Frage an Lothar Mark von Siegfried B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Mark,
für die Argumentation mit Bekannten, die der Meinung sind, die rot-grüne Regierungszeit habe dem Durchschnittsbürger keinen Nutzen gebracht, fehlen mir die gegenteiligen Begründungen.
Können Sie mir die wesentlichen Beschlüsse bzw. Gesetze nennen, die als Erfolge dieser Regierungszeit zu nennen sind? Ich erwarte keinen Stoß Papier, sondern schlicht einige Stichworte.
Mit bestem Dank dafür und
mit freundlichen Grüßen.
Siegfried Becker
DIESE NACHRICHT WURDE IM INTERNET
DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES ERFASST
Fr Feb 15 18:32:49 2008
Da bisher keine Antwort erfolgte, wiederhole ich sie hier.
Sehr geehrter Herr Becker,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 15. März. Gerade als linker Sozialdemokrat freue ich mich sehr darüber, dass Sie im Bekanntenkreis die Erfolge der rot-grünen Regierungskoalition verteidigen wollen.
Aufgrund der damals notwendigen, an vielen Stellen mit schmerzhaften finanziellen Einschnitten und Belastungen einhergehenden Reformen im Gesundheits- und Sozialbereich hat sich in weiten Teilen der Bevölkerung ein eher negatives Bild rot-grüner Regierungsarbeit verfestigt. In der Rückschau zeigt sich jedoch, dass es kaum eine Alternative zu dieser Reformpolitik gab - viele Experten sehen den derzeitigen Wirtschaftsaufschwung in Deutschland mittlerweile auch als direkte Folge der unter Rot-Grün beschlossenen Reformen, auch wenn sich die CDU/CSU heute gerne die Erfolge ans Revers heftet.
Doch nicht nur die seinerzeit angestoßenen Reformen zeitigen mittlerweile erste Erfolge: Die Arbeit von Rot-Grün hat dem ´Durchschnittsbürger` in vielen Bereichen tatsächlich echte Verbesserungen und Vorteile gebracht. Gerne will ich daher auf Ihre Bitte eingehen und Ihnen wie gewünscht das nötige "Rüstzeug" bzw. die nötige Argumentationshilfe für künftige Diskussionen liefern und dazu stichwortartig einige Erfolge von Rot-Grün benennen:
Thema Zuwanderung:
 * Durch das neue Zuwanderungsgesetz (2004) der damaligen rot-grünen
 Bundesregierung wurde es hochqualifizierten Ausländern und
 ausländischen Selbstständigen, die bei uns Arbeitsplätze schaffen
 wollen und aufgrund der negativen demographischen Entwicklung in
 Deutschland unverzichtbar für das Funktionieren unserer heimischen
 Wirtschaft sind, deutlich erleichtert, eine
 Niederlassungserlaubnis zu erhalten. Das bis dato geltende
 restriktive Zuwanderungsrecht hatte diesen Menschen in Deutschland
 keine Zukunftsperspektive gegeben.
 * Die Integration von Ausländern wurde deutlich verbessert- durch
 das neue Zuwanderungsrecht erhielten Neuzuwanderer einen Anspruch
 aber auch die Pflicht zur Teilnahme an vom Bund bezahlten
 Integrationskursen. Auch für bereits in Deutschland lebende
 Ausländer/innen wurde die Möglichkeit zur Teilnahme an solchen
 Kursen geschaffen, Personen mit Integrationsdefiziten können
 seither auch zu einer Teilnahme verpflichtet werden.
Thema Gleichstellung:
 * Durch das 2001 eingeführte Lebenspartnerschaftsgesetz der
 rot-grünen Bundesregierung konnte die weitgehende und längst
 überfällige Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher
 Partnerschaften verwirklicht werden. Damit wurde ein
 entscheidender Beitrag zum Abbau der Diskriminierung Homosexueller
 geleistet und es gleichgeschlechtlichen Partnern auf Dauer
 ermöglicht mit Rechten und Pflichten füreinander einzustehen.
