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Frage von Irmgard R. •

Frage an Klaus Hänsch von Irmgard R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Hänsch!

Herr Müntefering sagte: Die 10 Gebote bestehen aus 300 Buchstaben, die US-Verfassung braucht auch kaum mehr- aber die EU-Richtlinie für Karamelbonbons braucht dafür 25.000 Buchstaben. Wann hört die EU auf ständig neue Verordnungen und Gesetze zu erlassen? Und welchen Einfluss haben die Wähler noch, wenn 84% der Gesetze von der EU erlassen werden, die EU-Administration aber gar nicht zur Wahl steht?

Außerdem macht mir die geplante Dienstleistungsrichtlinie und die EU-Freizügigkeit Kopfzerbrechen. Die Menschen die heute in Deutschland schon sehr schlecht eine Stelle bekommen, werden m.E. die Leidtragenden sein!
Schon heute werden tausende Fleischer aus Polen und anderswo zu unwürdigen Bedinungen in Deutschland beschäftigt. Ich darf Sie z.B. an den Fall eines Erdbeerbauers aus Oberndorf bei Donauwörth erinnern. Der rumänische Wanderarbeiter für 1 Euro pro Stunde beschäftigt hat.Und der diese Leute in weniger als 3 qm pro Person untergebracht hat. Und selbst den 1 Euro hat er letztenendes den Leuten nicht ausbezahlt. Das muss man als Rauntierkapitalismus und als unchristliches Verhalten bezeichnen.
Die EU hat für alles eine Antwort. Nur für Mindeststandards offensichtlich nicht. Ich denke, dass Sie da Druck machen sollten!

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
Irmgard Resch

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Resch,

eine EU-Richtlinie für Karamellbonbons gibt es nicht. Dass 84 % der Gesetze "von der EU erlassen" werden, ist eine Erfindung, die bisher durch keine seriöse Zählung bestätigt wurde, die EU erlässt nicht "ständig neue Verordnungen und Gesetze". Wahrscheinlich wollen Sie - wie ich auch - dass Verbraucherschutz, Gesundheitsschutz, etc. in der EU beachtet werden. Das geht nur durch europaweit geltende Gesetze. Diese Gesetze werden nicht durch eine EU-Administration erlassen, sondern von einer Mehrheit im demokratisch gewählten Europäischen Parlament sowie einer Mehrheit der in den Mitgliedstaaten demokratisch gewählten Regierungen beschlossen. Zur demokratischen Mitwirkung der Bürger frage ich Sie, ob Sie 2004 an der Wahl des Europäischen Parlaments teilgenommen haben.

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gehört zu den vier Grundfreiheiten in der EU. Dieses Grundrecht ermöglicht Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates, in jedem anderen EU-Mitgliedstaat zu denselben Bedingungen wie die Bürger dieses Staates zu arbeiten. Dieses Recht gilt noch nicht für Arbeitnehmer aus Polen, Litauen, Lettland, Estland, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien sowie aus Rumänien und Bulgarien. Die Beitrittsverträge mit diesen neuen EU-Mitgliedstaaten erlauben es Deutschland bis 2011, diese Freizügigkeit zu beschränken. Davon machen wir Gebrauch. Konkret bedeutet dies: Ein Arbeitnehmer aus einem der o. g. neuen Mitgliedstaaten braucht in Deutschland auch weiterhin eine gültige von Deutschland ausgestellte Arbeitsgenehmigung.

Die Dienstleistungsrichtlinie aus dem Jahr 2006 vervollständigt die vier Grundfreiheiten - freier Waren-, Dienstleistungs-, Kapital und Personenverkehr - im europäischen Binnenmarkt. Dienstleister können also künftig ihre Dienstleistungen nicht nur im eigenen, sondern auch in den anderen Mitgliedstaaten der EU anbieten. Vom Verbraucher her gesehen bedeutet das mehr Wettbewerb und damit günstigere Preise. Jeder Dienstleister ist jedoch zur Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen des Ziellandes, in Deutschland also den deutschen Normen und Standards, verpflichtet.

Bei den von Ihnen erwähnten Beispielen der Fleischer handelt es sich meist um Scheinselbständige. Ihre Beschäftigung ist nach EU-Recht illegal. Es ist Sache der deutschen Behörden, das geltende Recht durchzusetzen und diese Art von Beschäftigung zu unterbinden.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Hänsch