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Frage von Bert K. •

Frage an Klaus Brähmig von Bert K. bezüglich Verkehr

Was gedenkt der Bundestag gegen die steigenden Spritpreise zu unternehmen? Für viele Pendler ist der derzeitige Preis an den Tankstellen unzumutbar. Ferner ist die langfristige Verlässlichkeit der Politik in Frage gestellt. Noch vor kurzem war die Anschaffung eines Dieselfahrzeuges für Vielfahrer rentabel, und man hat höhere Steuern in Kauf genommen. Dies hat sich massiv verändert in den letzten Monaten. Mit Erlaub bleibt festzustellen, dass monatlich immer weniger effektiv vom Lohn übrig bleibt. Vom sog. Aufschwung profitieren leider nur wenige.

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Antwort von
parteilos

Sehr geehrter Herr Kilian,

vielen Dank für Ihre Frage vom 3. Juli 2008, was der Deutsche Bundestag gegen die steigenden Spritpreise unternehmen wird. Gestatten Sie mir aufgrund der Komplexität der Frage eine sehr ausführliche Antwort.

Wir alle spüren in den letzten Wochen den Ärger und das Unverständnis unserer Bürger über die kräftig gestiegenen Energiepreise. Diesen Unmut kann ich gut nachvollziehen. Aufgrund dieser Problematik werden schnell Forderungen an die Politik gerichtet. Auf der einen Seite wird der „Steuer-Staat“ als Schuldiger identifiziert, auf der anderen Seite sogar staatliche Interventionen unterschiedlichster Art gefordert. Als verantwortlicher Unionspolitiker will ich das Thema sachlich und kompetent diskutieren und nicht in Aktionismus verfallen bzw. unberechtigte Hoffnungen beim Bürger wecken.

Grundsätzlich ist zu sagen, dass auch der Staat (anders als immer wieder behauptet wird) gerade im Hinblick auf die Konjunktur und die Steuereinnahmen kein Interesse an steigenden Kraftstoffpreisen hat. Die Ursachen der gerade in letzter Zeit deutlich gestiegenen Preise liegen nicht in der Steuerpolitik der Großen Koalition, sondern vielmehr im aktuellen Weltmarktgeschehen. Aufstrebende Staaten wie China, Indien oder Brasilien treiben die weltweite Nachfrage. Die Folge sind entsprechend hohe Rohölpreise, die sich wiederum auf die Verbraucherpreise auswirken. Dies sieht man beispielsweise deutlich an den derzeit nahezu gleichen Preisen für Benzin und Diesel in Deutschland, obwohl der Steuersatz auf Diesel deutlich niedriger liegt als auf Benzin.

Ein genauer Blick zeigt deutlich: der Preisanstieg für Benzin, Diesel und Heizöl ist nur im geringen Umfang auf Steuerwirkungen zurückzuführen. Der Preis ohne Steuern wird in Deutschland durch die Konkurrenzsituation der Anbieter bestimmt. Diese Aussagen gelten unverändert auch für die aktuelle Situation mit sehr hohen Energiepreisen.

Seit der Einführung der Ökosteuer unter Rot-Grün hat der Staat die Energiesteuer (Mineralölsteuer) auf Kraftstoffe nicht mehr erhöht. Somit hat Rot-Grün nicht unerheblich zur heute empfundenen Belastung beigetragen. Seit 2003 beträgt die Energiesteuer unabhängig vom Verbraucherpreis auf Diesel konstante 47,04 Cent/Liter und auf Benzin konstante 65,45 Cent/Liter (auf Erdgas rd. 18 Cent/kg bzw. 0,55 Cent/kWh).

Die Energiesteuer ist somit fest an die Kraftstoffmenge gekoppelt und damit unabhängig vom jeweiligen Verbraucherpreis. Dennoch regen grundsätzlich steigende Verbraucherpreise dazu an, weniger zu verbrauchen. Folglich bewirken steigende Preise sogar, dass die Energiesteuereinnahmen des Staates sinken. So sind die Energiesteuereinnahmen des Staates seit 2005 deutlich zurückgegangen und zwar von 40,1 Mrd. Euro in 2005 auf 38,9 Mrd. Euro in 2007. Das veränderte Verhalten der Verbraucher hat in 2007 sogar dazu geführt, dass das noch nach der Steuerschätzung vom Mai 2007 zunächst erwartete Aufkommen von 40,0 Mrd. Euro um 1,1 Mrd. Euro unterschritten wurde. Sehr geringfügige Aufwüchse bei den Einnahmen aus der Energiesteuer aus der letzten Mai-Schätzung können diesen Effekt auch in den kommenden Jahren nicht kompensieren.

