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Katrin Altpeter
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Frage von Birgit J. •

Frage an Katrin Altpeter von Birgit J. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Altpeter,

in Deutschland ist bereits jeder 14. Jugendliche mit Borrelien, den bakteriellen Erregern der meist durch Zeckenstiche übertragenen Lyme-Borreliose infiziert. Jedes Jahr erkranken je nach Datenlage zwischen 214.000 und über 800.000 Menschen neu an der komplexen Multi-Organ-Krankheit Borreliose.
1981 wurde der Erreger entdeckt, doch bis heute fehlt es an allem, was medizinisch notwendig ist: Es gibt keine schützende Impfung, keine standardisierte, zuverlässige Diagnostik und keine sicher heilende Therapie.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Lyme-Borreliose als „public health“-relevante Zoonose in Deutschland endlich Bestandteil der nationalen „Roadmap“ wird?
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung Borreliose-Forschungsprojekte und Langzeittherapie-Studien implementiert werden, damit man neue Behandlungsformen entwickeln kann?
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Borreliose-Diagnosen grundsätzlich mit dem Grad der Behinderung (GdB) in die Versorgungsmedizin-Verordnung aufgenommen werden?
Werden Sie sich für eine bundesweite Meldepflicht aller (!) Krankheits-manifestationen der Lyme-Borreliose einsetzen?

Wir wählen in diesem Jahr den neuen Bundestag. Betroffene und ihre Angehörigen und Freunde erwarten, dass sich Politiker dieses viel zu lange vernachlässigten, gesundheitspolitischen Themas annehmen werden.
Siehe auch: Über 7000 Menschen haben den offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Bahr mitunterzeichnet: http://onlyme-aktion.org/mitmachen/aktuelle-aktionen/borreliose-offener-brief-an-bundesgesundheitsminister-daniel-bahr/
Am 10. und 11. Mai demonstrierten Borreliose-Patienten weltweit gegen ihre schlechte medizinische Versorgung.
Durch ihren tendenziell langwierigen Verlauf ist die Borreliose unter gesundheitspolitischen, sozialpolitischen, wirtschaftspolitischen und medizinischen Aspekten nicht länger zu vernachlässigen.

Vielen Dank & mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Jürschik-Busbach,

ich danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 6. Juni 2013, in dem Sie auf die derzeitige Datenlage zu Borreliose, die Folgen einer Infektion, die Meldepflicht sowie den offenen Brief an Herrn Bundesgesundheitsminister Bahr eingehen.

Zu den Schwerpunkten in Ihrer Anfrage möchte ich gerne einzeln Stellung nehmen:

Inzidenz und Priorisierung von Erregern
Die von Ihnen angegebenen Zahlen zur Seroprävalenz von Jugendlichen stammen aus den Daten der KiGGS Studie, die 2012 im Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts (RKI) veröffentlicht wurde. Diese Zahlen bedeuten nicht, dass jeder 14. Jugendliche akut mit Borreliose infiziert oder gar an Borreliose erkrankt ist, sondern dass 7,1 % dieser 14- bis 17-Jährigen irgendwann mit Borrelien in Kontakt gekommen sind und Antikörper gebildet haben. Die Antikörperbildung erfolgt auch bei asymptomatischen und klinisch unauffälligen Verläufen.

Eine Priorisierung von Erregern unter dem Aspekt der Surveillance und epidemiologischen Forschung wurde vom RKI Ende 2011 veröffentlicht (Epidemiologisches Bulletin 44/2011): 127 Erreger wurden von einem Expertengremium im Hinblick auf 10 verschiedene Kriterien (wie zum Beispiel: Inzidenz, Spätschäden, Letalität oder öffentliche Aufmerksamkeit) betrachtet. Borrelien wurden neben 45 anderen Keimen als Erreger mittlerer Priorität eingestuft.
Die berücksichtigten Kriterien sind aus meiner Sicht nachvollziehbar und die von den Experten vorgenommene Einstufung der Borreliose plausibel. Ich sehe daher keine Veranlassung, auf eine Änderung der Einstufung hinzuwirken.

