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Joachim Spatz
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Frage von Hans-Werner S. •

Frage an Joachim Spatz von Hans-Werner S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Spatz,

zur Abstimmung über die EFSF-Erweiterung im Deutschen Bundestag habe ich folgende Fragen:

1. Wie hoch ist der auf Deutschland entfallende Haftungsbetrag einschl. aller Zinsen/Kosten, es gibt dazu ständig in den Medien neue und höhere Aussagen.
2. Wie ist sichergestellt, dass die EFSF-Mittel auch nach der Erweiterung nicht für von der FDP bisher als untauglich und gefährlich abgelehnte Schuldenrückkaufprogramme verwendet werden?
3. Wird die Auszahlung der Tranchen weiterhin an die Erfüllung der Spar-Auflagen und an die Schuldentragfähigkeit des Landes gebunden und bleibt es dabei, dass der IWF als sachkundige und nicht unmittelbar der politischen Beeinflussung ausgesetzte Instanz zustimmen muss?
4. Bei Einführung des Euro wurde der Deutschen Bevölkerung versprochen, dass es keine Haftungs- und Transferunion gibt und dass die Euro-Staaten die Stabilitätskriterien einhalten. Seitdem wurden diese Regeln oftmals gebrochen und viel Vertrauen bei den Bürgern verspielt. Stehen Sie zu diesem Versprechen und wie wollen Sie dies bei der EFSF-Erweiterung gewährleisten?
5. Die Anleihekäufe der EZB am Sekundärmarkt verstoßen gegen Artikel 123 AEUV. Dadurch werden von einer dafür nicht legitimierten Instanz fortgesetzt erhebliche zusätzliche Haftungsrisiken aus nicht (mehr) werthaltigen Staatsanleihen auf den deutschen Steuerzahler übertragen. Welche Schritte unternimmt die FDP gegen diesen Vertrauensbruch?

Mit freundlichem Gruss aus Würzburg

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Sanft,

1. Wie hoch ist der auf Deutschland entfallende Haftungsbetrag einschl. aller Zinsen/Kosten, es gibt dazu ständig in den Medien neue und höhere Aussagen.

Mit dem StabMechÄndG, landläufig als EFSF-Ertüchtigung bezeichnet, wird der Gewährleistungsrahmen von zuvor 123 auf 211 Milliarden Euro erhöht werden. In diesem Umfang soll das Bundesfinanzministerium ermächtigt werden, Gewährleistungen für Hilfsmaßnahmen der EFSF für Euroländer zu übernehmen. Die EFSF begibt zu diesem Zwecke ihrerseits Anleihen am Kapitalmarkt. Die Erhöhung des Gewährleistungsrahmens für die EFSF ist notwendig geworden, um ein effektives Operationsvolumen von 440 Mrd. Euro zum bestmöglichen Zinssatz (AAA-Rating) zu erreichen.

2. Wie ist sichergestellt, dass die EFSF-Mittel auch nach der Erweiterung nicht für von der FDP bisher als untauglich und gefährlich abgelehnte Schuldenrückkaufprogramme verwendet werden?

Neben der Möglichkeit der EFSF, direkte Kredite an notleidende Euromitgliedsstaaten zu vergeben oder Anleihen dieser Staaten am Primärmarkt zu erwerben, sollen folgende „Notfallinstrumente“ zur Verfügung stehen:
• vorsorgliche Kreditlinien,
• Kredite zur Banken-Rekapitalisierung,
• Anleihekäufe auf dem Sekundärmarkt.
Auch beim Einsatz der neuen Instrumente müssen strikte Bedingungen für das Hilfe beantragende Land gestellt werden. Diese Instrumente sind notwendig, um im Falle einer konkreten Ansteckungsgefahr Schaden von anderen Mitgliedstaaten, und damit der Währungsgemeinschaft insgesamt, abwenden zu können (Näheres entnehmen Sie bitte meiner Antwort zur Frage 4).

3. Wird die Auszahlung der Tranchen weiterhin an die Erfüllung der Spar-Auflagen und an die Schuldentragfähigkeit des Landes gebunden und bleibt es dabei, dass der IWF als sachkundige und nicht unmittelbar der politischen Beeinflussung ausgesetzte Instanz zustimmen muss?

Ja, alle Hilfsmaßnahmen der EFSF werden auch in Zukunft nur unter strikten Auflagen vergeben. Die Troika, bestehend aus IWF, EZB und Kommission, wird auch weiterhin als Überwachungsgremium die strikte Einhaltung der auferlegten Maßnahmen überwachen. Ziel ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Die betroffenen Länder müssen in die Lage versetzt werden, den Weg der Haushaltskonsolidierung und wirtschaftlichen Strukturreformen eigenständig zu gehen. Mit der neuen Regelung ist es zudem gelungen, ein Höchstmaß an Mitwirkung des Deutschen Bundestages zu erreichen. Jede neue Hilfsmaßnahme der EFSF bedarf fortan der vorherigen Zustimmung des Deutschen Bundestages. Mit dem Gesetz sind die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 7. September 2011 aufgestellten Anforderungen einer Parlamentsbeteiligung bei weitem übertroffen worden. Entgegen der in diesem Urteil ausdrücklich gebilligten Möglichkeit einer erst nachträglichen Unterrichtung des Haushaltsausschusses in Eilfällen, macht das Gesetz auch für solche Fälle besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit eine vorherige Zustimmung zumindest eines vom Parlament gewählten Gremiums, das mit Mitgliedern des Haushaltsausschusses besetzt wird, erforderlich. Damit wird auch die parlamentarische Beteiligung an Entscheidungen und Handlungen einer intergouvernementalen Rettungsfaziliät auf eine substanziell höhere Stufe gehoben.

4. Bei Einführung des Euro wurde der Deutschen Bevölkerung versprochen, dass es keine Haftungs- und Transferunion gibt und dass die Euro-Staaten die Stabilitätskriterien einhalten. Seitdem wurden diese Regeln oftmals gebrochen und viel Vertrauen bei den Bürgern verspielt. Stehen Sie zu diesem Versprechen und wie wollen Sie dies bei der EFSF-Erweiterung gewährleisten?

Die krisenhaften Zuspitzungen am Kapitalmarkt und der mehrfache Eingriff der Europäischen Zentralbank (EZB) zu deren Bekämpfung haben in den vergangenen Monaten gezeigt, dass die EFSF hinsichtlich ihres Volumens und der Flexibilität ihrer Instrumente ausgebaut werden muss, um in Zukunft möglichen Ansteckungsgefahren innerhalb der Währungsunion besser entgegenwirken zu können. Die Koalitionsfraktionen sind sich einig, dass die Stabilisierung der Gemeinschaftswährung durch geeignete Eingriffe am Kapitalmarkt zuvorderst Aufgabe der von den Mitgliedsstaaten getragenen EFSF und nicht der EZB ist.
Durch den Kauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt soll nur in Ausnahmefällen und nur auf Vorschlag der EZB die Funktionsfähigkeit der Anleihemärkte und eine angemessene Preisbildung hinsichtlich Staatsanleihen unterstützt und eine ausreichende Liquidität im Anleihenmarkt gewährleistet werden. Interventionen auf dem Sekundärmarkt sind jedoch nur dann erfolgversprechend, wenn zum einen kurzfristig auf schnelle Marktentwicklungen reagiert werden kann und zum anderen verhindert wird, dass entsprechende Maßnahmen vorher bekannt werden, damit die Märkte das Verhalten nicht vorwegnehmen und dagegen spekulieren können.
Das vorliegende Gesetz bildet daher einen Parlamentsvorbehalt in Form eines abgestuften Zustimmungsverfahrens ab. Für Fälle von Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit werden die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages von Mitgliedern des Haushaltsausschusses wahrgenommen, die vom Deutschen Bundestag für die Dauer einer Legislaturperiode gewählt werden. Alle neuen Hilfsmaßnahmen für in Not geratene Mitgliedstaaten der Eurozone, die weder in besonderer Weise eilbedürftig, noch vertraulich sind, erfordern hingegen konstitutiv die Befassung und Zustimmung des Plenums des Deutschen Bundestages als Form größtmöglicher parlamentarischer Einbindung. Überdies kann das Eilgremium der Einschätzung der Eilbedürftigkeit jederzeit widersprechen, mit der Folge, dass entweder der Haushaltsausschuss insgesamt oder das Plenum des Deutschen Bundestages befasst werden. Dem Deutschen Bundestag seinerseits steht natürlich frei, ein etwaiges Verfahren durch einfachen Beschluss an sich zu ziehen. Dieses Verfahren ermöglicht eine, am jeweiligen Einzelfall orientierte, maximale Einbindungsmöglichkeit des Deutschen Bundestages, dessen Aktivierung im Vorfeld eventueller Maßnahmen genau prüfen wird.

5. Die Anleihekäufe der EZB am Sekundärmarkt verstoßen gegen Artikel 123 AEUV. Dadurch werden von einer dafür nicht legitimierten Instanz fortgesetzt erhebliche zusätzliche Haftungsrisiken aus nicht (mehr) werthaltigen Staatsanleihen auf den deutschen Steuerzahler übertragen. Welche Schritte unternimmt die FDP gegen diesen Vertrauensbruch?

Wie schon gesagt, durch den Kauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt soll nur in Ausnahmefällen und nur auf Vorschlag der EZB die Funktionsfähigkeit der Anleihemärkte und eine angemessene Preisbildung hinsichtlich Staatsanleihen unterstützt und eine ausreichende Liquidität im Anleihenmarkt gewährleistet werden. Dies geschieht nur nach eingehender Prüfung und in form einer ultima ratio. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion steht vor einem Neuanfang. Für uns als FDP-Bundestagsfraktion steht vor allem die Frage nach neuen Regeln und einer verschärften Überwachung der Haushalts- und Wirtschaftspolitiken in den einzelnen Mitgliedstaaten im Mittelpunkt. Es muss uns gelingen, den von Ihnen erwähnten Vertrauensbruch, durch strikte Einhaltung der selbst auferlegten Regeln wieder rückgängig zu machen. Das bisherige Regelwerk hat sich als nicht ausreichend erwiesen, um die aktuell vorherrschende Krise in der Eurozone zu verhindern. Daher setzen wir uns mit Nachdruck für die Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspakts - durch stärkere, schnellere und umfassende Sanktionen - ein. Die derzeit stattfindenden Absprachen auf europäischer Ebene werden wir auch weiterhin eng und konstruktiv begleiten.