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Karl Theodor von und zu Guttenberg
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Frage von Thomas W. •

Frage an Karl Theodor von und zu Guttenberg von Thomas W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr von und zu Guttenberg,

zwei Fragen beschäftigen mich seit geraumer Zeit:
1)Was ist eigentlich aus Angela Merkels Wunderkind , dem Transatlantic Free Trade Area (TAFTA) geworden, welches ja auf eine Idee von Außenminister a.D. Kinkel zurückgeht und unlängst von SPIEGEL-Autor Gabor Steingart als Antwort auf die chinesische Herausforderung propagiert wurde?Einige Kritiker bemäkeln, daß die Handelsbeziehungen zwischen den USA und den EU ohnehin schon Freihandelscharakter hätten und TAFTA keine Verbesserung darstellen würde. Andere Kritiker befürchten das Herabsinken z.B. sozialer und ökologischer Standards auf US-Niveau.Dritte wiederum glauben nicht, daß der gegenseitige Protektionismus dies zulasse.Welcher Meinug neigen sie zu und ist TAFTA nicht als eine Rückfalloption und Drohung an die Addresse der Rest-WTO-gemeinschaft zu verstehen, daß der Westen auch ernst machen könne, wenn es bei den WTO-Verhandlungen nicht bald zu substantiellen Ergebnissen komme?

2)Wie sehen sie die deutsch-russischen Beziehungen? Werden sie sich weiterhin verschlechtern?Dies auch vor dem Hintergrund, daß Rußlands Gazprom und Algeriens Sonatrach ein Memorandum of Understanding unterschrieben haben, Russland und Iran mittels des Gas Exporting Countries Forum eine Vorform einer GAS-OPEC schaffen und die Shanghai Coorporation Organization nun auch einen Energieclub eingerichtet hat.Dies führte ja dazu, daß die USA die Energiesicherheit in den Artikel V der NATO Charta bei dem NATO-Treffen in Riga im November 2006 aufnehmen wollten.Inwieweit besteht diese Forderung noch, ist diese realistisch aufgenommen zu werden?Könnte dies Energiekriege zwischen NATO und Russland in Zukunft bedeuten?Wie beurteilen sie die Notwendigkeit einer amerikanischen Raketenabwehr auf europäischem Territorium nach Veröffentlichung des NIE-Berichts der 16 US-Geheimdienste über das eingestellte Atomprogramm Irans?

Mit freundlichen Grüssen

Tom Wagner

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Wagner,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Auch nach der Veröffentlichung des US-Geheimdienstberichts (National Intelligence Estimate) zum Atomprogramm des Iran kann keine Entwarnung gegeben werden. Iran hat laut dem Bericht bis mindestens 2003 ein Atomwaffenprogramm betrieben und kann dieses jederzeit wiederaufnehmen. Zudem hat Teheran die unverzügliche Aussetzung der Urananreicherung erneut kategorisch zurückgewiesen. Diese ist aber ohne militärische Ambitionen unsinnig und bildet die Grundlage für ein potentielles Atomwaffenprogramm.

Wir sehen momentan leider kaum Anzeichen für eine mögliche Annäherung Irans. Eine Umsetzung vertrauensbildender Maßnahmen seitens Teherans könnte gewisse Fortschritte bringen. Insbesondere eine Wiederaufnahme der Inspektionen im Rahmen des Safeguard-Abkommens mit der IAEO wäre ein begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung.

Der Moment für ein multilaterales Vorgehen erscheint jedoch günstig: Eine militärische Eskalation ist nach dem Bericht in weite Ferne gerückt. Die Tür für Verhandlungen hat sich einen Spalt weit geöffnet. Das gemeinsame Vorgehen unter dem Dach der Vereinten Nationen stellt daher auch weiterhin die richtige Strategie dar, um Iran zu einem Einlenken zu bewegen. Nun, da sich die USA, die Europäer wie auch China und Russland hinsichtlich einer dritten Resolutionsrunde grundsätzlich einig sind, gilt es, mittels einer weiteren Sanktionsrunde Druck auf Teheran auszuüben. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass Iran ohne wirtschaftlichen Druck nicht zu Zugeständnissen bereit sein wird.

