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Frage von Hans-Jürgen G. •

Frage an Klaus Riegert von Hans-Jürgen G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Riegert,

mit Erleichterung habe ich heute zur Kenntnis genommen, dass das Bundesverfassungsgericht nun in Folge die Grundrechte der Bürger geschützt hat, indem es den Gesetzgeber in die Schranken wies. Onlinedurchsuchung, Kfz-Kennzeichen-Scanning und jetzt die Vorratsdatenspeicherung. Die Verfassungsrichter entschieden: "In dem Verkehrsdatenabruf selbst liegt ein schwerwiegender und nicht mehr rückgängig zu machender Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG . Ein solcher Datenabruf ermöglicht es, weitreichende Erkenntnisse über das Kommunikationsverhalten und die sozialen Kontakte des Betroffenen zu erlangen."

Die Richtlinie aus Brüssel wurde eben nicht, wie vielfach behauptet, in nationales Recht transformiert, sondern in einer Art und Weise ausgeweitet, dass der Begriff Verfassungs-terrorismus durchaus nachvollziehbar ist. Man könnte es auch "staatliche Beschaffungskriminalität" nennen.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass der internationale Terrorismus durchaus neue Herausforderungen an die Sicherheitsbehörden stellt. Dass damit jedoch einhergeht, dass der Bürger dabei bis auf die sprichwörtliche Unterhose ausgezogen wird, ist völlig unakzeptabel und es stellt sich für mich die Frage, wodurch ich mehr bedroht bin: Durch den Überwachungsstaat oder den Terorismus. Ich fühle mich jedenfalls durch den übertriebenen Aktionismus in einen perfektionierten Spitzel- und Denunziantenstaat nach Art der DDR versetzt.

Mich würde nun brennend interessieren, wie Sie künftig solche ins Auge gefassten Verfassungsverstöße effektiv ausschließen wollen, etwa bei dem geplanten Gesetz zur Aufrüstung des Bundeskriminalamts und der beabsichtigten wahllosen Aufzeichnung von Flugreisen.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Jürgen Goßner

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Sehr geehrter Herr Goßner,

das Bundesverfassungsgericht lässt die Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten zu, es lässt auch weitgehend die Übermittlung der Daten durch die Telekommunikationsunternehmen an die Strafverfolgungsbehörden zu Strafverfolgungszwecken zu. Lediglich bei der Verfolgung von (nur) erheblichen Straftaten und solchen, die mittels Telekommunikation begangen wurden, gibt es geringfügige Einschränkungen. Da Verkehrsdatendatenabfragen durch die Strafverfolgungsbehörden wesentlich im Bereich der Katalogtaten des § 100a StPO stattfinden dürften, können die Strafverfolgungsbehörden mit dieser Interimslösung gut leben.

Die Karlsruher Richter haben keinen Anlass dafür gesehen, die Speicherung der Verkehrsdaten entsprechend der EU-Richtlinie bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die Strafverfolgungsbehörden im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene effektive Strafverfolgung weiterhin berechtigt sind, Abrufersuchen nach § 100g StPO zu stellen. Die Telekommunikationsunternehmen müssen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ihren Datenbestand auf die beantragten Verkehrsdaten durchsuchen und diese vorhalten. Lediglich bei der Frage, in welchen Fällen die vom Telekommunikationsunternehmen aufgrund eines Abrufersuchens ermittelten Daten an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden dürfen, ist das Gesetz bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit bestimmten Maßgaben anzuwenden:

Uneingeschränkt zulässig ist die Übermittlung, wenn es um die Verfolgung der in §100 a Abs. 2 StPO genannten schweren Straftaten geht und die übrigen Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO vorliegen und wenn es sich handelt um die Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung oder solcher, die mittels Telekommunikation begangen wurden handelt und die Verkehrsdaten solche sind, die die Unternehmen zu Abrechnungszwecken (und nicht ausschließlich aufgrund der Vorratsdatenspeicherungsrichtline) gespeichert haben. Für die Fälle der Datenübermittlung zum Zwecke der Strafverfolgung müsse das federführende Bundesjustizministerium dem Bundesverfassungsgericht zum 1. September 2008 einen Bericht der Bundesregierung über die praktischen Auswirkungen der Datenspeicherungen und der vorliegenden einstweiligen Anordnung übermitteln. Bundesinnenminister Schäuble (CDU) hat die Karlsruher Eilentscheidung begrüßt. Das Bundesverfassungsgericht habe die grundsätzliche Pflicht der Telekommunikationsunternehmen aufrechterhalten, die Verkehrsdaten zu speichern. Gesetzesvorhaben des Innenministeriums seien von der Entscheidung nicht beeinträchtigt.

„Wir haben in den Vorarbeiten für das BKA-Gesetz genau diese Restriktionen vorgesehen,“ so Schäuble. Sie fühlen sich „durch den übertriebenen Aktionismus in einen perfektionierten Spitzel- und Denunziantenstaat nach Art der DDR versetzt“ ? Demnächst steht der Verfassungsschutz wie der Staatsicherheitsdienst vor Ihrer Haustür, schleppt Sie nach Hohenschönhausen oder Bautzen II? Und wenn Sie Deutschland noch rechtzeitig verlassen konnten, dann ist der BND im Ausland hinter Ihnen her? Alles aufgrund der Vorratsdatenspeicherung? Bei aller durchaus berechtigten Kritik: Ihre Anspielung liegt neben der Wirklichkeit. Dass Gesetzentwürfe Verfassungsbestimmungen verletzen, wird sich nie ganz ausschließen lassen. Ob ein Gesetz oder einzelne Bestimmungen gegen die Verfassung verstoßen, hängt von der Auslegung ab und die ist nicht immer einhellig. Dann ist das Bundesverfassungsgericht gefordert, so wie im vorliegenden Fall.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Riegert