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Joachim Spatz
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Frage von Martin M. •

Frage an Joachim Spatz von Martin M. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Spatz,

in Deutschland besteht als einzigem Land der westlichen Hemissphäre eine staatlich durchgesetzte Schulpflicht. Schulverweigererer werden mit voller Härte bestraft, ins Gefängnis geworfen und mit Strafzahlungen belegt. Einige Familien haben deshalb schon in anderen Ländern Asyl gefunden.

Untersuchungen aus Ländern mit einer Homeschoolingtradition weisen nach, dass sowohl kognitiv als auch sozial Kinder, die zu Hause unterrichtet wurden, besser als ihre Altersgenossen abschneiden. Ich denke ein weiterer Vorteil wäre, dass die Eltern auch die ihnen eigene Kultur besser an ihre Nachkommen weitergeben könnten. Das Argument der dann möglichen Islamisierung oder Christianisierung ist aus meiner Sicht auf Grund der Erfahrungen in anderen Ländern nicht ausreichend die allgemeine Schulpflicht zu begründen.

Auch aus liberaler Sicht lässt sich eine private Bildung gut Begründung, die Eltern haben hier doch eigentlich das Primat der Erziehung und der Ausbildung.

Pädagogisch hilft es der Entwicklung von Kindern auch nicht mit Gleichaltrigen eingesperrt einem Erwachsenen zu lauschen. Auch sind usnere Schulen ein Hort der psychischen und physischen Gewalt, aus dem besonders empfindsame Kinder herausgeholt werden sollten.

Ausserdem handelt es sich bei der allgemeinen Schulpflicht um ein Nazi Gesetz, dass aus dem Jahr 1936 stammt.

Den Eltern sollte meiner Meinung nach die Möglichkeit gegeben werden selber die beste Ausbildung für ihre Kidner zu wählen.

Werden Sie sich für die Abschaffung der allgemeinen Schulpflicht einsetzen?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Macke,

danke für Ihre Anfrage, die ich Ihnen gerne beantworte. Artikel 7 Abs. 1 GG lautet: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“ Damit ergibt sich aus dem Grundgesetz bereits ein allgemeiner staatlicher Bildungs- und Erziehungsauftrag, ohne dabei die Eltern von vornherein in ihrem Erziehungsauftrag zu beschneiden. Allerdings erfährt das elterliche Erziehungsrecht durch die allgemeine Schulpflicht eine Beschränkung. Der Staat ist nicht nur für die formale Organisation des Schulwesens zuständig, sondern darf auch - unabhängig von den Eltern - Erziehungsziele festlegen.

Die allgemeine Schulpflicht dient dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags. Dieser Auftrag zielt nicht nur auf die bloße Wissensvermittlung ab, sondern auch auf die Heranbildung selbst verantwortlicher Persönlichkeiten und verantwortungsvoller Staatsbürger in einer pluralistischen Gesellschaft. Mit dieser Begründung wies auch das Bundesverfassungsgericht bereits in zahlreichen Fällen Verfassungsbeschwerden gegen die allgemeine Schulpflicht zurück.

In meinen Augen erschöpft sich der Bildungsauftrag der Schulen nicht nur in der reinen Wissensvermittlung. Schulen sind vielmehr Orte gesellschaftlicher Integration und sollen die sozialen Kompetenzen der Schüler fördern. Dazu zählen gelebte Toleranz, der Umgang mit Andersgläubigen und die Erfahrung, den eigenen Glauben gegenüber anders Denkenden selbstbewusst vertreten zu müssen. Diese Erziehungsziele können durch das so genannte „Homeschooling“ meiner Ansicht nach nicht wirksam genug erreicht werden.

Die Haltung der deutschen Behörden zur Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht hat bislang aus guten Gründen zahlreichen Verfassungsbeschwerden und einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) standgehalten. Grund hierfür ist, dass staatliche Schulen grundsätzlich zur Zurückhaltung, Offenheit und Toleranz verpflichtet sind und dadurch auch auf religiöse Überzeugungen der Eltern Rücksicht nehmen. Viele Konflikte lassen sich im Alltag und im konkreten Einzelfall durch pragmatische Regelungen lösen. Oder wie das Bundesverfassungsgericht in einer seiner zahlreichen Entscheidungen zum Thema Schulpflicht ausführt: „Im Einzelfall sind Konflikte zwischen dem Erziehungsrecht der Eltern und dem Erziehungsauftrag des Staates im Wege einer Abwägung nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz zu lösen.“ Dies ist fortwährende Praxis und ständige Lebensrealität in der Bundesrepublik.

Darüber hinaus bietet Art. 7 Abs. 4 GG („Grundrecht der Privatschulfreiheit“) das Recht, Privatschulen zu errichten, in denen beispielweise die religiösen Bindungen der Eltern und Schüler besonders berücksichtigt werden. Diese Privatschulen haben auch umfangreiche Ansprüche auf finanzielle Förderung durch den Staat.

Aufgrund meines festen Vertrauens in die Fundamente unseres Bildungssystems sowie der zahlreichen, bestehenden Möglichkeiten als Privatperson prägenden Einfluss auf die Erziehung unserer Kinder Einfluss zu nehmen, werde ich mich nicht - wie von Ihnen gewünscht - für die Abschaffung der allgemeinen Schulpflicht einsetzen. Ich halte sie im Gegenteil für eine beispiellose Errungenschaft, da mit ihr gleichzeitig das Recht auf „Bildung für alle“ verbunden ist.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Spatz MdB