Solange die iranische Gefahr nicht gebannt ist und zudem mehrere andere Staaten im Verdacht stehen, den Besitz von Atomwaffen anzustreben, ist grundsätzlich nicht nur ein Schutzbedürfnis für das Territorium der USA gegeben, sondern für das gesamte Bündnisgebiet. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass Iran bereits heute ein ehrgeiziges Trägerraketenprogramm betreibt.

Fragen der Energiesicherheit werden in der Zukunft sicherlich einen gewissen Stellenwert in den Planungen des nordatlantischen Bündnisses haben. Gleichwohl muss darauf hingewiesen werden, dass entsprechende Überlegungen innerhalb der Nato sich nicht gegen Russland richten. Moskau wird auch im Rahmen der Nato weiterhin als wichtiger Partner wahrgenommen, auch wenn dies teilweise in der Wahlkampfrhetorik des Kremls nur wenig Entsprechung findet.
Mit Blick in die Zukunft wäre es bedauerlich, wenn Russland seine reichen Energieressourcen als Mittel der Außenpolitik gebrauchen würde. Russland hat sich gegenüber Deutschland bisher als verlässlicher Energielieferant erwiesen. Es entspricht der Erwartungshaltung der Gesamtheit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, dass Moskau ein wichtiger und verlässlicher Partner bleibt.

Europa muss in Energiefragen zukünftig mit einer starken gemeinsamen Stimme sprechen, um die vitalen Interessen der EU gegenüber ihren externen Energielieferanten kraftvoll zu vertreten. Dies gilt besonders für Europas größten Energieimporteur Russland. Die Notwendigkeit einer abgestimmten Außenstrategie der EU in Energiefragen ist gegeben. Daher ist die Forderung von EU-Kommissar Piebalgs, Energie zu einem integralen Teil aller europäischen Außenbeziehungen zu machen, mit Nachdruck zu begrüßen.

Aufgabe europäischer Energieaußenpolitik muss es sein, die Energieimporte der EU zukünftig regional zu diversifizieren. Europa kann es sich nicht leisten, sich in Abhängigkeit von wenigen und gegebenenfalls instabilen Energielieferanten zu begeben.

Da wir mit unseren transatlantischen Partnern in Energiefragen wesentliche Interessen teilen, verdient eine breite strategische Energiekooperation der EU mit den USA als zentraler Bestandteil einer europäischen Energieaußenpolitik Unterstützung.

Zu Ihrer Frage hinsichtlich einer transatlantischen Freihandelszone muss bemerkt werden, dass Europa und Nordamerika bereits heute die weltweit am engsten verflochtenen Wirtschafträume darstellen. Rund 60% aller ökonomischen Vorgänge weltweit werden zwischen den beiden Blöcken abgewickelt.
Die Gesellschaften der beiden Regionen teilen zudem fundamentale Überzeugungen hinsichtlich demokratischer Staatsform und marktwirtschaftlicher Ordnung. Dennoch bestehen gewichtige Hindernisse für ein Wachstum des bilateralen Waren- und Finanzverkehrs fort.

Bundeskanzlerin Merkel hat sich daher im Verlauf des letzten Jahres im Rahmen der deutschen G 8-Präsidentschaft für die Etablierung einer transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft eingesetzt. Dies mit einigem Erfolg: So konnte bereist im letzten Jahr die Anerkennung internationaler Bilanzregeln in den USA als erster Erfolge der transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft verkündet werden.

Zudem wurde ein Transatlantischer Wirtschaftsrat geschaffen, der sich dem weiterhin bestehenden Harmonisierungs- und Abstimmungsbedarf in den intensiven wirtschaftlichen Beziehungen der Wirtschaftsräume widmet. Durch den Abbau tarifärer als auch nichttarifärer Handelshemmnisse und die Angleichung rechtlicher Normen und Vorschriften soll in den nächsten Jahren immenses kommerzielles Wachstumspotential freigesetzt werden. Die Notwendigkeit einer engeren Abstimmung zwischen den eng vernetzten Wirtschaftsblöcken ergibt sich zudem aus einer Übereinstimmung vitaler Interessen in Belangen der internationalen Energiesicherheit sowie aus umwelt- und klimaschutzpolitischen Gründen. Allerdings gilt es noch, eine erhebliche Wegstrecke zu beschreiten. Das Fernziel einer TAFTA erscheint jedoch sinnvoll.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karl- Theodor zu Guttenberg