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Jessica Tatti
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Frage von Manuel S. •

Frage an Jessica Tatti von Manuel S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Jessica Tatti,

Jede Familie hat einen Anspruch auf Hilfe, wenn eine dem wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist, diese Hilfen zur Erziehung sind sehr vielseitig das fängt bei einfachen Erziehungsberatungsstellen an welcher Muttern oder Vätern in akuten Überforderungssituationen mit Rat und Tat zur Seite stehe. Hilfe können auch Hilfen sein zur Erziehungshilfe, wenn die Mutter überfordert, weil sie psychisch Krank ist und der Vater ist gesund dann kann ein Vater Geld vom Jugendamt für Erziehungshilfen beantragen.

Eltern mit psychischer Erkrankung sind keineswegs grundsätzlich ungeeignete Eltern. Eine gute therapeutische Unterstützung und stabiles Umfeld können dafür sorgen, dass sie ihre Aufgaben gut wahrnehmen können. Kein Kind darf leichtfertig aus einer Familie genommen werden. Kann ein Vater auch Geld beantragen, wenn er zur Geburt des Kindes dabei sein will, weil zum Beispiel das eine Fernbeziehung ist?

Als Problem sehe ich die schlechte personelle Ausstattung in den Jugendämtern. Um die Betreuung von Familien in Schwierigkeiten zu verbessern, muss dringend Personal aufgestockt werden. Wer kontrolliert denn die Jugendämter damit die Familien wirklich unterstützt werden und so das Kind nicht einfach in Obhut genommen werden kann?

Mit freundlichen Grüßen
Manuel Schnackertz

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage!

Ehe ich konkret in die Beantwortung Ihrer Fragen einsteige, möchte ich allgemein einsteigen: Ich teile ausdrücklich Ihre Einschätzung, dass Eltern oder Elternteile mit psychischen Erkrankungen keinesfalls immer ungeeigneten Eltern sind. Zwar gibt es Fälle, in denen bei akuten Schüben einiger Erkrankungen ein alleiniges Sorgen einfach zu gefährlich für Kind und Eltern ist, aber das ist nicht der Regelfall. Ein stabiles Umfeld – unterstützende Familie und Freunde, eine kompetente ärztliche und therapeutische Begleitung und möglicherweise auch eine ambulante Familienhilfe vor Ort – sichert eine Betreuung der Kinder durch die Eltern zusätzlich ab.

Diese Annahme ist heute zum Glück akzeptierter Standard bei Jugendämtern, der Erziehungsberatung und Familiengerichten. Eine Inobhutnahme ist an strenge Auflagen und Voraussetzungen gebunden und ich bin sicher, dass heute Jugendämter nicht leichtfertig Kinder aus ihren Familien reißen. Ehe das passiert, müssen vorher andere Hilfen gescheitert sein oder ein so bedrohlicher Notfall vorliegen, dass keine andere Wahl bleibt, um das Leben und die Gesundheit des Kindes zu schützen. In den Jugendämtern gibt es meines Wissens strenge Kontrollen, sodass die Inobhutnahme nicht willkürlich erfolgen kann. Es sind immer klare Zuständigkeiten, Mehr-Personen-Prinzipien und umfangreiche Dokumentationspflichten zum Vorgehen und den Gründen einzuhalten. Wenn die Herausnahme aus der Familie gegen den Willen der Erziehungsberechtigten geschieht, ist eine volle Überprüfbarkeit durch die zuständigen Gerichte gegeben. Dabei werden, wenn die Erziehungsberechtigten nicht viel Geld haben, die Kosten für einen Anwalt eigener Wahl übernommen. Ich finde, hier hat sich in den letzten 20 Jahren sehr viel zum Positiven verändert – wenn auch natürlich immer noch Verbesserungen notwendig sind.

Die Familiengerichte überprüfen also auf Wunsch der Erziehungsberechtigten jede Einzelfallentscheidung durch die Jugendämter. Für die allgemeine Kontrolle, die „Fachaufsicht“, sind meist die Landkreise (Landrätin/Landrat) bzw. die kreisfreien Städte (Oberbürgermeisterin/Oberbürgermeister) zuständig. Hier kann man sich beschweren, wenn man sich schlecht behandelt oder beraten fühlt, aber sich nicht direkt beim Jugendamt melden will.

Die personelle Ausstattung der Jugendämter ist leider oft prekär. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen viel zu viele Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern informieren, beraten und betreuen. Folge dieser Mangelausstattung sind oftmals Stress und ein hoher Krankenstand bei den Beschäftigten. Ursache für diesen Zustand trägt die jahrzehntelange Finanzpolitik, die die Kommunen kaputt spart. Für die „schwarze Null“ wurde eine funktionierende Verwaltung und Infrastruktur ausgehungert, vernachlässigt und chronisch unterfinanziert. Meine Partei und auch ich fordern seit langem, diesen Zustand endlich zu beenden. Wir müssen und können mehr Einnahmen des Staates generieren, um die Infrastrukturen zu sanieren sowie auf- und auszubauen. Dazu gehört eine kommunale Verwaltung, die personell solide ausgestattet ist. Dazu gehört die nachhaltige Finanzierung von unabhängigen Erziehungsberatungsstellen und sozialen Hilfen für den Alltag. Und dazu gehört ein dichtes Netz an Therapieangeboten für psychisch Erkrankte, in dem man nicht Monate oder gar Jahre warten muss, um ein ambulantes und passendes Angebot zu finden. Hier liegt vieles im Argen. Sie haben Recht, wenn Sie hier eine Bundespolitikerin ansprechen: Die Hauptverantwortung für diese Zustände liegt beim Bund, bei der Bundesregierung, genauer: in der Finanzpolitik, die die Kommunen finanziell unterfinanziert. Die Kommunen brauchen mehr Geld, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.

Zu Ihrer letzten Frage, nach den Kosten des Umgangs mit Kindern, wenn man als Elternteil nicht mit dem Kind zusammen lebt: Für diese Kosten ist zunächst der Elternteil verantwortlich, der den Umgang pflegt. Wenn er (oder sie) das nicht kann, weil er zu wenig Geld verdient, kann man beim Jobcenter bzw. beim Sozialamt höhere Freibeträge auf das Erwerbseinkommen geltend machen. Voraussetzung ist aber, dass man (1) ein Erwerbseinkommen hat und dass (2) eine Vereinbarung zum Umgangsrecht vorliegt. Diese Vereinbarung kann vom Jugendamt oder vom Gericht stammen. Hat der Umgangsberechtigte kein Einkommen, dann wird es schwieriger. Am einfachsten wäre hier ein Umzug zum Wohnort des Kindes, selbstverständlich am besten das Zusammenziehen.

Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte. Falls Sie weitere Fragen haben, empfehle ich eine individuelle Beratung bei einer Familienberatungsstelle eines freien Trägers. Die helfen Ihnen weiter.

Mit besten Grüßen

Jessica Tatti

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