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Frage von Peter N. •

Frage an Lothar Bisky von Peter N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bisky,
im Neuen Deutschland (18.8.07) las ich, dass Sie zustimmend J. Lau zitieren. "Einer Protestpartei wie der Linken kann gar nichts Besseres passieren als wütendes Geschimpfe des Establishments".

1. Wie unterscheiden Sie "wütendes Geschimpfe des Establishments" von anderen Kritiken? Wozu zählen Sie in Ihrer Parlaments- und Parteiarbeit auch aus Ihrer Partei kommende Kritik z.B. an Oskar Lafontaine und einigen seiner öffentlich vertretenen Positionen?

2. Im genannten ND-Artikel empfehlen Sie u.a. "ganz positiv populär in der Sprache der Mehrheiten". Wie unterscheiden Sie davon in Ihrer Parlaments- und Parteiarbeit "populistisch"? Bitte bedenken Sie dabei, dass "Populismus" ein häufig gegen Oskar Lafontaine verwendeter Begriff ist.

3. Im genannten ND-Artikel charakterisieren Sie DIE LINKE durchaus richtig als "Protestpartei". Überschreitet nach Ihrer Meinung die z.Zt. innerparteilich deutlich geäußerte Kritik an Lafontaine und einigen seiner öffentlich vertretenen Ansichten die Grenzen einer kritischen Protestpartei? Halten Sie es für richtig, diese Kritiker zu reglementieren, wie dies z.B. K. Ernst und G. Gysi tun wollen?

Ich selbst unterstütze die Kritik an Lafontaine.

Für Antworten wäre ich Ihnen dankbar.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Noll

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Noll,

vielen Dank für Ihre Mail, die ich gerne wie folgt beantworte:

1. Grundsätzlich sollte man nicht nur Kritiken in ihrer Seriosität oder Überzogenheit unterscheiden. Es geht bei der Betrachtung auch um den Vorgang der medialen Verkürzungen von Aussagen, die für gewöhnlich nur "medientauglich" sind, wenn sie nicht länger als 30 Sekunden oder einen kurzen Satz lang sind. Da kommt dann bisweilen eine - unbegründete - Position heraus, die sich im Zusammenhang ganz anders ausnimmt. Insofern möchte ich vorausschicken, dass Politik, die nach den Gesetzen der Medien wahrgenommen wird und auch gemacht wird, es ohnehin schwer hat, den nötigen Zeitraum für die demokratische Debatte zu erkämpfen. Das ist eine besondere Schwierigkeit unserer Mediokratie, weniger der Politik. Deshalb ist es mit den Unterscheidungen auch nicht so einfach. Mit einem Kriterienkatalog kommt man nicht weiter. Wichtig ist zuerst, dass Kritik in der Sache sich für Auseinandersetzungen besser eignet als psychologisierende Personenkritik à la, Lafontaine sei auf einem Rachefeldzug gegen Schröder oder ähnliches. DIE LINKE und damit auch linke Politikerinnen und Politiker führen gemeinsam und im Widerstreit mit Oskar Lafontaine Debatten um moderne Funktionen des Staates, die Gestaltbarkeit von Globalisierung, über moderne Möglichkeiten politischer Mitbestimmung, das Verhältnis von öffentlichen Eigentum und demokratischer Kontrolle öffentlicher Daseinsvorsorge und viele andere Themen. Das tun wir nicht allein. Vor solchen Debatten stehen alle demokratischen politischen Kräfte, das zeigen die Diskussionen um den vorsorgenden Sozialstaat, um gute Arbeit, um programmatische Fragen, die längst nicht nur - wie in der Vergangenheit - die Linken verstärkt bewegen.

2. Es gibt eine weitgreifende Populismusforschung, die man hier nicht ausbreiten kann. Um es sehr einfach zu formulieren, lassen sich populistische Denkfiguren an einigen Kriterien nachweisen, wie zum Beispiel den Erlösungserzählungen, der Notwendigkeit von "finsteren Mächten", dem schlichten Lösungsangebot. Bei letzterem ist die eingangs beschriebene Mediokratie oft der Überbringer der - am Ende falschen Botschaft. Bestes Beispiel ist das jüngste SPD-Papier, welches die angebliche Unbezahlbarkeit der politischen Alternativen der LINKEN beweisen soll. Man rechnet die Ausgaben zusammen, ignoriert aber unsere Vorschläge für die veränderten Einnahmen in Gesundheit, Pflege, Rente, durch eine andere Steuerpolitik usw. usf.

3. Reglementierung von Kritik funktioniert nicht. Fairer Umgang in der Debatte schon eher. In unseren programmatischen Eckpunkten, aber auch in der politischen Praxis ist DIE LINKE immer mehr als eine Protestpartei. Ohne Gestaltungsanspruch, ohne alternative Projekte lohnt der Aufbruch einer politischen Partei nicht. Ich sehe allerdings schon in der politischen Erfahrung Oskar Lafontaines hier keinerlei Differenzen. Wer solange Oberbürgermeister und Ministerpräsident war, ist nicht auf Protest abonniert.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr
Lothar Bisky