Gehen die Preise wirklich runter, wenn die Inflation nur noch bei 1,9 prozent liegt?
Sehr geehrter Herr Heil, sie haben heute gesagt, dass das Bürgergeld erhöht wird, wenn die Preise steigen (wie es auch in der Vergangenheit passiert sei) und es in Richtung Nullrunde geht, wenn die Preise runte gehen. Haben sie sich versprochen und meinten, dass auf eine Bürgergeldanpassung verzichtet werden muss, wenn die Preissteigerungen nicht mehr so arg sind? Oder wie war der Satz zu verstehen? Bei einer Inflation von 1,9 prozent, fallen die Preise ja nicht, oder? Habe ich in deutschlandfunk der Tag von ihnen gehört. Falls sie antworten können, bedanke ich mich schon im voraus vielmals. Viele Grüße aus Marburg

Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Gerne erläutere ich meine Aussage im Deutschlandfunk:
Die Fortschreibung der Regelbedarfe erfolgt auf Grundlage von Daten des Statistischen Bundesamts zur Preis- und Lohnentwicklung. Dabei ist zu beachten, dass für die Fortschreibung der Regelbedarfe ausschließlich die regelbedarfsrelevante Preissteigerungsrate herangezogen wird, nicht aber der in der Öffentlichkeit bekannte allgemeine Verbraucherpreisindex (sogenannte Inflationsrate). Die regelbedarfsrelevante Preissteigerungsrate umfasst die Preisentwicklung derjenigen Güter und Dienstleistungen, die bei der gesetzlichen Ermittlung der Regelbedarfe für deren Höhe berücksichtigt worden sind.
Mit Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2023 wurde die bisher geltende Regelung zur Fortschreibung der Regelbedarfe anhand der Preis- und Lohnentwicklung (sogenannte Basisfortschreibung) um einen zusätzlichen Berechnungsschritt ergänzt. In diesem Schritt wird der sich ergebende Betrag aus der Basisfortschreibung nochmals anhand der aktuellen Entwicklung regelbedarfsrelevanter Preise erhöht. Mithilfe dieser ergänzenden Fortschreibung sollen die leistungsbeziehenden Haushalte besser auf künftige unterjährige Preissteigerungen bis zur nächsten Fortschreibung reagieren können. Vereinfacht ausgedrückt wird mit dem ergänzenden Fortschreibungsschritt die aktuelle Preisentwicklung für die Zukunft zusätzlich berücksichtigt. Auf Grund der starken Inflation führte der neue Fortschreibungsmechanismus dazu, dass es in den Jahren 2023 und 2024 zu sehr deutlichen Erhöhungen der Regelbedarfe gekommen ist.
Ohne diesen zusätzlichen Fortschreibungsschritt würde bspw. der Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 in diesem Jahr nur 512 Euro betragen. Tatsächlich beträgt der geltende Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 jedoch 563 Euro. Denn in der ergänzenden Fortschreibung zum 1. Januar 2024 wurde auf Basis der im letzten Jahr vergleichsweise hohen Entwicklung regelbedarfsrelevanter Preise eine Preissteigerung innerhalb dieses Jahres von 9,9 Prozent unterstellt. Im Ergebnis wurde der sich eigentlich ergebende Betrag von 512 Euro somit zusätzlich um 9,9 Prozent bzw. 51 Euro auf 563 Euro zum 1. Januar 2024 erhöht.
Die tatsächliche Entwicklung der regelbedarfsrelevanten Preise liegt im Jahr 2024 jedoch deutlich niedriger, als rechnerisch unterstellt. Weil der zweite Fortschreibungsschritt durch die tatsächlichen Entwicklungen abgelöst wird, kann er bei weiteren Fortschreibungen nicht berücksichtigt werden.
Deshalb ergibt sich ausgehend von den 512 Euro im Ergebnis der Fortschreibung zum 1. Januar 2025 aus beiden nun vorzunehmenden Fortschreibungsschritten für die Regelbedarfsstufe 1 lediglich ein Betrag von 539 Euro. Die beiden Fortschreibungsschritte zum 1. Januar 2025 können die Erhöhung um 9,9 Prozent aus der ergänzenden Fortschreibung zum 1. Januar 2024 folglich nicht kompensieren. Im Gegenteil: Die Fortschreibung für das Jahr 2025 hätte rechnerisch ein Absinken der Regelbedarfe bewirkt, für die Regelbedarfsstufe 1 auf 539 Euro. Dies wird durch einen gesetzlichen Besitzschutz verhindert, so dass der Regalbedarf der Stufe 1 in 2025 weiterhin bei 563 Euro liegt.
Ich hoffe, ich konnte an dieser Stelle für Klarheit schaffen.
Mit freundlichen Grüßen zurück nach Marburg
Hubertus Heil, MdB