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Karl Schiewerling
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Frage von Jan P. •

Frage an Karl Schiewerling von Jan P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schiewerling

Wie jetzt bekannt wurde, versucht die Bundesregierung dem Bundestagspräsidenten das Recht zu nehmen in Bundestagsdebatten auch Paramentariern das Rederecht zu erteilen, die von der Fraktion abweichende Meinungen vertreten. Es sollen nur noch von der Fraktion ausgewählte Redner zu Wort kommen.

Was halten Sie von diesem Vorstoß, wird Ihnen selber doch dadurch die Möglichkeit genommen, ihrem Verfassungsauftrag nachzukommen?

Denn dort steht eindeutig, dass Sie nur "Ihrem Gewissen" verpflichtet sind. Von Fraktionsdisziplin oder gar Fraktionszwang steht im Grundgesetz allerdings kein Wort.

Werden Sie diesem weiteren Versuch die Demokratie einzuschränken zustimmen?

Mit sonnigen Grüßen

Jan Päpcke

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Päpcke,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch in der Sie nach meiner persönlichen Meinung zur Beschlussempfehlung des Geschäftsordnungsausschusses vom 22. März 2012 fragen. Gerne will ich Ihnen in dieser Sache antworten.

Bei der Diskussion um eine Neuordnung des Rederechts im Deutschen Bundestag geht es im Kern um das Verhältnis zwischen den Abgeordneten und seiner Fraktion im parlamentarischen Willensbildungsprozess. Während das Grundgesetz keine Fraktionen kennt, sind wir Abgeordnete nach Artikel 38 GG „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“ und nur unserem „Gewissen unterworfen“. Das hieraus abgeleitete Recht meine Meinung im Deutschen Bundestag vor der Abstimmung offen vertreten zu können, halte ich für elementar, da ich eine offene Debattenkultur als ein hohes politisches Gut erachte.

Nichts desto weniger sind die Fraktionen eines der zentralen Einrichtungen im politischen Betrieb, da sie die effiziente Arbeitsfähigkeit des Bundestages gewährleisten, Mehrheiten organisieren und so das politische Gewicht des einzelnen Abgeordneten zur Geltung bringen. Sie bieten die Möglichkeiten zur Bündelung von Interessen, zum Kompromiss und ebnen damit den Weg zu einer Entscheidungsfindung im Parlament. Folglich bedarf es in einer repräsentativen Demokratie einiger Regeln – auch und vor allem für die Debatte im Bundestag - um den Parlamentsbetrieb mit 622 Abgeordneten aufrechtzuhalten und effizient zu gestalten.

Bislang haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Möglichkeit mittels Kurzintervention während und mit einer Erklärungen zur Abstimmung nach der Plenardebatte ihre Meinung, auch wenn diese von der Mehrheit der Fraktion nicht getragen wird, vortragen. An dieser Praxis wird und soll sich auch nichts ändern. Nach der vom Bundestagspräsidenten Herrn Dr. Nobert Lammert eingeführten Praxis, innerhalb der Rednerliste der Fraktion, Redezeit für Abweichler zu erteilen, bedarf es aber einer Änderung der Geschäftsordnung, da diese Praxis in der Geschäftsordnung nicht geregelt ist. Die Diskussion dreht sich im Kern um die Frage wie sich die Abgeordneten für ihr Rederecht bewerben, obwohl die Fraktion dies nicht vorgesehen hatte und wie ein solches Vorgehen für die Zukunft praktikabel gestaltet werden kann.

Dabei gilt es eine Lösung zu finden, die keine Fraktion benachteiligt sowie dem freien Mandat des Abgeordneten und der Arbeitsfähigkeit des Deutschen Bundestages gerecht wird. Eine solche Regelung darf nicht dazu führen, dass das Rederecht von Abgeordneten eingeschränkt wird, auch wenn diese innerhalb ihrer eigenen Fraktion eine Minderheitsmeinung einnehmen, da dies den Kern des politischen Mandates berühren und somit am Selbstverständnis und Wesen des Parlamentes rütteln würde.

Damit es bei den Debatten im Deutschen Bundestag auch weiterhin um Argumente, das Einstehen für oder gegen gewisse Inhalte und nicht um das Parteibuch geht und damit eindeutig geregelt ist wie andere, abweichende und gegeben falls unbequeme Meinungen gehört werden, begrüße ich den Vorschlag in eine Diskussion um die Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages einzusteigen, an deren Ende eine von allen Fraktionen im Konsens verabschiedete Lösung stehen sollte, die sowohl die Redefreiheit der Abgeordneten als auch die Funktionsfähigkeit des Parlamentes berücksichtigt.

Mit freundlichen Grüßen

Karl Schiewerling