Insgesamt führen die aktuell gestiegenen Kraftstoffpreise auf dem Weltmarkt daher zu keinen höheren Umsatzsteuereinnahmen des Staates. Die für die wachsenden Kraftstoffpreise aufgewendeten Mittel werden von den Bürgern bei unverändertem Einkommen dadurch kompensiert, dass an anderer Stelle der ebenfalls umsatzsteuerpflichtige Konsum entsprechend eingeschränkt wird. Im Ergebnis sind demgemäß mit steigenden Energiepreisen „unterm Strich“ – entgegen der landläufigen Meinung – keine höheren Umsatzsteuereinahmen verbunden. Diese Globalsicht belegt: der Staat hat nun wirklich kein Interesse an hohen Kraftstoffpreisen.

Allerdings sind Sie als Bürger von den hohen Energiepreisen unmittelbar betroffen. Denn für den Einzelnen sind die Wirkungen u. a. davon abhängig, welche Änderungen sich in seiner Konsumstruktur ergeben und welche Möglichkeiten er hat, den hohen Energiepreisen mehr oder weniger gut zu entgehen.

Hier setzt dann auch die teilweise populistische Forderung nach Steuersenkungen durch
Politik und Verbände an. Im Folgenden möchte ich einige dieser Forderungen genauer
darstellen und Ihre populistische Stoßrichtung zu enttarnen.

Forderung nach einer Absenkung der Mehrwertsteuer auf Energie

In letzter Zeit wird des Öfteren die Forderung nach einer Absenkung der Mehrwertsteuer auf Energie gefordert; auch die FDP hat sich diese Forderung zu Eigen gemacht. Diese Forderung ist zwar populär, ignoriert aber einerseits europarechtliche Vorgaben und würde andererseits zu massiven Steuerausfällen führen, ohne dass Vorschläge für eine Kompensation unterbreitet werden. Das Geld ist aber bereits verplant und muss dann durch rigorose Kürzungen in allen Etatbereichen oder Steuererhöhungen in anderen Bereichen erwirtschaftet werden. Die Kompensation führt also ebenfalls zu Belastungen für den Verbraucher, was letztlich auch nicht in Ihrem Interesse sein kann.

Bei der Einführung des Umsatzsteuersystems zum 1. Januar 1968 hat der Gesetzgeber nach intensiven Beratungen auch eine Gesamtkonzeption für die Besteuerung der Umsätze im Versorgungsbereich entwickelt. So wird die Lieferung von Leitungswasser oder auch von Brennholz derzeit mit 7 % ermäßigt besteuert, während andere Energieträger wie z.B. Strom, Gas, Heizöl und Benzin dem Regelsteuersatz von heute 19 % unterliegen.

Der nationale Gesetzgeber ist bei der Gestaltung des Umsatzsteuersystems nicht völlig frei, sondern an EU-rechtliche Vorgaben gebunden, deren Änderung nur schwer durchgeführt werden könnte. Er muss sich deshalb an Artikel 98 ff. in Verbindung mit Anhang III der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie orientieren. Da die Lieferung von Heizöl, Diesel und Benzin aber nicht in den dort beschriebenen Leistungskatalog fällt, kommt eine ermäßigte Besteuerung schon aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Auch wären damit erhebliche Steuerausfälle verbunden. Zwar wäre bei Erdgas und Elektrizität nach EU-Recht ein ermäßigter Steuersatz grundsätzlich möglich. Dieser hätte aber ebenfalls ganz erhebliche Steuerausfälle zur Folge und würde damit dem Ziel der Union nach einer nachhaltigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zuwiderlaufen. Insgesamt würden sich die Steuerausfälle durch eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes bei Kraftstoffen, Elektrizität und Gas auf über 10 Mrd. Euro belaufen. Für den Einzelnen ist der Entlastungseffekt jedoch gering und dürfte weitgehend verpuffen.

Zusätzlich ist zu beachten, dass die Weitergabe dieser Steuerersparnis an die Verbraucher von staatlicher Seite grundsätzlich nicht sichergestellt werden kann. Auch hier besteht die Möglichkeit für die Ölkonzerne die Steuerersparnis durch moderate Preiserhöhung zur Gewinnmaximierung zu instrumentalisieren. Der Endpreis für einzelne Produkte wird letztlich durch den Markt bestimmt.

Die Komplexität einer möglichen Absenkung des Mehrwertsteuersatzes zeigt auch der Erfahrungsbericht der Europäischen Kommission vom 2. Juni 2003 zu den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen auf bestimmte arbeitsintensive Dienstleistungen wie z.B. häusliche Pflege, Friseurdienste oder Renovierungsarbeiten (KOM (2003) 309 endg.). Der erwünschte Erfolg einer vollständigen Übertragung der Mehrwertsteuerermäßigung auf die Verbraucherpreise ließ sich hier nicht nachweisen. Auch wenn die hier angesprochenen Bereiche mit dem Energiesektor sicher nicht unmittelbar vergleichbar sind, zeigt dieses Ergebnis jedoch anschaulich, dass es in einem freien Markt keinen zwingenden Automatismus zwischen der Absenkung des Mehrwertsteuersatzes und einer vollständigen Übertragung der Mehrwertsteuerermäßigung auf die Verbraucherpreise gibt.