 * Mit zahlreichen Initiativen konnten zudem entscheidende Akzente
 zur Förderung der Teilhabechancen von Frauen gesetzt werden. So
 findet beispielsweise seit 2004 alljährlich der "Girls
 Day-Mädchentag" statt, durch den Mädchen und Frauen ermutigt
 werden sollen, Berufe auch außerhalb der klassischen
 Rollenklischees zu ergreifen oder den Sprung in die
 Selbstständigkeit zu wagen.
Thema Bildung:
 * Die große BAföG-Reform von Rot-Grün im Jahre 2001 hat den
 richtigen Impuls gegeben: Nicht nur, dass seither mehr Studierende
 finanziell gefördert und zur Aufnahme eines Studiums motiviert
 werden. Auch erheblich mehr Kinder aus Arbeiterfamilien oder
 unteren Einkommensschichten sind seither an den Hochschulen
 vertreten. Damit wurden nicht nur die Fehler der Kohl-Regierung
 korrigiert, sondern die Chancengleichheit weiter ausgebaut. Diese
 Erfolge werden jedoch mittlerweile durch die flächendeckende
 Einführung von Studiengebühren in vielen v.a. CDU-geführten
 Bundesländern konterkariert. Auch in der Großen Koalition streitet
 die SPD-Fraktion daher weiter gegen eine allgemeine Einführung von
 Studiengebühren.
 * Mit dem Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" von
 2003 mit einem Volumen von insgesamt bis zu 4 Mrd. EUR wurde die
 Grundlage für den Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen mit dem Ziel
 geschaffen, Kinder individuell zu fördern und soziales Lernen
 weiter zu stärken. Nicht zuletzt werden damit aber auch die
 Eltern, besonders Mütter, entlastet, die somit mehr Zeit für eine
 gleichzeitige berufliche Karriere erhalten.
 * Das Aktionsprogramm "Lebenslanges Lernen" - von den damaligen
 Regierungsparteien im Juli 2004 beschlossen - hat sich darüber
 hinaus zum Ziel gesetzt, v.a. bildungsferne und benachteiligte
 Gruppen stärker an Bildungsangebote heranzuführen und damit die
 Beschäftigungsfähigkeit gerade auch im fortgeschritteneren Alter
 zu erhalten.
Thema Familie:
 * Seit dem Regierungsantritt 1998 wurden die jährlichen
 familienpolitischen Leistungen um insgesamt 50% erhöht. So kam es
 unter der rot-grünen Bundesregierung etwa zu einer deutlichen
 Verbesserung beim Familienwohngeld, das sich von monatlich 110EUR
 im Jahr 1998 auf 150EUR erhöhte.
 * Auch in Sachen Kindergeld gab es unter Rot-Grün deutliche
 finanzielle Verbesserungen für Familien. So wurde das Kindergeld
 für das erste und zweite Kind deutlich von zuvor 112EUR auf heute
 154EUR monatlich erhöht.
 * Ein zusätzliches Programm zur Erhöhung der Krippenplätze im Westen
 unserer Republik wurde beschlossen, um bessere Rahmenbedingungen
 für die frühe und individuelle Förderung von Kindern, aber auch um
 ein verbessertes Betreuungsangebot zu schaffen, um Müttern die
 bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern und
 eine frühere Rückkehr in die Berufstätigkeit zu ermöglichen.
Thema Arbeitsmarkt:
 * Mit der Entschlackung der überholten Handwerksordnung durch die
 Handwerksnovelle von 2001 wurde ein wichtiges Stück
 Bürokratieabbau geschafft. Seither gilt der Meisterzwang nur noch
 für 41 (statt wie zuvor für 94) Handwerksberufe. Einfache
 Tätigkeiten fallen damit nicht mehr unter die Handwerksordnung, so
 dass sich etwa Gesellen schneller selbständig machen können. Die
 Voraussetzungen für Existenzgründungen wurden damit deutlich
 verbessert und vereinfacht.
