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Frage von Ralf G. •

Frage an Lothar Binding von Ralf G. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Binding,

ich schätze sehr Ihr Engagement für den Nichtraucherschutz. Während es sich nun abzeichnet, dass auch in NRW ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie kommt, hat es die SPD-Alleinregierung hier in Hamburg nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum alten Hamburger Gesetz leider nicht vermocht, eine konsequente Lösung zu beschließen, sondern erneut ein Ausnahme-Murks herbeiregiert, bei dem Restaurants nun sogar wieder abgetrennte Raucherräume einrichten dürfen!
Ich habe noch in Erinnerung, dass Sie vor Jahren einmal beteiligt waren an einer fraktionsübergreifenden Initiative im Bundestag, endlich ein bundesweites Rauchverbot in der Gastronomie zu beschließen.

Meine Frage: Ist aktuell eine vergleichbare Initiative geplant?
Wenn nicht, warum nicht?

Das Bundesverfassungsgericht hat neulich ja mehrfach noch einmal die besonderen Rechte der Abgeordenten betont und gestärkt. Ich frage mich, warum unsere Volksvertreter nicht einfach mal davon Gebrauch machen und selbstbewusst für das Gemeinwohl eintreten?
Was das Rauchverbot angeht: Es sind nun alle Fakten in puncto Schädlichkeit von Passivrauchen bekannt und x-fach rauf- und runterdiskutiert. Einer aktuellen Umfrage zufolge sind inzwischen sogar 51 Prozent der Raucher (!) für ein entsprechendes konsequentes Rauchverbot! Alleine die Politik kriegt es nicht hin und ist scheinbar vielerorts noch so beeinflusst von den diversen Lobbyverbänden wie DEHOGA und der Tabakindustrie, dass die Gesundheit der Menschen und damit die Vernunft schlicht auf der Strecke bleibt.
Im Bundestag muss es doch auch eine klare Mehrheit für das Rauchverbot geben? Warum ist es nicht möglich, hier endlich über die einzelnen Parteien und die Parteitaktiken hinweg ein bundesweit einheitliches Gesetz auf den Weg zu bringen, wer stellt sich da quer?

Ich freue mich über Ihre Antwort,
viele Grüße

Ralf Gödde

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SPD

Sehr geehrter Herr Gödde,

vielen Dank für Ihre Frage und die gute Analyse der Problemlage rund um das Thema Schutz vor Passivrauchen in Deutschland. Die unterschiedlichen Regelungen des Gaststättenrechtes zum Nichtraucherschutz sind verwirrend. Der gegenwärtige Flickenteppich und die zahlreichen Ausnahmen und Sonderregelungen in den Bundesländern verunsichern nicht nur die Gäste, sondern auch die Gastwirte und Gastwirtinnen, die selbst nicht mehr wissen, was erlaubt ist und was nicht und wann sie wieder Umbaumaßnahmen vornehmen müssen. Zudem führen viele Sonderregelungen und Ausnahmen zu Wettbewerbsverzerrungen. Die Beschäftigten in der Gastronomie sind im Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz gegenüber anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern benachteiligt.

Eine einheitliche Regelung ist daher unabdingbar. Wir sind der Auffassung, eine solche Regelung kann durch ein Bundesgesetz für den Arbeitsschutz und oder den Gesundheitsschutz eingeführt werden. Wir stützen uns dabei auf Gutachten führender Staatsrechtler, die dem Bund die Regelungskompetenz für den Nichtraucherschutz festgestellt haben.
Sie fragen wer sich quer stellt. In der FDP-Bundestagsfraktion findet sich kein einziger Abgeordneter der sich öffentlich zu diesem Thema bekennt. Der Freiheitsbegriff der FDP stößt schnell an Artikel 2 unseres Grundgesetzes und reflektiert die Zwangsgemeinschaft der Bundestagsfraktion, denn während 75 % Bevölkerung einen besseren, auch strikteren Nichtraucherschutz in öffentlich zugänglichen Räumen möchten, spiegelt sich dieser Wunsch zu 0 % in der Bundestagsfraktion wider.

