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Jan Mücke
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Frage von Matthias S. •

Frage an Jan Mücke von Matthias S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Mücke,

im Artikel 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist zu lesen:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Wie ist dieser Artikel mit der Tatsache in Übereinklang zu bringen, dass es nach dem Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung dem Staat erlaubt ist zum Beispiel elektronische Kommunikationsdaten aus Arztpraxen zu speichern, die von Geistlichen oder von Abgeordneten nicht?

Ich persönlich lehne jede Speicherung von Kommunikationsdaten auf Vorrat zum späteren Gebrauch ab.
Ich bin der Auffassung, dass allein schon die Tatsache, dass man sich zukünftig nicht mehr sicher sein kann, wer was wann protokolliert einen erheblichen Eingriff in meine persönliche Freiheit darstellt - unabhängig davon, dass man als Arzt schon seine Schweigepflicht nicht mehr garantieren kann.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Schreiber

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schreiber,

auch ich lehne wie die gesamte FDP-Bundestagsfraktion die Vorratsdatenspeicherung ab. Künftig sollen alle Dienstleister im Bereich der Telekommunikation sämtliche Verkehrsdaten speichern, d.h. sämtliche Telefonverbindungen werden verdachts- und anlassunabhängig gespeichert, im Bereich des Mobilfunks sogar der Standort. Mir ist es persönlich genau wie Ihnen unangenehm, wenn ich künftig bei jeder SMS weiß, dass der Inhalt samt Aufenthaltsort protokolliert wird. Zu Recht weisen Sie auch auf die Problematik bei Berufen mit besonderem Vertrauensverhältnis, wie beispielsweise dem Arztberuf, hin.

Bei der verfassungsrechtlichen Einschätzung teile ich Ihre Bedenken, insbesondere in Bezug auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Es leitet sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Artikels 2 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde gemäß Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz ab. Das Bundesverfassungsgericht hat 2006 bezüglich der verfassungswidrigen verdachtslosen Rasterfahndung 2006 festgestellt:
"Grundrechtseingriffe, die sowohl durch Verdachtslosigkeit als auch durch eine große Streubreite gekennzeichnet sind -bei denen also zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen sind, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben - weisen grundsätzlich eine hohe Eingriffsintensität auf. Denn der Einzelne ist in seiner grundrechtlichen Freiheit umso intensiver betroffen, je weniger er selbst für einen staatlichen Eingriff Anlass gegeben hat."

Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Karlsruhe diese Regelung im Lichte seiner früheren Rechtsprechung äußerst kritisch betrachten wird. Wie Sie bin ich der Meinung, dass die geplante verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung verfassungsrechtlich höchst problematisch ist. Mein Fraktionskollege Jürgen Koppelin hat daher kürzlich auch als erster Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen eingelegt. Ich unterstütze ihn bei seinen Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen, verbunden mit den besten Wünschen für ein frohes Fest verbleibt

Jan Mücke