 * Mit dem "Gesetz gegen illegale Beschäftigung" wurden wirksame
 Maßnahmen zur Bekämpfung krimineller Schwarzarbeit beschlossen,
 die beim Staat jährlich zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe führt
 und somit auch dem Steuerzahler schadet. Mit den sogenannten
 Minijobs wurden zum Nutzen aller attraktive und legale
 Möglichkeiten geschaffen, um beispielsweise auch im
 Haushaltsbereich Schwarzarbeit zu vermeiden.
 * In dem im Juni 2004 von der damaligen Bundesregierung mit den
 Spitzenverbänden der Wirtschaft geschlossenen "Nationalen Pakt für
 Ausbildung und Fachkräftenachwuchs", verpflichtete sich die
 deutsche Wirtschaft, in den darauffolgenden drei Jahren 90.000
 Lehrstellen bereitzustellen. Die Bundesregierung ihrerseits
 unterstützte den Pakt, indem sie ihre eigenen
 Ausbildungsanstrengungen noch einmal verstärkte und 14.000
 zusätzliche Ausbildungsplätze in Ostdeutschland finanzierte.
 * Mit der "Agenda 2010" hat sich die rot-grüne Bundesregierung im
 Jahre 2003 endlich an die notwendigen Strukturreformen gewagt,
 über die in den 90er Jahren wenn, dann nur geredet wurden. Vor den
 gewaltigen Herausforderungen der Globalisierung und der
 demographischen Entwicklung in Deutschland wurde es unumgänglich,
 die Leistungsfähigkeit des Staates und der Volkswirtschaft zu
 stärken und zugleich die sozialen Sicherungssysteme dauerhaft zu
 stabilisieren. Diesem Vorhaben dienten letztlich auch die
 teilweise schmerzhaften Einschnitte im Sozialbereich, etwa die
 Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld oder die
 Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe.
 * Ziel dieser umfassenden Arbeitsmarktreformen war es,
 Arbeitssuchende so schnell wie möglich wieder in Arbeit zu
 vermitteln. Gemäß dem Grundsatz "Fördern und Fordern" wurden etwa
 Sozialhilfeempfänger, die zur Arbeit in der Lage sind, angeregt,
 sich wieder in die Arbeitswelt zu integrieren. Die jüngsten
 positiven Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt lassen auch nach
 Meinung von Experten darauf schließen, dass die sinkende
 Arbeitslosigkeit in Deutschland zu einem guten Teil auf diese
 Maßnahmen zurückzuführen ist.
 * Durch die sogenannten "Ich-AG´s" wurde im Zuge des "Zweiten
 Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (Hartz II)
 von 2004 bis 2006 vielen Arbeitslosen der Einstieg in die
 Selbständigkeit und somit eine Rückkehr in Lohn und Brot
 ermöglicht. Bis Ende 2004 konnten insgesamt 268.000 Ich-AG´s von
 der Bundesagentur für Arbeit finanziell gefördert werden. Viele
 dieser Existenzgründungen hatten dauerhaft Bestand oder die
 Existenzgründer konnten im Anschluss in eine
 sozialversicherungspflichtige Anstellung wechseln.
Thema Rente:
 * Als Verdienst der rot-grünen Bundesregierung kann schließlich
 zweifelsohne gelten, das Volk endlich von der lange Zeit
 herrschenden Illusion befreit zu haben, die Renten seien sicher.
 Mit der Reform der Rentenversicherung 2002 hat Rot-Grün dazu
 beigetragen, die Renten bezahlbar und verlässlich zu halten. Mit
 der sich zunehmend als Erfolgsmodell erweisenden sogenannten
 Riester-Rente und der steuerlichen Entlastung der Rentenbeiträge
 werden seither zusätzliche Mittel angeboten, um die gesetzliche
 Rente mit privaten Mitteln eigenverantwortlich zu verbessern. Auch
 dahinter stand der Grundsatz: Eigenverantwortung für die soziale
 Sicherheit fordern und fördern.
Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen mit diesem kurzen Abriss eine kleine Bilanz der rot-grünen Bundespolitik liefern konnte und Sie nun für künftige Diskussionen besser gewappnet sind.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Lothar Mark, MdB