Landesweit hatte die NRW-FDP im Karneval sogar mobil gegen das geplante Rauchverbot in Kneipen gemacht. Insgesamt 500.000 Bierdeckel verteilten die Liberalen in den "jecken Tagen" in mehreren Tausend Kneipen. Unter dem Titel „Grün-rotes Rauchverbot ist der sichere Kneipentodt“ wurde eigens eine Internetseite geschaltet – genützt hat es erwartungsgemäß nichts. Die Blamage über die fehlgelenkte Panikmache wird sicherlich noch lange nachwirken. Denn es ist hinlänglich bekannt, dass es keine wissenschaftliche Belege für ein massenhaftes Kneipensterben durch die Einführung von konsequenten Rauchverboten gibt. Die Wiesnwirte in Bayern freuen sich über Rekordumsätze - die Stimmung auf dem letzten Oktoberfest war hervorragend. Und das statistische Landesamt meldet seit August 2010 Umsatzsteigerungen im Gastgewerbe – gegen alle Unkenrufe auch und gerade in der getränkegeprägten Gastronomie.

Selbst Bundesgesundheitsminister Bahr hebt lieber die Kassenbeiträge an, als auf der Kostenseite schon kurzfristig durch weniger Herz-Kreislaufkrankheiten und durch Senkung der Lungenkrebsrate (neun von zehn Lungenkrebse ereilen Raucher) die Kosten zu senken – und unermessliches Leid für die Betroffenen zu vermeiden.

CDU und FDP versuchen im Schulterschluss mit der Tabaklobby, diese Entwicklung hin zu mehr gesetzlichen Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens – die ohnehin nicht aufzuhalten sein wird – zu blockieren. Einfach ausgedrückt, es fehlt schlicht der politische Wille der Bundesregierung, ein längst überfälliges Gesetz auf den Weg zu bringen. Die christlich-liberale Bundesregierung wird auch auf diesem Politikfeld am Ende der Legislaturperiode eine unrühmliche Bilanz des Stillstandes vorlegen.

Ohne Stimmen aus den Regierungsfraktionen würde jede Initiative aus der Opposition heraus ins Leere laufen, eine parlamentarische Mehrheit wäre nicht gesichert. Ein Scheitern würde unseren Gegnern unnötig Wasser auf die Mühlen geben und den Erfolg in Gefahr bringen, darum habe ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen darauf verständigt, in dieser Legislaturperiode keinen interfraktionellen Gruppenantrag zu initiieren.
Sie erwähnen die Novellierung des Nichtraucherschutzgesetzes in Hamburg. Wenn die Hamburger Bürgerschaft dem Trend anderer Bundesländer lediglich in gehörigem Abstand folgt und nur das absolut Notwendige umsetzt, wird dies der Gastronomie schaden. Denn der Gastwirt/die Gastwirtin muss ständig mit Umbaumaßnahmen den wechselnden Gesetzen hinterher laufen, was kostspielig und betriebswirtschaftlich nachteilig ist. Nichtraucherinnen und Nichtraucher können sich in Hamburg leider nicht frei entscheiden, in welcher Eckkneipe sie ihr Feierabendbier trinken wollen. Ich bedauere die getroffene Entscheidung sehr.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil im Jahr 2008 beanstandet, dass es keinen sachlichen Grund dafür gibt, in der Getränkewirtschaft Raucherräume zu erlauben und in der Speisewirtschaft nicht. Die Neuregelung in Hamburg wird möglicherweise wieder nicht verfassungsfest sein, weil sich einzelne Gastwirte benachteiligt sehen und wieder den Klageweg beschreiten. Für die Gastwirte wird es möglicherweise auch zukünftig keine Planungssicherheit geben, sie müssen evtl. damit rechnen, wieder neuen Bauvorschriften ausgeliefert zu sein.
Hannelore Kraft hat sich trotz des enormen finanziellen Engagements der Tabakindustrie und ihrer Verbündeten im Landtagswahlkampf nicht von ihrem Weg in Richtung nach mehr Gesundheitsschutz beirren lassen, den Erfolg konnte sie am Wahlabend verzeichnen. Denn es will niemand den Rauchern das Rauchen verbieten. Sie sollen zum Rauchen nach draußen gehen - das ist alles. Und das klappt in anderen Ländern wie Irland oder Italien, auch Bayern und zukünftig in NRW sehr gut.

Wir müssen die Rückständigkeit aufgeben und den guten Beispielen anderer Länder folgen, dafür setze ich mich auch in Zukunft weiter ein.

In der Hoffnung, Ihre Fragen konstruktiv aufgegriffen zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Lothar Binding