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Klaus Brähmig
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Frage von Maik B. •

Frage an Klaus Brähmig von Maik B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Brähmig,

ich verfolge seit einiger Zeit, die Debatte über die Vorratsdatenspeicherung sowie die der Onlinedurchsuchung.

Die jüngsten Urteile des Bundesverfassungsgerichtes stimmen mich recht nachdenklich, bezüglich der gesetzgebenden Fähigkeit unserer derzeitigen Regierung. Kann es denn wirklich sein, dass eine gesetzgebende Macht sich nicht vorher informiert, ob ein neues Gesetz gegen das schon seit Jahren bestehende Grundgesetz verstößt und dies mehrfach? Muss denn in Zukunft immer das Bundesverfassungsgericht einschreiten um unsere Grundrechte zu schützen? Wäre es denn nicht viel einfacher sich vorher erstens mit fachlich kompetenten Leuten Gedanken über den Inhalt des Gesetzes zu machen und zweitens wenn der Inhalt klar ist, das Gesetzt mit juristisch gebildeten Personen so zu schreiben, dass es keine Frage ist ob das neue Gesetz auch bei einer Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht stand hält?

Es gab doch im Vorfeld viele Diskussionen, wo sich auch viele Personen und Vereine z.B. der Chaos Computer Club, ihre gesellschaftlichen und juristischen Bedenken zu den Vorhaben der Bundesregierung geäußert haben. Warum kommt es dann nicht zu einem konstruktiven Dialog, sondern zu mehreren, für die Regierung sehr peinlichen Gerichtsprozessen, bei denen es den Anschein hat, dass die Gesetze ohne jegliche fachliche Kompetenz beschlossen wurden? Da Sie ja für die Gesetze gestimmt haben, war Ihnen das Scheitern denn wirklich nicht bewusst?

Ich hoffe ja, dass es nach diesen Desastern zu einem Umdenken in der Regierung kommt und sie neue Fehlschläge versuchen von vornherein zu vermeiden. (siehe elektronische Gesundheitskarte)

Mit freundlichen Grüßen.

M. Böhme

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Antwort von
parteilos

Sehr geehrter Herr Böhme,

vielen Dank für Ihre Stellungnahme bezüglich der Debatte um die geplante Vorratsdatenspeicherung und Onlinedurchsuchung, die mich über die Internetseite www.abgeordnetenwatch.de am 20. März 2008 erreichte.

Bereits in der vergangenen Wahlperiode hat die SPD unter Bundesinnenminister Otto Schily mit Online-Durchsuchungen begonnen -- allerdings ohne eine verfassungsrechtlich tragfähige Rechtsgrundlage. Dieser Missstand musste durch ein entsprechendes Gesetz aufgehoben werden. Im Zuge der Föderalismusreform erhielt im Jahr 2006 das Bundeskriminalamt (BKA) die Aufgabe der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus. Es war erforderlich, die Kompetenzen der Behörde gesetzlich abzusichern.

Das Internet hat sich im Laufe der letzten Jahre zu einer modernen Tatvorbereitungswaffe für Terroristen und andere schwere Straftäter entwickelt. Es ist Ihnen sicher bekannt, dass man hier nicht nur Bombenbauanleitungen, sondern auch gezielte Aufforderungen oder Verabredungen zu terroristischen Anschlägen finden kann. Das BKA muss auf diese neuen Herausforderungen angemessen und wirkungsvoll reagieren können. Mit der Sicherstellung des Computers einschließlich der Festplatte ist es im Zeitalter modernster Technologie nicht mehr getan. Hochprofessionelle Täter verschlüsseln ihre Daten auf den Festplatten, so dass sie im Fall einer Beschlagnahme nichts wert sind. Mit Hilfe von Online-Durchsuchungen können die Daten vor der Verschlüsselung ausgelesen werden.

Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben. Der Grundrechtsschutz der Bürger und das Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden.

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist ein Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar ist. In der Diskussion hierüber wird vielfach übersehen, dass bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten (Verkehrsdaten) zu Abrechnungszwecken speichern dürfen. Über diese Daten haben die Telekommunikationsunternehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten oder von Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, geht.

Bei den Online-Durchsuchungen handelt es sich um gezielte Maßnahmen gegen einzelne schwerkriminelle Terroristen. Der Großteil aller in Deutschland lebenden Menschen wird davon nie betroffen sein. Niemand denkt bei Online-Durchsuchungen an eine Schleppnetzfahndung im Internet. Eine verfassungskonforme Online Durchsuchung kann nur auf richterliche Anordnung erfolgen. Die Maßnahme hat "ultima ratio-Charakter", sie ist das letzte Mittel bei der Vereitelung terroristischer Angriffe. Es muss jedoch auch geprüft werden, inwieweit das Instrument der Online-Durchsuchung bei der Aufklärung verabscheuungswürdiger Straftaten wie Kinderschändung und Kinderpornographie helfen kann.

Die Privatsphäre des Einzelnen bleibt selbstverständlich gewahrt. Es ist deshalb nicht nur verantwortungslos, sondern völlig abwegig, wenn Ängste in der Bevölkerung vor flächendeckender Ausforschung ihrer Computer geschürt werden. Denn gerade die jüngsten Erkenntnisse der Nachrichtendienste über die aktuelle Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus haben gezeigt, dass wir die Lösung dieses Problems nicht mehr länger aufschieben dürfen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat die Linie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und unseres Bundesinnenministers Dr. Wolfgang Schäuble bestätigt: Die Online-Fahndung ist ein unverzichtbares Instrument zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Wie alle anderen Fahndungsinstrumentarien muss natürlich auch die Online-Fahndung juristisch klar geregelt sein. Wegen der Schwere des notwendigen Eingriffs ist die richterliche Anordnung unabdingbare Voraussetzung. Das war immer unsere Position. Wir haben auch immer deutlich gemacht, dass die Anwendung der Online-Fahndung auf einige wenige Fälle pro Jahr beschränkt sein werde. Auch in dieser Position hat uns das Urteil aus Karlsruhe bestätigt.

Es kann nur begrüßt werden, dass diese Ansichten inzwischen auch von der SPD geteilt werden. Die Sicherheit der Menschen in unserem Land ist ein zu hohes Gut, um es parteipolitischer Profilierung zu opfern. Die Bundesregierung ist daher verpflichtet, schnellstmöglich das BKA-Gesetz mit den entsprechenden Vorschriften vorzulegen.

In der Hoffnung, mit meinen Ausführungen zur Verdeutlichung der Sachlage beigetragen zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Klaus Brähmig MdB