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Frage von Guido B. •

Frage an Lothar Bisky von Guido B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bisky,

sie sind einer der beiden Vorsitzenden der Partei Die Linke. und wie auch ich sicher daran interessiert, dass unsere Partei in den folgenden Jahren auch weitere Erfolge bei den Wahlen erfährt. Ich bin selbst ehrenamtlich für die Partei Die Linke engagiert und versuche soweit wie möglich Bürgern auf der Strasse und im Internet die politischen Inhalte unserer Partei zu vermitteln. 3 Punkte liegen mir abseits der politisch inhaltlichen Fragen am Herzen

1. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat in einer weiteren Untersuchung zum Thema Wer wählt was?( http://www.bpb.de/fsd/werwaehltwas/bpp0s4 )(bitte Modus "alle Befragten" auswählen) zum wiederholtem Male festgestellt, dass die Partei Die Linke ausgerechnet bei ihrem ureigenstem Klientel, den Arbeitslosen und anderen Niedrigverdienern immer noch schlechter wegkommt als die Großen. Besonders dramatisch erachte ich die Entwicklung der Nichtwähler. Wie will Die Linke. in den folgenden Monaten an ihre Klientel herankommen.

2. Gleiches für die Nichtwähler. Es kann nicht wirklich im Sinn der Linken sein, dass sie sich über den Einzug in ein Parlament freut, wenn nur noch die Hälfte der Wahlberechtigten zur Wahl geht. Wie will Die Linke. längerfristig der Politik(er)verdrossenheit entgegenwirken?

3. Natürlich waren in letzter Zeit viele Wahlen, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Die Linke zu sehr auf reinen Parlamentarismus setzt, dabei die "Strasse" vergißt und ihre Kampagnenfähigkeit verliert. Es kann sicher nicht im Interesse der Menschen sein, wenn die Linke in Deutschland am Ende den selben Weg wie dielinken Parteien in Frankreich oder Italien geht.

Wie soll die zukünftige Strategie ausserparlamentarischer Arbeit aussehen?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Bonn, lieber Guido,

wenn auch mit Verspätung, so antworte ich gern auf Ihre Fragen:

1. Ihre Annahme, DIE LINKE würde ausgerechnet von ihrer "ureigensten Klientel, den Arbeitslosen und anderen Niedrigverdienern" bei Wahlen oder bei der Sonntagsfrage schlechter als die Großen wegkommen, ist insofern nicht richtig, als die repräsentative Wahlstatistik, Nachwahlbefragungen und auch die von Ihnen angeführte aktuelle Darstellung auf den Seiten der bdp dies nicht belegen. Gerade in diesen beiden Bevölkerungsgruppen wurde und wird DIE LINKE überproportional gewählt. Wir werden wegen der Wahlkämpfe in diesem Jahr unsere politische Arbeit nicht einstellen und uns wie bisher für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Die Menschen wissen das. Und wenn die SPD plötzlich unsere Forderungen übernimmt, dann ist das einerseits erfreulich, andererseits aber auch unredlich, weil sie es im vollen Bewusstsein der Tatsache tut, dass sie nach der Bundestagswahl mit keinem der von ihr in Betracht gezogenen möglichen Koalitionspartnerinnen diese Wahlversprechen, etwa den flächendeckenden Mindestlohn von 7,50 €, wird einlösen können.

2. Ein allgemeines Lamento über die wachsende Zahl der Nichtwählenden hilft überhaupt nicht. Es ist das Recht der Bürgerinnen und Bürger, von ihrem Wahlrecht auch keinen Gebrauch zu machen. Die Menschen haben ihre Erfahrungen mit Parteien und Politikerinnen und Politikern gemacht. Das muss man ernst nehmen. Das bedeutet für mich, für DIE LINKE, nicht einfach zu sagen: Nein, nein, das ist nicht so, die Parteien und wir Politiker und Politikerinnen sind besser als unser Ruf. Nein, die Politik muss sich wirklich ändern, Alternativen zur Regierungspolitik müssen her. Dafür stehen wir schließlich als Opposition. Das müssen wir freilich noch besser machen und das ist nicht nur eine Frage, die eigenen Positionen und Personen "gut zu verkaufen". Und eines ist auch wahr: Es gibt für Menschen, ob jung oder alt, heute eine Menge anderer attraktiver Möglichkeiten, sich politisch zu engagieren. Parteien, auch die meine, müssen sich dessen erst einmal wirklich bewusst werden. Erst dann können wir auch zeigen, warum Parteien doch nicht verzichtbar sind und die Wahlteilnahme eine wirklich sinnvolle Option ist. Übrigens: Häufig beruht die Nichtteilnahme an Wahlen auf dem Irrtum, sie würde als politischer Protest wahrgenommen. Dem ist aber nicht so, denn bei der Berechnung der Mandate für die Parlamente werden die Nichtwählerinnen und Nichtwähler so behandelt, als hätten sie genau so gewählt, wie die, die gewählt haben, wenn sie zur Wahl gegangen werden. Dies wird auch bei der Berechnung der Wahlkampfkostenerstattung so gehalten und so ist das Nichtwählen im Gegensatz zum bewussten Ungültig wählen kein politischer Akt mit Folgen für diejenigen, die Politik verantwortlich gestalten, sei es in der Regierung oder in der Opposition. Wir, DIE LINKE, sind intensiv bestrebt, durch unseren nachhaltigen Einsatz für Beschäftigte und Erwerbslose, für Arme und von Armut Bedrohte, für kleine Selbständige, für Migrantinnen und Migranten, für Kinder und Alte, für Menschen mit Behinderungen und für die Kranken eine Politik zu machen, die dem weit verbreiteten Urteil „Die da oben machen doch eh, was sie wollen und nix für uns“ deutlich entgegen steht. Und je mehr LINKS wirkt, umso mehr – das ist jedenfalls meine Hoffnung – werden auch Menschen, die bei Wahlen mal abstinent waren, wieder wählen gehen.

3. DIE LINKE ist, so kann man es ja sagen, auch ein Kind der Straße, der Proteste gegen Hartz IV, gegen Sozialabbau und gegen die Umverteilung von unten nach oben. Seitdem ist, das ist wahr, meine Partei in den Wahlen erfolgreich gewesen und in einige westdeutsche Landesparlamente erstmals eingezogen. Mitglieder und Sympathisanten und Sympathisantinnen der Partei sind nur zu Dutzenden in Parlamenten, zu Tausenden aber die ganze Zeit außerparlamentarisch aktiv: In Vereinen und Verbänden, den Gewerkschaften und Friedensinitiativen, Selbsthilfegruppen und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft und jüngst vor den Toren der Opelwerke und bei den Demonstrationen "Wir zahlen nicht für Eure Krise!". Kürzlich waren LINKE auf den Protesten gegen den G8-, den G20- und den Natogipfel aktiv und bei den Ostermärschen wehten, deutlich sichtbar, die Fahnen der LINKEN. Kampagnen gegen die Rente mit 67, gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums und für den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn zeigen, dass die LINKE sehr wohl kampagnenfähig ist. Aus unserer Wahlstrategie machen wir übrigens kein Geheimnis. Die „Wahlstrategie der Partei DIE LINKE 2009“ ist als Beschluss des Parteivorstandes bereits Anfang September 2008 unter http://www.die-linke.de/index.php?id=2394 öffentlich gemacht worden. In der Hoffnung, zwar spät, dafür aber zu Ihrer Zufriedenheit geantwortet zu haben und mit freundlichen Grüßen,

Ihr Lothar Bisky