Sehr geehrter Herr Bundesminister Heil, warum werden Bürgergeldempfänger, die eine Arbeitsaufnahme vollziehen können, durch das Zuflussprinzip zu Zwangsschuldnern gemacht?
Das Zuflussprinzip besagt, wie Sie wissen, das jegliches Vermögen, welches in einem Monat erfolgt, berücksichtigt wird. Das beißt sich mit der Realität/der Lebenswirklichkeit, wenn man endlich eine Arbeit aufgenommen hat, und sich im ersten Monat befindet. Es ist eine absolute Ungleichbehandlung und gegen die Würde, eine benötigte Sozialleistung zurückzahlen zu müssen, wenn Anfang des Monats der Lebensbedarf noch nicht gedeckt werden kann, und das erste Gehalt, zum Ende des Monats hin, für die Folgewochen benötigt werden. Wie kann hier diese Ungerechtigkeit per Gesetz entstanden sein, die Arbeitsaufnahme so zu bestrafen, und jemanden, der wie Viele nicht im hohen Einkommensbereich ist, zum Schuldner zu machen, und benötigte Leistungen zurückzuzahlen zu lassen? Hätte ich keine Arbeit aufgenommen, hätte ich jetzt keine Schulden, wo ist da die Logik und Gerechtigkeit, dass Sie als Gesetzgeber die dann ehemaligen Bürgergeldempfänger so im ersten Monat behandeln?

Sehr geehrter Herr F.
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf Sicherung des Existenzminiums, wenn sie hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sicherstellen kann. Der Gesetzgeber musste festlegen, zu welchem Monat das Einkommen zugeordnet wird, und hat sich für den Zuflussmonat entschieden. Das hat Vor- und Nachteile.
Bei einer Arbeitsaufnahme wird der Arbeitslohn üblicherweise erst am Ende des Monats gezahlt. Im Falle des Zuflusses von bedarfsdeckenden Einkommen am Monatsende besteht dann kein Anspruch auf Bürgergeld in diesem Monat. Sofern beim Übergang vom Bürgergeld in eine bedarfsdeckende Beschäftigung, die Hilfebedürftigkeit durch den zu erwartenden Zufluss von Arbeitseinkommen am Monatsende entfällt, gibt es Überbrückungs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Hierzu zählt insbesondere die Möglichkeit, ein zinsloses Darlehen zu beantragen. Zahlt das Jobcenter für den ersten Monat der Arbeitsaufnahme Bürgergeld weiter und kommt es bei bedarfsdeckendem Zufluss von Arbeitseinkommen zu einer Überzahlung, sieht das SGB II zur Vermeidung von Härten und finanzieller Überforderung vor, dass die Überzahlung in monatlichen Raten in Höhe von zehn Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zurückerstattet wird, § 40 Abs. 10 SGB II.
Eine Berücksichtigung des Einkommens erst im Folgemonat würde ebenfalls keine Probleme lösen, sondern eher Probleme verschieben bzw. neue schaffen. Würde man das Einkommen erst im Folgemonat anrechnen, würden die Leistungsberechtigten nach Beendigung einer Beschäftigung oft überhaupt keinen Leistungsanspruch haben, weil man noch den Verdienst aus dem Vormonat berücksichtigen würde.
Ich denke, auch das würden viele Menschen als ungerecht empfinden.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil, MdB