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Klaus Brähmig
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Frage von Marco K. •

Frage an Klaus Brähmig von Marco K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Brähmig,
heute lese ich doch nicht etwa die erneute Meldung zur Diätenerhöhung. Wenn diese wahr sein sollte, finde ich dann echt diese Politik zum k......! Es kann nicht sein, dass alle nur ständig abgezockt werden, alles kaputt gespart wird und die Herren am Topf sich dann immer öfter selbst bedienen, obwohl weiterhin Billionen Schulden vorhanden sind. Andere Menschen müssen mit 200-300 Euro ihr Leben meistern und andere bedienen sich wie Sie wollen. Glauben Sie als Politiker eigentlich echt noch, dass die deutsche Bevölkerung das Ihnen in Zukunft noch abnimmt und dann motiviert zur nächsten Wahl erscheint?
Ich finde zur Zeit wird ein höchst riskantes Spiel betrieben, welches sich irgend wann einmal nicht mehr rechnen lässt, denn auch das einfache Wahlvolk ist nicht minderbemittelt...
Auch betreffs der ständigen "schwindligen "Zahlen der Arbeitsagentur, die angeblich nur noch sinken. Kein Wunder bei heruntergesetzter Bezugsdauer, denn der Großteil rutscht nur rüber zur ARGE. Wäre die Politik ehrlich, würde Sie jeden Monat beide Zahlen veröffentlichen - ARGE/Arbeitsagentur!
Aber da würde man wahrscheinlich seine eigenen Lügen erkennen und die Schönrederei wäre nicht mehr möglich.
Nun noch eine andere Frage an Ihre Parteifreunde: Haben Sie auch zufällig gestern den Notstand im ARD um 21 Uhr im Gesundheitswesen gesehen? Wo Krankenschwestern gar keine Zeit mehr für Ihre eigentliche Tätigkeit bleibt, weil Sie Essenverteiler, Reinigungskräfte und Notnagel für alles sind?
Eine einfache, sinnvolle und dem Allgemeinwohl zukommende Lösung wäre mit Sicherheit dort in den tausenden Häusern, ob Pflegeheim oder Krankenhaus, sogenannte Aufstockerjobs mit staatl.Unterstützung zu schaffen die das eigentliche Fach- und Pflegepersonal dem entsprechend entlassten. Ich denke zum Essenverteilen, Putzen, oder Hilfsarbeiten in diesen Bereichen brauch man kein studiertes Personal, aber es gäbe sicher viele tausende AA oder ARGE-Leute die sich freiwillig diese Tätigkeit machen würden.....

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Antwort von
parteilos

Sehr geehrter Herr Kusch,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu den Themen Diätenerhöhung und den Arbeitsmarktzahlen.

Dazu nehme ich wie folgt Stellung:

Arbeitsmarktzahlen Deutschland ist auf gutem Weg: Der Aufschwung setzt sich fort, die Arbeitslosigkeit geht weiter zurück und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung steigt unvermindert an. Im Mai 2008 ist die Zahl der Arbeitslosen auf 3,283 Mio. gesunken. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Rückgang um 529.000. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist gegenüber dem Vorjahr um 631.000 auf 27,23 Mio. angestiegen, dabei entfällt deutlich mehr als die Hälfte des Beschäftigungszuwachses auf sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen. Im Drei-Jahres-Vergleich zu Rot-Grün ist die Arbeitslosigkeit seit dem Frühjahr 2005 um über 1,5 Mio. gesunken, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat um über 1 Mio. Stellen zugelegt.

Dieser Aufschwung am Arbeitsmarkt und insbesondere der Aufbau an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung kommt dabei auch den Langzeitarbeitslosen und Arbeitnehmern mit einfachen Qualifikationen zugute. Natürlich liegen nicht alle dieser über 1 Mio. geschaffenen Stellen im Hochlohnbereich. Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt gibt aber auch bislang arbeitsmarktfernen Personen eine Beschäftigungsperspektive. In individuellen sozialen Notlagen stehen unsere im internationalen Vergleich herausragenden Sicherungssysteme ein. Denn laut einer internationalen Vergleichsstudie der OECD liegen die Transferleistungen für Langzeitarbeitslose immer noch deutlich über dem Schnitt der meisten anderen OECDLänder. Danach erhält ein Alleinstehender, der zuletzt durchschnittlich verdient hat, nach fünf Jahren immer noch 36 Prozent seines letzten Nettoverdienstes. Das ist zwar deutlich weniger als vor den Hartz-Reformen aus dem Jahre 2001, jedoch liegen auch nach der Reform die Transfers über dem OECD-Schnitt von 32 Prozent. Das gleiche Bild ergibt sich auch bei einem verheirateten Durchschnittsverdiener mit zwei Kindern: Er erhält nach fünf Jahren Arbeitslosigkeit noch 62 Prozent seines letzten Nettolohns - und damit unerheblich weniger als vor den Reformen (63 Prozent). Im OECDSchnitt liegt diese Rate jedoch nur bei 53 Prozent.

