoffe, Chemie, Glas,
Nichteisen-Metalle, Papier und Stahl) sind für die Wirtschaftsleistung Deutschlands wichtig, denn sie sind mit einem Anteil von ca. 18% an der Bruttowirtschaftsschöpfung des gesamten verarbeitenden Gewerbes beteiligt und tragen 14% der Beschäftigung. In absoluten Zahlen gesprochen sind ca. 2,2 Millionen Arbeitsplätze direkt oder indirekt von energieintensiven Unternehmen abhängig. In den stromintensiven Unternehmensbereichen, die DIREKT von der Besonderen Ausgleichsregelung (BesAR) voraussichtlich in 2013 profitieren werden, gibt es grob geschätzt insgesamt zwischen 300.000 und 400.000 Beschäftigte.

Eine Abschaffung der BesAR kann somit nicht das Ziel sein. Allerdings braucht es auch bei der BesAR eine regelmäßige Anpassung, was durch die schwarz-gelbe Koalition mehrmals, z.B. 2011, erfolgte. Ohnehin ist davon auszugehen, dass sich ab 1. Januar 2014 mit Inkrafttreten eines gestaffelten Netzentgelts der Kreis derjenigen, die die Regelung in Anspruch nehmen können, deutlich verringern wird.

Mit einem weiteren Vorwurf will ich an dieser Stelle aufräumen:
Die wiederholte Streuung des Gerüchts, unser Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler habe "Golfplätze" entlastet, stellt eine krasse Verdrehung der Tatsachen dar. Die in der öffentlichen Diskussion häufig genannten Golfplätze, Hotels und Spielcasinos können grundsätzlich keine Begrenzung der EEG-Umlage im Rahmen der BesAR in Anspruch nehmen, da sie nicht zum produzierenden Gewerbe gehören. Das BAFA hat die Liste der 2012 begünstigten Unternehmen geprüft und keine Hinweise auf derartige Fälle gefunden. Und noch eine Zahl: Die BesAR belastet die EEG-Umlage 2013 lediglich mit gut 1ct/kWh (Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 26.02.2013.)

7. Mit der Einführung eines bundesweit koordinierten Netzentwicklungsplans, der Grundlage für einen Offshore-Netzentwicklungsplan und zahlreicher gesetzlicher Vorkehrungen für eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren haben wir wesentliche Vorkehrungen für einen beschleunigten Netzausbau getroffen. Nun kommt es darauf an, dass die Ausbauprojekte zügig von den Netzbetreibern realisiert werden. Dabei sind auch die Länder in der Pflicht, die vorhandenen Instrumente für eine zügige Umsetzung in vollem Umfang zu nutzen.

8. Die Dezentralisierung bietet die Chance, den Wettbewerb zu stärken und die Energiemärkte für den Mittelstand zu öffnen. Wir unterstützen die Weiterentwicklung der Versorgungsnetze zu intelligenten Netzen (smart grids), die aktiv auf unterschiedliche Energienachfrage reagieren und damit die Effizienz der im Netz eingesetzten Energie erhöhen.

9. Der Bundesnetzagentur soll sofort die Möglichkeit eingeräumt werden, bei instabilen Netzverhältnissen den Einspeisevorrang für neue Großanlagen per Beschluss REGIONAL und BEFRISTET außer Kraft setzen zu können. Das schafft einen Anreiz, Großanlagen der regionalen Nachfrage entsprechend zu bauen. Der Einspeisevorrang ist natürlich ansonsten zu ERHALTEN, um kleinen Anbietern eine faire Chance zu geben und den Druck auf die Netzbetreiber zum Netzausbau zu erhalten.

10. Wir wollen die Chancen zur Energiespeicherung nutzen. Deshalb unterstützen wir gute Rahmenbedingungen für einsatzfähige und effiziente Speichermöglichkeiten, zum Beispiel für Power-to-Gas-Modelle, Pumpspeicher-Kraftwerke oder die kurzfristige Speicherung von Strom mittels Batterietechnik oder anderer einsatzfähiger effizienter Speichermöglichkeiten.

11. Wir wollen die Erdgasversorgung in Deutschland sichern und verbessern. Neben neuen Pipelines, die uns unabhängiger von Gasimporten aus nur einem Land machen, und einem besseren Zugang zur Versorgungskette für Flüssiggas – unter Ausnutzung des bestehenden inländischen Gasnetzes – wollen wir einen stärkeren Wettbewerb auf dem Gasmarkt – in Deutschland und Europa.

12. Das Energiekonzept darf nicht nur isoliert im Stromsektor umgesetzt werden; eine Reform des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes ist überfällig. Wir brauchen eine klare Perspektive für die Eigentümer und das Handwerk. Wir wollen ein Mengenmodell einführen, das die Großhändler von Öl und Gas verpflichtet, einen bestimmten Anteil erneuerbarer Wärme auf den Markt zu bringen. Diese Vorgabe können sie durch Biogaseinspeisung selbst erbringen. Alternativ können sie Nachweise über Wärmemengen von zertifizierten Anlagen anderer Technologien ankaufen. Ordnungsrecht, das jeden Eigentümer im Gebäudebestand zur Nutzung Erneuerbarer Wärme verpflichtet, lehnen wir ebenso ab wie Zwangssanierungen.

13. Zu einem zukunftsfähigen Energiemarkt gehört auch die Steigerung der Energieeffizienz in allen Bereichen. Die Anreize dafür sollten zu allererst aus dem Markt kommen. Auch in der Industrie wollen wir durch intensivere Beratung und Know-how-Transfer der Unternehmen Energieeffizienz-Potenziale nutzen. Einen Schwerpunkt werden wir in der mittelständischen Wirtschaft setzen. Die Sanierungsquote im Gebäudebestand sollte deutlich gesteigert werden, um die Energieeffizienz zu verbessern. Dies soll durch politische Rahmenbedingungen gestützt werden.

14. Die Umsetzung der Energieeffizienz-Richtlinie der EU in deutsches Recht soll dem Prinzip „Anreiz statt Zwang“ folgen. Alle Maßnahmen müssen dem einzelnen Bürger und dem einzelnen Unternehmen so viele Entscheidungsspielräume wie möglich lassen und die bestehenden Maßnahmen voll auf die europäischen Vorgaben angerechnet werden. Bevormundungsmaßnahmen wie Verbote von Glühlampen oder von Heizpilzen lehnen wir Liberalen ab. Wer Energie einkauft, sollte einen Anreiz zum Sparen haben, aber keine Vorschriften bekommen, wie er Energie verwenden darf.

15. Wir setzen uns dafür ein, dass künftig alle Verantwortung und Bundesaufgaben im Zusammenhang mit der Energieerzeugung und Energieversorgung in zentraler Koordinierung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gebündelt werden. Damit soll eine möglichst reibungsfreie Planung, Überwachung und Steuerung des Energiewendeprozesses sowie ein Maximum an marktwirtschaftlichen Lösungen gewährleistet werden. Das Gelingen der Energiewende ist entscheidend für die Zukunft der deutschen Volkswirtschaft und die Kostenbelastung von Verbrauchern, Handwerk, Gewerbe und Industrie. Energiepolitik ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Wirtschaftspolitik. Die Verantwortung dafür sollte deshalb beim zuständigen Ministerium liegen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit weiterhelfen. (Auf DESERTEC und weitere Punkte gehe ich jetzt nicht ein, kann das aber gerne nachliefern.)

Mit freundlichen Grüßen

Marina Schuster