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Julia Schramm
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Frage von Wolfgang R. •

Frage an Julia Schramm von Wolfgang R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Schramm,

an Ihren Antworten an frühere Fragesteller sehe ich, dass Sie bezüglich Lobbyismus eine differenzierte Meinung vertreten. Ich sehe das Kernproblem dessen, was in Deutschland als Lobbyismus bezeichnet wird, darin, dass die Gesetzgebung bei Parlamentariern auch Verhaltenweisen als Lobbyismus behandelt, die eigentlich die Grenze zur Korruption überschreiten.

Deshalb finde es gut, dass die Piratenpartei sich dafür einsetzt, dass auch die deutsche Volksvertretung das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) ratifiziert, statt es weiter zu blockieren. Mir drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass immer derjenige Teil der Volksvertretung, der gerade die Regierung stellt, bei diesem Thema lieber die eigenen Interessen als die des Volks vertritt, und diese Ratifizierung deshalb hintertreibt. Eine parlamentarische Umsetzung der Ratifizierung halte ich aus diesem Grund in Deutschland für sehr schwierig, - wenn nicht sogar praktisch ausgeschlossen.

Inzwischen bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass bei vielen Entscheidungen der Volksvertreter ein Interessenkonflikt zwischen deren eigenen Interessen und denen der von ihnen vertretenen Allgemeinheit auftritt, und dass ein Teil der Volksvertreter dann dazu neigt, weniger als Volksvertreter, denn als Lobbyist in eigenen Sache auftreten. In diesen Fällen sollte den Wähler Gelegenheit gegeben werden, diese Entscheidung direktdemokratisch per Volksentscheid zu treffen. Zusätzlich halte ich die Einführung von Volksentscheiden auch auf Bundesebene zur Eindämmung jener (demokratiezersetzenden) Formen des Lobbyismus für dringend notwendig, bei denen durch gezielte Zuwendungen an einige Volksvertreter parlamentarische Entscheidungen zugunsten einflussreicher Gesellschaftsgruppen beeinflusst werden.

Wie ist Ihre Meinung dazu? Können auch Sie sich vorstellen, dass sich durch direktdemokratische Reformen einige Negativformen des Lobbyismus zügeln ließen?

Ich wünsche ich Ihnen und der Piratenpartei viel Erfolg bei der Wahl!

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Rolf

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Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr Rolf,

ihre Beobachtungen sind sehr zutreffend und betrüben mich gleichzeitig doch ein wenig, ist es doch eine Schande daran erinnert zu werden, wie korrupt und egoistisch Menschen und somit auch Politiker sein können und sind. Vielleicht resultiert aus dieser realistischen Sicht auch meine differenzierte Sicht auf Lobbyismus. Gleichzeitig ist dies aber auch der Motor für mein Engagement in der Piratenpartei: Man kann die Welt nicht verändern, aber man kann sie besser organisieren!

Die Piratenpartei setzt sich, wie von ihnen angeführt, für die kompromisslose Ratifizierung von UNCAC ein und hat auch eine Petition diesbezüglich an den Petitionsausschuss gestellt. Skandalöser Weise wurde zunächst versucht die Petition unter den Tisch zu kehren. Einen genauen Ablauf dieses Vorgangs finden sie im Blog unseres Parteimitglieds und Petitionssteller Jörg Tauss: http://www.tauss-gezwitscher.de

Grundsätzlich vertritt die Piratenpartei die Position, dass direktdemokratische Elemente stärker ausgebaut werden müssen. Petitionen müsse eine stärkere Bindungskraft haben und Bürgerbegehren und Volksentscheide erleichtert bzw. überhaupt ermöglicht werden. Ich sehe durchaus eine Chance für den Kampf gegen Korruption mit Hilfe direktdemokratischer Mittel; so könnten Politiker zur Offenlegung von Finanzvorgängen gezwungen werden, Korruption stärker bestraft bzw. generell Gesetze initiiert werden, die Politiker aus Selbstschutz nicht verabschieden wollen oder einfach nicht verabschieden.

Darüber hinaus ist eine Kernforderung der Piratenpartei größtmögliche Transparenz. Wenn wir zu allen Informationen Zugang haben, kann eine umfassende, außerparlamentarische Kontrolle ausgeübt werden - deswegen begrüßen wir z.B. die Offenlegung von Nebenverdiensten und unterstützen Plattformen wie abgeordnetenwatch, das "wir-in-nrw"-blog, wikileaks, etc.

Nur ein gläserner Staat gibt den Bürgern komplette Einsicht und somit Kontrolle - Sitzungen und die dazugehörigen Protokolle (sofern es sie gibt) müssen online verfügbar sein - die Sitzungen als Live-Stream, die schriftlichen Unterlagen als abrufbare Dokumente. Das Internet gibt uns endlich die Chance Politiker, Politik und einflussnehmende Elemente effektiv zu kontrollieren - das müssen wir nutzen!

Danke für ihr kritisches Denken.

Mit freundlichen Grüßen,
Julia Schramm