Diätenerhöhung

In § 11 Abs. 1 des Abgeordnetengesetzes sind die Maßstäbe für die Höhe der Entschädigung für die Mitglieder des Deutschen Bundestages seit 1995 festgeschrieben. Die monatlichen Bezüge der Abgeordneten haben sich danach an den Bezügen eines Richters bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Besoldungsgruppe R6) und den Gehältern von gewählten hauptamtlichen Bürgermeistern, Landräten und Oberbürgermeistern mittlerer Kommunen auf Zeit (Besoldungsgruppe B6) zu orientieren. Zur Information: Dies entspricht einer Bürgermeisterbesoldung bei 50.000 - 100.000 Einwohnern und einer Landratsbesoldung unter 150.000 Einwohnern. Gleichzeitig wurde 1995 festgelegt, dass die Diäten automatisch jeweils an die Ergebnisse der Tarifabschlüsse aus dem öffentlichen Dienst angeglichen werden, da diese ja auch auf die Bundesbeamten übertragen werden. Diese Festlegung war das Ergebnis einer Empfehlung der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Abgeordnetenrechts aus dem Jahr 1993. Mitglieder dieser Kommission waren damals beispielsweise der Präsident des Bundesarbeitgerichts, ein ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichtes, Vertreter der Wirtschaft, Gewerkschafter, der Vorsitzende des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt, ein Verleger der Frankfurter Rundschau, die damalige Präsidentin des Bundes der Steuerzahler etc.. Mit der Erhöhung der Diäten im Jahr 2007 haben wir 12 Jahre nach diesem Beschluss die Empfehlung der unabhängigen Kommission umgesetzt, da man den Beschluss aus dem Jahr 1995 bis dahin nicht umgesetzt hatte und die Abgeordnetenbesoldung um fast 800 € hinter die der o. g. Bürgermeister und Landräte usw. zurückgefallen war. Die jetzige Erhöhung der Diäten wäre also rein auf die Ergebnisse des diesjährigen Tarifabschlusses im Öffentlichen Dienst und bei den Bundesbeamten zurückzuführen. Da nun die oben genannten Berufsgruppen rückwirkend eine erhöhte Besoldung erhalten, hätten auch wir Abgeordneten automatisch daran partizipiert; allerdings mit jeweils einjähriger Verzögerung wie vom Gesetz vorgesehen. Auch ich bin nicht glücklich darüber, dass die Erhöhungen bzw. Anpassungen in so großen Schritten erfolgen sollten. Tatsächlich fielen aktuell aber zwei Dinge letztmalig zusammen: die oben genannte Angleichung, die seit 1995 ansteht und der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Ab jetzt ist die Bezugsgröße von Bürgermeistern und Landräten erreicht und die nächsten Erhöhungen würden sich ausschließlich nach der Höhe der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst und bei den Beamten richten.

Grundsätzlich scheint mir die Orientierung an Bürgermeistern und Landräten als objektiver Maßstab angemessen. Im Gegensatz zu diesen erhalten wir weder Zulagen noch ein 13. Monatsgehalt. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages verfügen auch über keine Dienstwagen im Wahlkreis, keinen Repräsentationsfonds und müssen in Berlin eine zweite Wohnung vorhalten. Dass öffentlich immer nur über die Besoldung der Bundestagsabgeordneten diskutiert wird, erscheint mir vor diesem Hintergrund zumindest unverständlich.

