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Marieluise Beck
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Frage von Georg W. •

Frage an Marieluise Beck von Georg W. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Beck,
in der aktuellen Diskussion um die Sperrung von Internetseiten mit kindergefährdenden Inhalten wird von der Piratenpartei gefordert, solche Seiten zu löschen, anstatt sie "nur" zu sperren.
In Ihrer Antwort auf die Frage von Jakob Marquardt schreiben Sie: "Mir ist immer wieder das Argument begegnet, man könne - ähnlich wie die Banken, die mit dem Phishing zu kämpfen haben - durch das Löschen weit erfolgreicher sein als durch das acces-blocking. Mir wurde dazu aus unterschiedlichen Quellen erklärt, dass hier keine Vergleichbarkeit der Sachverhalte vorliege."
Mir scheint, dass es hierbei um die auch von mir angesprochene Problematik geht, aber die von Ihnen verwandten Begriffe sind reichlich unverständlich.
Können Sie bitte weitgehend allgemeinverständlich erläutern, warum die Piratenpartei einerseits Eingriffe in das Internet als Zensur brandmarkt und ablehnt, andererseits aber deutlich härtere Eingriffe in das Internet fordert nämlich "Seiten löschen" als andere Parteien, die bestimmte Seiten lediglich "sperren" wollen.
Ich habe diese Frage auch an einen Verteter der Piratenpartei gestellt, der als einziger in Niedersachsen als Direktkandidat antritt. Mir geht es aber auch darum, herauszufinden, wie diese Frage von Ihnen beurteilt wird, da Sie sich vermutlich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt haben aufgrund des Gastkommentars Ihres Parteikollegen Güldner in der Welt.
Und bitte antworten Sie so, dass es für jemand verständlich ist, der "Löschen" als ein härteres und konsequenteres Vorgehen hält als "Sperren". Wenn diese Begriffe tatsächlich aus ihrem Alltagssprachgebrauch übertragbar sind auf technische Vorgänge im Internet, dann kann das doch entweder nur bedeuten, dass die Piratenpartei gar nicht so "freiheitlich" denkt, wie sie gerne tut, oder aber, dass es ihr nur um das Löschen ganz weniger Seiten geht, während von den Sperren deutlich mehr Seiten betroffen wären.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Weil,

der Besitz oder Handel mit Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch ist in Deutschland verboten und wird bestraft. Wenn das Bundeskriminalamt (BKA) Internetseiten findet, die bei deutschen Internetanbietern auf deutschen Territorium gespeichert sind, wird es sehr schnell durch richterlichen Beschluss zu einer Löschung der Inhalte kommen. Das BKA wird dann versuchen, die Verantwortlichen zu finden, damit sie von den Staatsanwaltschaften angeklagt werden können. Des öfteren gibt es ja entsprechende Meldungen in der Presse, dass ein sogenannter "Kinderporno-Ring" ausgehoben worden sei. Oft gelingt dies auch auf Basis von Ermittlungen im Internet. Internetsperren sollen nun angewandt werden, wenn Internetseiten mit verbotenen Inhalten auf Länder ausweichen, auf die die deutsche Justiz effektiv nicht zugreifen kann. Das ist der Fall, wenn zum Beispiel das betreffende Land nicht gut mit mit der deutschen Justiz zusammen arbeitet. Eine gesperrte Seite wäre dann von Deutschland aus nur noch mit einigen Tricks und Umwege aufzurufen.

Die Gegner der Internetsperren führen nun den Umgang von Banken mit sogenannten Phishing-Seiten an. Phishing bedeutet, dass jemand nahezu perfekt die Internetseite eine Bank kopiert und die Bankkunden auf seine Betrugs-Internetseite lockt. Das Kalkül ist, dass die Kunden sich auf dieser falsche Internetseite mit ihren Zugangsdaten anmelden und so ihre geheimen Zugangsdaten preisgeben. Der Betrüger kann damit dann mit fremden Konten Bankgeschäft zu seinen Gunsten tätigen, also Geld stehlen.
Für Banken sind diese Seiten ein großes Ärgernis, weil diese sich oft im Ausland befinden, wo die deutsche Justiz keinen Zugriff hat. Der Weg über die deutsche Justiz, die dann die betroffenen Länder zur Durchsetzung der Löschung der Betrugsseiten auffordert, ist sehr langwierig und oft nicht erfolgreich. Deshalb bedienen die Banken sich privater Dienstleister, die für eine Löschung dieser Betrugs-Internetseiten sorgen sollen. Nach meiner Kenntnis arbeiten diese Dienstleister so, dass sie die Internetanbieter im Ausland anschreiben und zur Löschung der Betrugs-Internetseiten auf ihren Servern auffordern. Die Internetanbieter selbst wissen häufig nicht im Detail, wer welche Internetseiten auf ihre Servern gespeichert hat oder sie interessieren sich nicht dafür.

Wie effektiv dieses Vorgehen gegen Phishing ist, kann keiner genau sagen. Die Gegner von Internetsperren behaupten, dass das sehr effektiv ist. Viele Internetanbieter im Ausland haben vermutlich kein Interesse an illegalen Inhalten auf ihren Servern und kommen der Aufforderung zum Löschen nach. Letztlich ist diese Strategie aber immer vom guten Willen des entsprechenden Internetanbieters abhängig, denn zwingen können wir ihn von Deutschland aus nicht.

Für mich stellt sich nicht die Frage, ob das Löschen nun ein härteres Vorgehen darstellt. Auch ich ziehe das Löschen illegaler Seiten der Internetsperre vor. Ich bezweifle aber, ob das immer möglich sein wird, weil wir hier vom guten Willen ausländischer Internetanbieter abhängig sind. Sollten wir keine Löschung durchsetzen können, halte ich eine Sperre für sinnvoll, auch weil sie signalisiert, dass wir derartige Verbrechen als Gesellschaft nicht tollerieren. Mir geht es darum, einer möglichen Bagatellisierung derart menschenverachtender Darstellungen etwas entgegenzusetzen.

Zudem sagen Kriminalpsychologen, dass die Herabsenkung der Zugangsschwelle für potentielle Täter diese überhaupt erst aktiv werden lassen kann, während eine hohe Zugangsschwelle entsprechend disponierte Menschen aufgrund der gesellschaftlichen Ächtung möglicherweise vom Kindesmissbrauch abhält. Eine deutliche Zugangserschwerung sei deshalb wünschenswert.

Ich hoffe ich konnte Ihre Fragen zufriedenstellend beantworten. Natürlich habe ich mich in den letzten Monaten intensiver auch mit den technischen Gegegebenheiten befasst. Jedoch muss ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich keine Expertin für Computer und Internet bin. Es kann also sein, dass ich vor allem bei der Darstellung des Kampfs der Banken gegen das sogenannte "Phishing" nicht alles korrekt wiedergegeben habe.

Mit freundlichen Grüßen

Marieluise Beck