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Karl Theodor von und zu Guttenberg
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Frage von Thomas W. •

Frage an Karl Theodor von und zu Guttenberg von Thomas W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr von und zu Guttenberg,

wie man der FAZ und SZ entnehmen kann, haben Sie aufgrund der geringen Zustimmung der Bevölkerung zum Afghanistankrieg den Vorschlag vorgebracht, eine parteiübergreifende Kommisssion unter dem Vorsitz von Volker Rühe und Joschka Fischer einzurichten, die eine Bilanz der Mission ziehen, sowie klare Ziele definieren soll, ja gegebnenfalls auch einen Teilrückzugsplan und Exitstrategien überlegen soll.
Für diesen Vorschlag haben sie sich heftige Kritik eingehandelt, da dies für eine Unterminierung der Mission gesehen wird, ja geradezu einem Dolchstoß gleichkäme.Dabei haben sie wohl nur richtig festgestellt, daß es sich bei Afhanistan weitgehendst um einen vergessenen Krieg handelt, der unpopulär ist und über den die Parteien mehr oder weniger eine Nachrichtensperre verhängt haben, um keine Diskussionen in der Bevölkerung aufkommen zulassen.
Der Kampf in Afghanistan scheint in eine neue Phase zu gehen: Dafür spricht die Tendenz zu Kampfeinsätzen der Bundeswehr in Richtung Aufstandsbekämpfung, die Zusage von Verteidigungsminister Jung 1000 Soldaten mehr abzustellen (parallel dazu Frankreichs stärkeres Engagement, sowie seine NATOreintegration), sowie die Ankündigung sowohl Karsais wie auch der internationalen Gemeinschaft, dass der afghanische Selbstverantwortungsteil wachsen soll.
Vielerorts hört man, dass ein Strategiewechsel in Afghanistan vonnöten sei.Stimmen sie dem zu, bzw.was sollte dieser konkret ihrer Ansicht nach beinhalten? Wie soll eine afghanische Armee mit einer Truppenobergrenze von 70 000 Soldaten ein riesiges Land wie Afghanistan in Zukunft alleine und ohne modernes Gerät kontrollieren können?Sehen sie das Ziel eher in einer Stabilisierung des Landes hin zu einem friedlichen Agrarstaat oder weiterhin in einer Demokratisierung (wobei doch noch nicht einmal funktionsfähige Parteien existieren und zugelassen sind)?

Mit freundlichen Grüssen

Thomas Wagner

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Wagner,

mein Vorschlag wurde bisher noch nicht als "Unterminierung" unserer Mission in Afghanistan qualifiziert. Es handelt sich auch nicht um eine vergessene Mission, wie die immer wieder aufkommende Debatte letztlich eindrücklich beweist. Welche Partei eine Nachrichtensperre verhängt hat und wo diese greift, müssen sie bei Gelegenheit erklären. In der Tat findet sowohl im Parlament, wie auch in den Medien und nicht zuletzt in der Zivilgesellschaft eine lebendige Debatte zum Thema Afghanistan statt. Ich begrüße dies ausdrücklich. Allerdings kann dies über weitergehende Defizite nicht hinwegtäuschen.

Beklagt habe ich somit die Kommunikationsstrategie der einzelnen mit der Mission befassten Häuser und Institutionen. Wir müssen klar benennen, wo unsere Ziele liegen. Wichtigstes Ziel neben dem Aufbau des zerstörten Landes ist fraglos eine selbsttragende Stabilität durch eine legitimierte afghanische Regierung und ihre Sicherheitskräfte. Dieses Ziel wird weder allein durch olivgrünes Brunnenbauen noch durch isoliert brachiales Vorgehen herzustellen sein. Der Aufbau des Landes braucht robusten Schutz, die afghanischen Sicherheitskräfte müssen ausgebildet und auch in den Einsatz begleitet werden. Trotz aller Anstrengungen sind diese Ziele nicht von heute auf morgen zu erreichen. Dies und zahlreiche andere Aspekte müssen wir den Menschen unseres Landes klarer und offener mitteilen.

Eine überparteiliche Kommission könnte -- mit Sachverstand und Expertise sowie jenseits aller parteitaktischen Auseinandersetzungen -- Optimierungspotentiale aufzeigen, Ziele unserer Mission definieren, Ressourcenbedarf objektiv feststellen und vermeintlich getrennte Aufgabenbereiche (Entwicklungszusammenarbeit, militärische Sicherung etc.) im Zusammenhang darstellen.

Zum Ziele einer Demokratisierung Afghanistan möchte ich feststellen, dass das afghanische Volk im nächsten Jahr bereits zum zweiten Male an die Urnen gerufen werden wird. Aber: Eine Demokratie westlichen Standards wird gleichwohl nicht von heute auf morgen zu erreichen sein, dies zeigt -- bei aller evidenten kulturellen Unterschiedlichkeit -auch unsere eigene nationale Geschichte. Demokratie bedarf Bewusstseinsbildung, sowie u.a. rechtsstaatlich garantierter Grundrechte und letztlich auch eines Mindestmaßes an Sicherheit. In dem Grade, in dem diese Rahmenbedingungen etwa durch die Herstellung des staatlichen Gewaltmonopols, die gesellschaftliche Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen und beider Geschlechter sowie durch die Etablierung rechtsstaatlicher Strukturen geschaffen sind, hat die Demokratie eine -- wenngleich in Afghanistan noch ferne - Chance. Entscheidender ist zunächst der Faktor Stabilität und Rechtsstaatlichkeit sowie ein Verständnis, dass sich sogenannte westliche Standards nicht aufoktroyieren lassen, sondern vielmehr auch kulturellen wie historisch gewachsenen Eigenheiten Rechnung zu tragen ist.

Mit einem Augenzwinkern kann ich Ihnen aus bayerischer Erfahrung zumindest verbindlich sagen, dass auch ein (ehemaliger) monarchisch geprägter Agrarstaat ganz erstaunliche demokratische Entwicklungschancen entfalten konnte.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg