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Lucy Redler
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Frage von Julian B. •

Frage an Lucy Redler von Julian B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Redler,

Erst einmal will ich sagen wie toll ich Ihr Engagement insgesamt und auch hier auf dieser Seite finde. Auch finde ich sehr autentisch, dass Sie der PDS bzw. Linke den Rücken gekehrt haben. Ich würde Sie deshalb alleine schon fast wählen und außerdem stimme ich auch noch in vielen Punkten mit Ihnen überein, aber nicht in der Integrationspolitik. Es gibt ein massives Integrationsproblem in Deutschland und besonders in Berlin, dass meiner Meinung nach nur durch Zwang gelöst werden kann. Die Tatsache, dass heute s vor allem islamische Kinder ,teilweise in der dritten Generation , übermangelhafte Deutschkenntnisse verfügen ist Beweis dafür, dass offensichtlich allein auf freiwilliger Basis nicht genügend passiert. Von anderen Dingen wie Zwangsheirat etc. mal ganz abgesehen. Dadurch wächst eine Generation heran, die
keine Chance in Deutschland hat, und darüber mache ich mir Sorgen. Im übrigen halte ich härtere Strafen bei wiederholten Gewaltverbrechen für nötig, da hier erheblicher Handlungsbedarf besteht. Ich denke hohe Geldstrafen und ggf. Gefängnis oder Ausweisung sind hier die richtigen Mittel. Toleranz ist an dieser Stelle nur bedingt angemessen. Insgesamt muß der Staat hier investieren ( Deutschkurse, Kinderförderung etc.) aber gleichzeitig auch die Annahme der Angebote sicherstellen. Bis jetzt habe ich den Eindruck das sämtliche Linken Parteien aus geschichtlich bedingten Schuldgefühlen heraus zu zaghaft bzw. gar nicht handeln. Auf jeden Fall wird sich Deutschland in Zukunft einen so großen perspektivlosen Anteil in der Bevölkerung nicht leisten können, deshalb muß man dagegen vorgehen und vor allem nicht die Einwanderungspolitik überdenken, z.B nach australischem Vorbild.
Denn sicher ist, dass ich mein Kind nicht auf eine Schule mit 80% Ausländeranteil schicken würde , so wie auch die meißten anderen "Deutschen" nicht, und das ist ansich sehr schade.
Ich hoffe die Frage war nicht zu lang
MFG Julian

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Ballejo,

Sie haben mir mehrere Fragen bezüglich der Integrationspolitik gestellt.

Sie sagen, dass - im Zuge eines "massiven Integrationsproblems", "mangelhafter Deutschkenntnisse" etc. - "eine Generation heranwächst, die keine Chance in Deutschland hat". Aus diesem Grund wollen Sie ihr Kind nicht auf eine "Schule mit 80 Prozent Ausländeranteil schicken". Keine Chance in Deutschland haben nicht nur viele Kinder von MigrantInnen, sondern auch aus deutschen Familien. Hat die Pisa-Studie doch aufgezeigt, in welchem Maß die Bildung und die Zukunftsaussichten vom Geldbeutel der Eltern abhängig sind. Ein Kind aus einer Akademikerfamilie hat in Berlin eine viermal so große Chance das Abitur zu erreichen wie ein Kind aus einer Arbeiterfamilie. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind von den Missständen darüber hinaus besonders betroffen. Unzureichende Sprachprobleme, die oftmals schlechteresoziale Lage und Diskriminierung bilden die hauptsächliche Ursache für die Benachteiligung bei der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz.
Arbeitslosigkeit, Ausbildungsmangel, Armut sind und bleiben die Hauptprobleme. Angesichts dessen "hilft" kein Zwang bei der Integrationspolitik, wie Sie einfordern. Wenn Zwang Sinn macht, dann nicht bei Integrationsfragen, sondern bei der Lehrstellenpolitik beispielsweise. Ich denke zudem, dass große Unternehmen, die nicht oder kaum ausbilden, dazu "gezwungen" werden müssen über eine Ausbildungsplatzabgabe - nach dem Motto: Wer nicht ausbildet, soll zahlen.

Sie führen zudem ins Feld, dass eine mangelhafte Integrations-Bereitschaft existieren würde. Fakt ist, dass in Westdeutschland in den sechziger Jahren AusländerInnen seitens der Bundesregierung angeworben wurden, ihnen jedoch kaum Deutschkurse angeboten wurden. Eine Förderung der Zweisprachigkeit war nicht gewünscht, auch für die zweite Generation waren Tätigkeiten als ungelernte ArbeiterInnen vorgesehen. Deutschkurse und anderes wurden gerade von den jungen MigrantInnen vor allem in den achtziger Jahren eingefordert.

Sie treten ja selber dafür ein, dass der Staat mehr "investieren" muss und nennen "Deutschkurse, Kinderförderung etc." Ich will mich für eine Politik einsetzen, die dafür sorgt, dass mit der sozialen Benachteiligung im Bildungswesen Schluss gemacht wird. Kita-Gebühren und Studiengebühren müssen abgeschafft, die Lernmittelfreiheit ohne Einschränkungen wieder eingeführt werden. Wir brauchen mehr Geld, um kleinere Kita-Gruppen und kleinere Schulklassen zu ermöglichen und mehr ErzieherInnen und LehrerInnen einzustellen. Kinder wollen lernen. Davon bin ich überzeugt. Wenn ihnen wirkliche Angebote gemacht werden, dann wird es auch ein Interesse an der deutschen Sprache geben. Zwang hilft hier nicht. Das vertieft nur die Spaltung zwischen deutschen und ausländischen Familien, die sich doch gemeinsam für eine bessere Bildung und vernünftgie Ausbildungsmöglichkeiten einsetzen sollten. Ich bin aus diesen Gründen dafür, dass Unternehmen und Vermögende stärker besteuert werden, um die Bildungsausgaben zu erhöhen.

Außerdem argumentieren Sie auch für "härtere Strafen bei wiederholten Gewaltverbrechen". Da die soziale Situation maßgeblich ist, plädiere ich nicht für "härtere Strafen" sondern, wie ausgeführt, für eine Sozialpolitik, die diesem Namen auch gerecht wird.

Mit freundlichen Grüßen, Lucy Redler