Forschung u.a. mit dem Ziel einer standardisierten Diagnostik und zuverlässigen Therapie
Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung zeckenübertragener Erkrankungen in Baden-Württemberg wurden über mehrere Jahre Untersuchungen zur Zeckenbekämpfung gefördert.
Aus Landesmitteln (Förderprogramm BWPLUS) wird derzeit ein Forschungsprojekt „Ökologie von Zecken als Überträger von Krankheitserregern in Baden-Württemberg“ finanziert, das federführend vom Karlsruher Institut für Technologie unter Beteiligung des Landesgesundheitsamtes durchgeführt wird. Die Faktoren, die für die Verbreitung der Zecken, ihre Populationsstärke- und Schwankungen und die Pathogenprävalenz in einer Population verantwortlich sind, sind bisher noch unzureichend bekannt.

Zeckenübertragene Erkrankungen sind aber nicht nur ein Problem in Baden-Württemberg. Daher halte ich es für notwendig, dass Forschungsprojekte zu diesem Thema auch über Bundesmittel gefördert werden, dies regen Sie in Ihrem Schreiben auch an. Unter Leitung des RKI in Berlin wurde das bundesweite Netzwerk „Lyme-Borreliose“ gegründet. Ziel des Netzwerkes ist unter anderem die Formulierung von Forschungsdefiziten im Bereich Pathogenese, Diagnostik, Therapie und Verlauf der Borreliose. Nach erfolgreicher Etablierung des Netzwerkes in Deutschland ist sogar die Erweiterung auf europäischer Ebene geplant.

Sehr erfreulich ist aus meiner Sicht, dass die Impfstoffentwicklung weiter fortgeschritten ist: In „Lancet“ wurde im Mai diesen Jahres eine Studie veröffentlicht, an der auch die Universität Tübingen beteiligt war. Sie beschreibt ein gutes Ergebnis der Impfstofftestung an 300 Probanden.

Das von Ihnen angesprochene deutsche Zentrum für Infektionsforschung hat zum Ziel, die transnationale Infektionsforschung zu koordinieren und strategisch auszurichten, um neue diagnostische, präventive und therapeutische Verfahren in der Behandlung von Infektionskrankheiten zu entwickeln. Die Mitgliederversammlung entscheidet über die Zuteilung von Fördermitteln auf Basis eines Vorschlags des Vorstands. Eine Einflussnahme durch die Landespolitik Baden-Württemberg ist daher nicht möglich.

Versorgungsrechtliche Fragen
Die Anerkennung einer Schwerbehinderteneigenschaft bzw. die Höhe des GdB wird entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen und ist nicht von der letztendlichen Ursache der Beeinträchtigung abhängig.

Meldepflicht
Das Land Baden-Württemberg setzt sich seit langem für eine bundeseinheitliche Meldepflicht für Borreliose ein und favorisiert diese Lösung. Nur durch eine bundeseinheitliche Lösung können die Erkrankungszahlen überhaupt verglichen werden. Von einer alleinigen Labormeldepflicht kann kein Zusatznutzen erwartet werden, klar festgelegte klinische Faktoren sind, wie Sie auch ausführen, entscheidend.

Versorgung von Borreliose-Patienten
Zuverlässige Möglichkeiten zu Diagnose und Therapie müssen, wie Sie zu Beginn Ihres Schreibens zurecht anmerken, für die betroffenen Patienten zur Verfügung stehen: Eine S3 Leitlinie zur Diagnose und Therapie ist bereits bei der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) unter der Registernummer 013 - 080 angemeldet, sie wird allerdings erst bis 2014 fertig gestellt sein.

Vielfach uns gegenüber geäußerte Bedenken, eine langwierige Borreliose-Behandlung werde nicht von den Kassen bezahlt, sind nicht nachvollziehbar. Dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Ärzte in Baden-Württemberg einem Regress unterzogen wurden nur weil sie Borreliose-Patienten behandelt haben.

Wie Sie meinem Schreiben entnehmen können, verfolge ich die aktuellen Entwicklungen zum Thema Borreliose genau und messe dem Schutz vor Borreliose hohe Priorität bei.
Ich möchte Ihnen persönlich für Ihr Engagement gegen Borreliose weiterhin viel Erfolg wünschen, verbunden mit den besten Wünschen für Ihre Gesundheit.

Mit freundlichen Grüßen

gez.

Katrin Altpeter MdL