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Lothar Mark
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Frage von Alexander B. •

Frage an Lothar Mark von Alexander B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Mark,

es wird von Seiten der Großen Koaalition an einer Änderung des Grundgesetzes gearbeitet, die einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren ermöglicht.
Im Rahmen der Amtshilfe war der Einsatz der Bundeswehr zB. bei der Oderflut schon möglich, ohne daß es einer Grungesetzänderung bedürft hätte- warum soll jetzt eine Änderung her?
Die SPD hat sich immer gegen den Einsatz der BW im Inneren gestellt, warum will sie jetzt einer solchen (Grund!)Gesetzesänderung zustimmen?
Sehen Sie nicht die Gefahr eines Mißbrauchs (zB Einsatz der Bundeswehr gegen Demonstranten)- der Gestzestext klingt außerst schwammig?
Wie stehen Sie als Abgeordneter zu dieser angestrebten GG- Änderung?
Mit freundlichen Grüßen
A. Bauer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bauer,

vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 10. Oktober 2008. Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist ein umstrittenes Thema, bei dem sich die große Koalition lange uneins war und nach wie vor Gesprächsbedarf ist. Die SPD ist strikt gegen eine Konstruktion, in der die Bundeswehr zur Hilfspolizei für die Innenminister von Bund und Ländern mutiert. Gerade weil Gesetzestexte zum Teil schwammig sind und Lücken offenlassen, die zum Missbrauch einladen, ist es von größter Wichtigkeit, die Begriffe genauer zu definieren.

Der Koalitionsausschuss vom 05. Oktober 2008 hat über die Befugnisse der Bundeswehr im Rahmen der Amtshilfe und eine Änderung des Artikels 35 des Grundgesetzes diskutiert, um die Befugnisse der Bundeswehr im Inneren zu konkretisieren. Der sich abzeichnende Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern führte nach den Beratungen der Fraktion zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe unter der Bundesjustizministerin, Frau Brigitte Zypries, und dem Fraktionsvorsitzenden, Dr. Peter Struck, deren Ergebnisse wir noch abwarten müssen.

Bei Naturkatastrophen konnte die Bundeswehr bereits hinzugezogen werden, wenn die polizeilichen Einheiten und der Bundesgrenzschutz nicht genügend Kapazitäten hatten – dies ist in der Vergangenheit oft der Fall gewesen. Eine Änderung ist deshalb notwendig, um das Thema See- und Luftsicherheit klarzustellen, d.h. den Einsatz von Luftwaffe und Marine zu legitimieren und um Rechtsunsicherheiten vorzubeugen.

Es besteht die Sorge, dass die Änderung des Grundgesetzes dem Missbrauch den Weg ebnet. Das ist angesichts der Debatte über die Innere Sicherheit mehr als verständlich. Die Länder dürfen jedoch ausschließlich die Hilfe der Streitkräfte anfordern, wenn ein besonders schwerer Unglücksfall oder eine Naturkatastrophe vorliegt. Von einem besonders schweren Unglücksfall ist bei Schadensereignissen von großem Ausmaß und von Bedeutung für die Öffentlichkeit auszugehen, die durch Unfälle, technisches oder menschliches Versagen ausgelöst oder von Dritten absichtlich herbeigeführt wurden. Hierzu zählen schwere Verkehrsunfälle, Zug- oder Flugzeugunglücke, Stromausfälle mit Auswirkung auf lebenswichtige Einrichtungen, Großbrände durch Brandstiftungen, Unfälle in Kernenergieanlagen und andere Fälle mit Strahlenrisiko. All diese Fälle müssen mit dem Artikel 87a Absatz 2 des Grundgesetzes konform sein, der besagt dass die Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden dürfen, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Ein rein präventives Tätigwerden wird zudem ausgeschlossen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Luftsicherheitsgesetz ausgeführt, dass Artikel 35 es dem Bund nicht erlaube, die Streitkräfte bei der Bekämpfung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen mit spezifisch militärischen Waffen einzusetzen. Die Hilfsmittel dürfen nicht von qualitativ anderer Art sein als diejenigen, die den Polizeikräften der Länder für die Erledigung ihrer Aufgaben originär zur Verfügung stehen. Militärische Kampfmittel, wie etwa Bordwaffen eines Kampfflugzeugs, dürfen nicht eingesetzt werden.

Der Einsatz der Bundeswehr gegen Demonstranten ist nicht vorgesehen, da Demonstrationsexzesse keine Unglücksfälle sind. Ihre Folgen können natürlich zu einem solchen werden und ein Hilfeersuchen rechtfertigen. Bei großen Demonstrationen können die Bundesländer jedoch untereinander mit Polizeikräften aushelfen, sodass ein Einsatz der Bundeswehr nicht notwendig ist. Daher sehe ich einen Missbrauch als unwahrscheinlich an.

Der Einsatz der Bundespolizei oder der Streitkräfte beschränkt sich auf technische Hilfeleistung oder Unterstützung der Polizei. Ein Einsatz aus eigenem Recht ist hier nicht möglich. Weisungsbefugnisse der entsendenden Stelle dürfen nicht in die innere Befehlsstruktur der entsandten Einsatzkräfte eingreifen.

Die Fraktion setzt sich dafür ein, dass die Bundeswehr auch in Zukunft nicht als Ersatz für fehlende Länderkapazitäten instrumentalisiert werden darf. Die Zuständigkeiten für die innere und äußere Sicherheit müssen weiter getrennt bleiben, da sich Polizei und Bundeswehr hinsichtlich Aufgaben, Ausbildung und Bewaffnung unterscheiden. Die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland hat sich angesichts der Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus bewährt und die unterschiedlichen Aufgaben von Bundeswehr und Polizei sollen nach dem Willen der SPD auch künftig bestehen bleiben.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Ausführungen erst mal weiterhelfen und verbleibe mit freundlichem Gruß

Ihr Lothar Mark