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Karl A. Lamers
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Frage von Achim L. •

Frage an Karl A. Lamers von Achim L. bezüglich Innere Sicherheit

Die Russen haben es mit 100.000 Soldaten nicht geschafft Afghanistan zu erobern.

1. Was macht Sie so optimistisch, dass die NATO die gleiche Aufgabe mit noch nicht einmal 40.000 Soldaten schaffen will.

2. Was ist für Sie wichtiger? Den Wählerwunsch zu berücksichtigen (Bundeswehr raus aus Afghanistan) oder die völkerrechtlich bedenkliche Besatzung Afghanistans durch die USA mit Soldaten zu unterstützen?

3. Welche Länder wollen Sie sonst noch "befreien"

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Lürken,

vielen Dank für Ihre E-Mail, in der Sie zum Thema "Afghanistan" Ihre Meinung äußern.

Zu 1.)

Ein grundsätzliches Missverständnis wäre es zu glauben, die NATO würde in Afghanistan - im Auftrag der UN - genau das machen, was die Sowjetarmee bis zu ihrem Abzug 1989 in Afghanistan gemacht hat.

Afghanistan war nach dem Sturz des Taliban-Regimes ein "failed state", und die Weltgemeinschaft in der UN hat sich zum Ziel gesetzt, den afghanischen Staat in möglichst demokratischer Form wiederaufzurichten und den Menschen eine Lebensperspektive zu geben. Die ISAF, maßgeblich von der NATO gestellt, hat das Land nicht "besetzt", sondern nimmt die Aufgabe wahr, für einen möglichst hohen Grad an Stabilität zu sorgen. Stabilität ist die Voraussetzung für Wiederaufbau und Entwicklung des Landes. Die Weltgemeinschaft hilft aber nicht nur militärisch, sondern hat ein sehr großes ziviles Aufbau- und Entwicklungsprogramm aufgelegt, um die Regierung und das Volk von Afghanistan zu unterstützen; wir leisten dabei Hilfe zur Selbsthilfe.

Natürlich hat unser Einsatz auch und vor allem zum Ziel, die Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan zu verhindern. Von Afghanistan darf keine terroristische Gefahr mehr ausgehen wie früher unter der Taliban-Herrschaft.

Da die Taliban für die ISAF eine sogenannte "asymmetrische Bedrohung" darstellen, kann die Lösung des Problems nicht darin liegen, immer mehr Truppen nach Afghanistan zu verlegen. Die Terroristen kämpfen wie Guerillas und stellen sich niemals mit geschlossenen Truppenkörpern zur "offenen Feldschlacht", sondern greifen ihren Gegner überraschend und punktuell an und verschwinden dann wieder, deshalb ist dieses Problem mit militärischen Mitteln allein nicht zu lösen. Immer mehr Truppen würde nur bedeuten, dass den Terroristen immer mehr Angriffsfläche geboten wird. Die NATO muss hier einen Mix zwischen militärischer Bekämpfung der Terroristen und des möglichst schnellen Wiederaufbaus und der Entwicklung des Landes anwenden. Die afghanische Bevölkerung muss so weit kommen, dass sie die Terroristen nicht unterstützt bzw. sich gar von diesen rekrutieren lässt. Dies wird am ehesten gelingen, wenn die Lebensbedingungen sich so günstig gestalten, dass die Terroristen keine Alternative mehr darstellen. Da spielen viele Dinge mit, zum Beispiel Bildung und Ausbildung. Je mehr Kinder und Jugendliche in die Schule gehen oder einen Beruf erlernen, desto weniger wird extremistisches Gedankengut verbreitet und durchgesetzt werden können. Je mehr Mädchen Schul- und Berufsausbildung erhalten, umso mehr tun wir langfristig für möglichst viel Gleichberechtigung der Frau im Islam.

2.)

Die Wünsche der Wähler im demokratischen Staat sind selbstverständlich wichtig für die Richtungsentscheidungen, die bei Wahlen getroffen werden. Es ist aber nicht so, dass es eine Art "imperatives Mandat" gibt und die Abgeordneten das tun müssen, was bei empirischen Umfragen als "Mehrheitsmeinung" von Meinungsforschungsinstituten herausgefunden wird. Denken Sie nur daran, wie diese angeblichen "Mehrheiten" gefunden werden: Je nach statistischer Methode können ganz unterschiedliche Ergebnisse herauskommen, und außerdem spielt ja auch noch eine Rolle, wer der oder die Auftraggeber der Meinungsumfragen ist / sind.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages unterliegen keiner Weisung von außen und sind nur ihrem Gewissen verpflichtet.

3.)

Ich verweise auf meine unter Nr. 1 gemachten Ausführungen. Wir wollen für Stabilität und Sicherheit in der Welt sorgen, weil dies auch unseren eigenen Sicherheitsinteressen nützt. Risiken und Bedrohungen müssen wir möglichst dort bekämpfen, wo sie entstehen. Das ist heute sicherheitspolitische Richtschnur des Handelns, auch in der UN.

Nehmen Sie nur den laufenden UN-Einsatz in Darfur, Sudan, und den EU-Einsatz im Tschad: Wir wollen nicht Länder besetzen, sondern humanitäre Katastrophen beenden, Millionen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückführen und mit der Anwesenheit der Truppen der UN und der AU dafür sorgen, dass die Bevölkerung des Darfur in Ruhe und Frieden in ihrer Heimat leben kann. Das beinhaltet natürlich auch, die Regierung des Sudan - notfalls mit militärischen Mitteln - möglichst davon abzuhalten, weiterhin die islamischen Milizen zu unterstützen, die für Terror, Mord und Vertreibung in der Dafur-Region verantwortlich sind.

Ich hoffe Ihnen meinen Standpunkt nähergebracht zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen,

Ihr Karl A. Lamers