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Klaus Hänsch
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Frage von Carsten S. •

Frage an Klaus Hänsch von Carsten S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Hänsch,
in Irland ist die Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon ja nun gründlich daneben gegangen und möglicherweise wird die EU nun in eine neue Krise schlittern.
Ich persönlich finde es schon erstaunlich, dass zum wiederholten Male nun eine Volksabstimmung über die Struktur und Zukunft Europas am "Bürgerwillen" gescheitert ist. Dabei ist der "Lissabon-Vertrag" doch eine Verbesserung zur zuvor gescheiterten EU-Verfassung.
Herr Hänsch können sie mir bitte zwei Fragen beantworten. Warum wird denn eigentlich der Bürger hier in Deutschland nicht zur Abstimmung über den EU-Vertrag aufgerufen, widerspricht dies, angesichts des "Verfassungscharakters" dieses Vertrages nicht dem Grundsatz des Art. 20 GG?
Dabei bitte ich mich so zu verstehen, dass eine demokratische Verfassung doch eigentlich durch die Bürger direkt legitimiert sein sollte, plebiszitäre Elemente in der Ausgestaltung einer Verfassung meine ich damit nicht.
Weiterhin würde mich genau in diesem Zusammenhang interessieren ob sie der Meinung sind, dass, würde sie stattfinden, eine derartige Volksabstimmung in Deutschland einen positiven Ausgang im Sinne der EU haben würde?
Vielen Dank im voraus für eine Beantwortung, mir ist durchaus bewusst das die Beantwortung von Bürgerfragen für Sie und ihre Kollegen mit einem nicht zu unterschätzenden Aufwand verbunden ist. Andererseits, wen könnte ich sonst fragen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schulz,

Zunächst eine allgemeine Bemerkung: Über die Vertragsreformen hat es bisher fünf Volksabstimmungen gegeben. In Frankreich und den Niederlanden - und jetzt auch in Irland - mit negativem Ergebnis, in Spanien und Luxemburg mit positivem Ergebnis. warum sollte bloß das "Nein" einer nationalen Volksabstimmung für die gesamte Europäische Union gelten, das "Ja" aber nicht?

Zu Ihren beiden Fragen:
Der Vertrag von Lissabon ist ein internationaler Vertrag, der einen anderen internationalen Vertrag, den Vertrag von Nizza, ändert. Jedes Land entscheidet über einen internationalen Vertrag (bzw. auch über dessen Änderung) nach den Regeln seiner nationalen Verfassung. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sieht Volksbefragungen oder Volksentscheide auf Bundesebene nicht vor. Die parlamentarische Ratifizierung europäischer Verträge durch Bundestag und Bundesrat ist nicht grundgesetzeswidrig. Im Gegenteil: Um ein Referendum in Deutschland überhaupt erst durchführen zu können, müsste das Grundgesetz geändert werden. Ich bin dafür, es bei den gegenwärtig in Deutschland geltenden Regeln zu belassen.

Ich bin grundsätzlich dagegen, dass Volksabstimmungen über internationale Verträge durchgeführt werden, weil eine Ablehnung in diesem Fall immer auch eine Entscheidung über die anderen Vertragspartner ist (ein "Ja" betrifft nur das eigene Volk, ein einseitiges "Nein" verhindert jedoch, dass die Völker, die "Ja" sagen, ihren Willen bekommen). Deshalb sollte ein Volk (also auch ggf. das deutsche) nur über die Grundsatzfrage abstimmen, ob es in der EU bleiben oder austreten möchte. Ich bin überzeugt davon, dass die große Mehrheit der Deutschen in diesem Fall an der Einigung Europas und der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union festhalten würde.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Hänsch