Forderung nach einer Absenkung der Ökosteuer

Häufig wird auch mir gegenüber die Forderung nach einer Absenkung der Ökosteuer gestellt. Die Union hatte sich seinerzeit bei der Einführung der Ökosteuer durch Rot-Grün in 1999 entschieden gegen diese Steuererhöhung entschieden.

Dennoch ist eine Rückführung der Ökosteuer in der aktuellen politischen Konstellation mit den Sozialdemokraten nicht zu machen. Immerhin konnte im Koalitionsvertrag auf Drängen der Union die Festlegung getroffen werden, dass die Ökosteuer im Interesse einer preisgünstigen Energieversorgung nicht weiter erhöht wird und die geltenden Entlastungsregelungen für die Industrie beibehalten werden.

Das geschätzte Aufkommen der Ökosteuer beträgt für 2008 rd. 18,8 Mrd. Euro. Mehr als 80 Prozent dieser Summe werden davon zur Stabilisierung der Gesetzlichen Rentenversicherung ausgegeben. Würde man zum jetzigen Zeitpunkt auf die Ökosteuereinnahmen verzichten, so hätte dies eine Erhöhung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung um 1,7 Prozentpunkte zur Folge. Dies würde das zentrale Unionsziel der Senkung des gesamten Sozialbeitrages konterkarieren und zu neuen Belastungen von Bürgern und Unternehmen führen. Denn alternative Maßnahmen zur Beitragssatzstabilisierung wie zum Beispiel Rentenkürzungen werden wohl von niemandem ernsthaft erwogen werden.

Auch im Hinblick auf die Konsolidierung des Bundeshaushalts ist ein Verzicht auf die Ökosteuereinnahmen derzeit kritisch zu sehen. Wer die Ökosteuereinnahmen zurückfahren möchte, müsste dann auch klar sagen, auf welche Ausgaben der Bund im Sinne einer Prioritätensetzung verzichten sollte. Eine Kompensation der finanziellen Ausfälle bei der Gesetzlichen Rentenversicherung kann nicht aus dem Bundeshaushalt erfolgen, ohne dass wir unser Konsolidierungsziel, einen ausgeglichen Bundeshaushalt vorzulegen, aufgeben müssten. Dann wiederum entstünden dem Bürger erneut Belastungen durch höhere Zins- und Tilgungszahlungen.

Des Weiteren ist auch hier zu befürchten, dass eine Absenkung nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben wird. Denn auch hier können die Mineralölkonzerne durch kleine Preiserhöhungen den Erfolg der Maßnahme minimieren.

Festzuhalten ist bis hier, dass die derzeitigen Spritpreise weitestgehend nicht im Einflussbereich des Parlaments oder sonstiger bundesdeutscher Staatsgewalt liegen. Vielmehr wird der gegenwärtig sehr hohe Preis in erster Linie durch den globalen Markt bestimmt. Es gibt daher keine schnelle Lösung für diese Problematik. Langfristig bleibt uns nur die Möglichkeit, nach dauerhaften Alternativen zu suchen, um Deutschland mittels anderer Energiequellen und –träger sowie alternativen Antriebsmöglichkeiten aus dieser Ohnmacht zu befreien.

Meines Erachtens sollte nach einer Bestandsanalyse der derzeitigen Haushaltssituation die Absenkung der Beiträge zu den Sozialversicherungssystemen vorangetrieben werden. Damit können wir die Konsumzurückhaltung bei den Arbeitnehmern bekämpfen und gleichzeitig die Kosten für den Faktor Arbeit zu senken. Durch eine solche Politik, die auf mehr Beschäftigung ausgelegt ist, werden dem Staat zusätzliche Steuereinnahmen ermöglicht und seine Einnahmesituation bei den Sozialkassen deutlich verbessert. Erst dann sollten wir eine große Steuerreform wagen, die den Menschen eine deutlich spürbare Entlastung bringt. Ich persönlich befürchte, dass die jetzt diskutierten Steuerentlastungen nur als Strohfeuer binnen kürzester Zeit verpuffen würden.

Als Politiker hoffe ich, an dieser Stelle zur Versachlichung dieses Themas beigetragen zu haben. Die Politik kann Rahmenbedingungen definieren, aber sie kann die Gesetze des Marktes nicht außer Kraft setzen. Eine realistische Darstellung der Machtverhältnisse kann nur dazu beitragen, dass die Bevölkerung in der Zukunft vielleicht keine unrealistischen Hoffnungen und Wünsche an die Politik richtet. Umgekehrt sollte die Politik endlich aufhören, mit Populismus illusorische Hoffnungen in die Köpfe der Bürger zu pflanzen. Die Distanz zwischen Bürger und Politiker könnte damit verringert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Brähmig