Meines Erachtens liegt der Kernpunkt der Kritik wohl eher in der Tatsache begründet, dass wir als Gesetzgeber über die Höhe unserer Diäten selber entscheiden. Nicht umsonst sprechen in diesen Tagen viele Bürger vom „Selbstbedienungsladen Deutscher Bundestag“. Dazu sollte man aber wissen, dass das Bundesverfassungsgericht im Diätenurteil vom 5. November 1975 die Mitwirkung einer jetzt von der Opposition vehement geforderten unabhängigen Kommission zur Festlegung der Abgeordnetenentschädigung verworfen hat. Dort (BVerG E 40, 296 316f.) heißt es wörtlich: „Damit werden für den Abgeordneten wesentliche Teile seiner finanziellen Ausstattung in einem Verfahren festgesetzt, das sich der Kontrolle der Öffentlichkeit entzieht. In einer parlamentarischen Demokratie lässt es sich nicht vermeiden, dass das Parlament in eigener Sache entscheidet, wenn es um die Festsetzung der Höhe und um die nähere Ausgestaltung der mit dem Abgeordnetenstatus verbundenen finanziellen Regelungen geht. Gerade in einem solchen Fall verlangt aber das demokratische rechtsstaatliche Prinzip (Artikel 20 Grundgesetz), dass der gesamte Willensbildungsprozess für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird. Denn dies ist die einzige wirksame Kontrolle. Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was geschieht, ist nicht möglich.“ Auch die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Abgeordnetenrechts aus dem Jahr 1993 kommt in ihrer Empfehlung zu dem Ergebnis: „Die Festsetzung, Überprüfung und Anpassung der angemessenen, die Unabhängigkeit sichernden Entschädigung ist Aufgabe des Gesetzgebers. (…) Eine auch nur teilweise Übertragung dieser Aufgabe auf eine andere Institution ist selbst im Wege einer Verfassungsänderung nach Artikel 79 Abs. 3 Grundgesetz ausgeschlossen.“ (BT-Drucksache 12/5020, S. 25).

Ich bin mir bewusst, dass jede Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung in der Öffentlichkeit besonders kritisch bewertet wird, denn wir Politiker gehören sicherlich zu einer Gruppe, die über ein sehr gutes Auskommen aus Steuermitteln verfügt. Deshalb nutze ich meine gute finanzielle Ausstattung schon seit dem Beginn meiner Tätigkeit als Abgeordneter des Deutschen Bundestages, um viele mildtätige Organisationen, Sport- und Kulturvereine in meinem Wahlkreis durch zahlreiche Fördermitgliedschaften und einmalige Spenden zu unterstützen. Durchschnittlich bis zu 1200 Euro pro Monat habe ich in der Vergangenheit für solche Unterstützungsleistungen aufgewendet. Dieses finanzielle Engagement werde ich beibehalten. Insofern stelle ich mich seit Jahren dem Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ und auch den Grundsätzen meiner christlichen Verantwortung gegenüber dem Nächsten.

Als Politik müssen wir nun erkennen, dass die Bevölkerung aufgrund des gesamtpolitischen Umfeldes (Armutsbericht, geringe Rentenerhöhung, Aufforderung zur Konsolidierung des Haushaltes, enorme Anstiege bei den Energie- und Lebenshaltungskosten etc.) kein Verständnis für die erneute Erhöhung der Diäten hat. Aus diesem Grund haben sich die die Fraktionsspitzen von CDU/CSU und SPD am 20. Mai 2008 darauf geeinigt den Gesetzentwurf nicht weiter zu verfolgen. Tatsache ist aber auch, dass eine Erhöhung der Diäten immer zur Unzeit kommt. Da wir diese Schritte jetzt nicht tun, wird die entsprechende Diskussion nur bis in die nächste Legislaturperiode vertagt. Ein Beweis für diese Aussage liegt darin begründet, dass die gleichen Medien und Organisationen, die jetzt erneut eine Kommission fordern und sich über die Unangemessenheit der Diätenerhöhungen aufregen, auch die Empfehlungen der Unabhängigen Kommission aus dem Jahr 1993 förmlich in der Luft zerrissen haben. Die Tatsache, dass Medienvertreter, Gewerkschafter, Wohlfahrtsverbände, Wirtschaft und Wissenschaft selber an der damaligen Entscheidungsfindung beteiligt waren, spielte dabei auch keine Rolle.

In der Hoffnung, wenigstens ein wenig zur Versachlichung in der Angelegenheit beigetragen zu haben und in dem Bewusstsein, dass es wahrscheinlich nie eine gerechte und vom Volk als angemessen empfundene Abgeordnetenentschädigung geben wird, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Klaus Brähmig