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Jens Koeppen
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Frage von Arvid R. •

Frage an Jens Koeppen von Arvid R. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Hr. Koeppen,

das CETA Abkommen liegt in Vertragsform nun in gewisser Weise öffentlich vor. Aus dem Vertragtext lassen sich für das Gemeinwohl gravierende Einschnitte ableiten, u.a. dass:
• Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken müssen Finanzkonzernen zum Kauf angeboten werden; eine Ausrichtung an der Gemeinnützigkeit ist Vertragsbruch.
• Wo Feuerwehr, Rettungswesen, Gesundheitsversorgung, Wasser- und Stadtwerke, Justizvollzug, Schwimmbäder, Theater, Müllentsorgung oder Recyclingsysteme als kommunale Dienstleistung betrieben werden, kann eine Privatisierung eingeklagt werden.
• Privatunternehmen dürfen nicht mehr rekommunalisiert werden
• Wer eine Volkshochschule subventioniert, muss ausländische Bildungsanbieter ebenso bezuschussen.
• Verbesserungen in Tierschutz, Umweltgesetzgebung oder der Kennzeichnung von genmanipulierten oder mit Chlor behandelten Nahrungsmitteln sind als Handelshemmnisse“ anfechtbar.
• Das Investitionsschutzkapitel von CETA erlaubt kanadischen Konzernen, europäische Staaten auf Schadensersatz zu verklagen, wenn demokratische Entscheidungen ihren Geschäftsinteressen zuwiderlaufen. Wenn steuerliche Regelungen oder kommunale Gebühren einen Investor hart treffen, kann er dagegen klagen.

Ich möchte gern von Ihnen wissen:
- ob Sie sich detailliert mit dem Abkommenstext vertraut gemacht haben?
- ob Sie die oben benannten Probleme die aus CETA dem Gemeinwohl entstehen würden, abseits der Vereinheitlichung der PKW Blinkergrößen, Schalter Normung etc., ebenso sehen?
- Ob Sie bei einer Bundestagsabstimmung das Abkommen wegen den oben genannten Punkten ablehen, bzw. nachverhandeln würden?

Als Kenner der Region, Ihres Wahlkreises (Sparkassen, Feuerwehr, Mittelständischer Unternehmer, kommunale Betriebe) müßte Ihnen sicherlich an der Stärung dieser Strukturen gelegen sein. Auch die Rekommunalisierung spielt im Energiebereich eine große Rolle um die Einnahmen der Kommunen auf bessere Füße zu stellen und regionale Wertschöpfung zu generieren.

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Sehr geehrter Herr Rückert,

Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in der EU und drittgrößter Exporteur weltweit. Der Anteil der Exporte am deutschen Bruttoinlandsprodukt ("Exportquote") liegt bei rund 50 Prozent. Die deutschen Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen betrugen im Jahr 2014 1,326 Billionen Euro. Jeder vierte Arbeitsplatz hängt in Deutschland unmittelbar am Export. Gerade von den kleinen und mittleren Unternehmen sind 58 Prozent im Exportgeschäft tätig.

Keine andere Wirtschaftsnation hat wie Deutschland 1 500 Hidden Champions, also mittelständische Weltmarktführer. Für diese Mittelständler ergeben sich durch Freihandelsabkommen wie CETA (oder TTIP) besondere Vorteile, weil sich diese kleinen Mittelständler nicht wie Großunternehmen Dependancen im Ausland, zum Beispiel in Kanada, leisten können. Sie sind vielmehr darauf angewiesen, dass sie keine Mehrkosten durch Doppelzertifizierungen haben, dass sie also nur einmal auf der Basis von einheitlichen Standards zertifizieren müssen, um auf dem transatlantischen Markt erfolgreich sein zu können. Unsere deutschen Unternehmen sind vielfach genau in den Sektoren aktiv, die durch CETA besonders profitieren. Fahrzeugproduktion, Maschinenbau, Pharmaindustrie, Elektroindustrie – Produkte all dieser Branchen haben 2014 rund 70 Prozent der deutschen Exporte nach Kanada ausgemacht.

Mit den genannten Zahlen möchte ich Ihnen verdeutlichen, dass der freie weltweite Handel mit Waren und Dienstleistungen für Europa nicht nur wünschenswert ist, sondern eine Grundvoraussetzung für unsere wirtschaftliche Prosperität ist und dem Erhalt von Lebensqualität, hohen sozialen Standards und kultureller Vielfalt in der EU dient. Besonders für den Mittelstand bei uns in Deutschland bedeutet CETA eine große Chance.

Das zwischen der EU und Kanada geplante Handelsabkommen wird zu keiner vollständigen Liberalisierung von Dienstleistungen führen. Die EU und Deutschland behalten den Spielraum, Maßnahmen zur Gestaltung, Organisation und Regulierung der Daseinsvorsorge insbesondere in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Soziales, Umwelt (u. a. Wasser), Kultur und Medien aufrecht zu erhalten und auch zukünftig zu ergreifen. Auch können bestehende Maßnahmen, wie die öffentliche Bezuschussung gemeinnütziger freier Träger, nicht mit Investitionsschutzbestimmungen angegriffen werden.
Der internationale Handel und grenzüberschreitende Investitionen unterliegen umfassenden multilateralen und bilateralen Handels- und Investitionsschutzregeln, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ständig weiter entwickelt wurden und weiterhin modifiziert werden.

Die EU befindet sich in laufenden Verhandlungen unter anderem zum Abschluss der so genannten Doha-Welthandelsrunde zwischen den Mitgliedern der Welthandelsorganisation ("World Trade Organisation"/WTO), zu einem internationalen Abkommen für den Dienstleistungshandel ("Trade in Services Agreement"/TiSA, welches auf dem bestehenden "General Agreement on Trade in Services"/GATS aufbauen soll) sowie zu bilateralen Abkommen etwa zwischen der EU und Kanada ("Comprehensive Economic and Trade Agreement"/CETA) sowie zwischen der EU und den USA ("Transatlantic Trade and Investment Partnership"/TTIP).

Für die Regelung der internationalen Handelspolitik der EU-Mitgliedstaaten ist nach den EU-Verträgen seit Jahrzehnten die EU zuständig. Die EU Kommission führt internationale Verhandlungen, sie stimmt sich hierzu laufend in einem beratenden Ausschuss mit den EU-Mitgliedstaaten ab. Handels- und Investitionsabkommen, die Zuständigkeiten sowohl der EU als auch Zuständigkeiten der EU-Mitgliedstaaten betreffen (so genannte gemischte Abkommen), bedürfen der Ratifizierung auch der nationalen Parlamente in der EU, also auch des Deutschen Bundestages.

Freihandelsabkommen wie CETA oder TTIP schaffen Wachstum und Beschäftigung aufseiten beider Handelspartner und sollen den Marktzugang durch den Abbau tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse im gegenseitigen Einvernehmen verbessern. Normen sollen aber nur dort angeglichen oder vereinheitlicht werden, wo dies bei gleichem Schutzniveau für Bürgerinnen und Bürger möglich ist.

Nutzen wir als Europäer unsere Chance nicht, so werden andere Länder die Standards der Zukunft setzen – dann aber ohne jede Einflussmöglichkeit für Europa oder Deutschland.

Mit besten Grüßen

Jens Koeppen MdB

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