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Frage von André G. •

Frage an Herbert Schulz von André G. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Moin Moin,

ich stelle Ihnen einfach mal die Fragen, die ich anderen auch schon gestellt habe.

Die Initiative "Wir wollen lernen" hat mittels Medien und sehr fragwürdigen Methoden die Schulreformen ausgebremst. Diese haben sich ja nun auch noch in einer Partei formiert und wollen so altbackene Systeme aufrecht erhalten.

Die Finnen schneiden in der PISA Studie am besten ab, weil a)Lehrer Anwärter eine Tauglichkeitprüfung** machen müssen und b)das Schulsystem viel mehr auf die Schülerwünsche abgestimmt ist. Vielleicht kennen Sie das Schulsystem, denn der SPD Ansatz klingt ähnlich. In wieweit ist hier eine Annährung möglich, da diese System dem deutschen bei weitem Überlegen ist, sollten wir es da nicht adaptieren? Eignungstests sind bei jeder Arbeitsstelle normal, warum nicht bei Lehrern? In Elmshorn gibt es eine ganz ähnliche Schule, die nach Finischen Modell arbeitet, dadurch werden Schüler deutlich Leistungsstärker und Eltern entlastet.Auch die dort Arbeitenden Lehrer sind viel entspannter...

**Die Tauglichkeitsprüfung beinhaltet Aufnahmetests und Vorstellungsgespräche, in denen die Karakterliche Eignung festgestellt werden soll.Hierbei hat Finnland es geschafft, nur noch hochmotivierte Studenten und auch Lehrer zu bekommen.

Ich Zitiere hier einmal von einer Webseite die zum finnischen Schulsystem schreibt: Die beliebten Studienplätze für ein Lehramtsstudium sind recht rar und in jedem Fall muss sich jeder Bewerber einer Eignungsprüfung unterziehen, in der es vorrangig um soziale und kommunikative, weniger um fachwissenschaftliche Aspekte geht. Einmal aufgenommen, erwarten Lehramtsstudenten in Finnland eine sehr Praxis orientierte, lebensweltliche Ausbildung. In Finnland wird davon ausgegangen, dass zuerst die „Realität Schule“ erfahren werden muss, und dann Theorien entstehen können, nicht umgekehrt.

Auf eine Antwort freue ich mich

Gruß

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Großer,

ich komme leider erst jetzt dazu, ihre Frage zu beantworten. Sie beziehen sich auf das finnische Modell, das tun wir auch (unter anderem).

Zum ersten Punkt der Eignungsprüfung für LehrerInnen bin ich skeptisch. Was für ein kleines Land wie Finnland prktikabel sein mag, ist für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland noch lange nicht. Was sie beschreiben zeigt jedoch, dass der Beruf Lehrer in Finnland ein viel höheres Ansehen genießt. Nach dem Motto: Für unsere Kinder sind uns die Besten gerade gut genug. Diese Einstellung bräuchten wir auch. Doch hier ist eher das Gegenteil der Fall, das ist jedenfalls mein Eindruck, manchmal. Nach meiner Erfahrung, und ich komme selbst aus dem Bildungsbereich, ist nicht die mangelnde Motivation der Lehrerschaft das Problem, sondern das der immer weiter getriebenen Belastung mit der Folge, dass viele Lehrkräfte nicht ein ganzes Berufsleben durchhalten können und das burn-out Syndrom allgegenwärtig ist. Das Hamburger Lehrerarbeitszeitmodell steht beispielhaft für diesen Mißstand. Und das alles mögliche von den Lehrkräften gefordert wird, aber die materiellen Voraussetzungen angesichts einer chronischen Unterfinanzierung des Bildungswesens nicht zur Verfügung gestellt werden.

Der meiner Meinung nach ins Auge springende Unterschied ist der konsequent inklusive Ansatz des finnischen Modells, oder anders gesagt, die auf Auslese gerichtete Selektivität auf der Grundlage fragwürdiger Standards, das ist die deutsche Krankheit im Bereich des Bildungswesens. Dass das mit europäischen Standards nichts zu tun hat, ist ja auch allgemein bekannt. Ebenso der enge Zusammenhang von sozialer Herkunft und Schulerfolg. Das zu ändern, hat sehr viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Deshalb bleiben wir trotz der sehr kleinen und trotzdem gescheiterten äußeren Schulreform in Hamburg bei unserem Ansatz der Einen Schule für alle.

Unter den nun mal nach der gescheiterten Schulreform gegebenen Bedingungen muß die innere Reform weitergehen, was den von Ihnen angesprochenen Aspekt der individuellen Förderung und Eingehen auf die Schülerwünsche direkt betrifft. Was das heißt, kann ich sehr gut beurteilen, denn meine Tochter hatte das Glück, in der Grundschule einen Lehrer zu haben, der offenen Unterricht praktizierte, und das hat ihr und den anderen Schülerinnen und Schülern sehr gut getan, und ich weiß, dass dieses Prinzip in den Schulen, nicht nur den Grundschulen und in der Lehrerschaft immer weiterentwickelt wird. Aber dafür brauchen wir kleinere Klassen und die konsequente Abschaffung aller Auslesinstrumente wie Abschulen, Schullaufbahnempfehlungen und Zensuren, um nur einige Aspekte zu nennen. Und die Stadtteilschule darf nicht zur Restschule verkommen, sondern bedarf besonderer Förderung. darauf wird unsere Fraktion in der kommenden Bürgerschaft besonders achten. Ich kann Ihnen versichern, die schulpolitische Sprecherin und amtierende Fraktionsvorsitzende, Dora Heyenn, wird da aufpassen wie ein Schießhund. Und das Hohe Lied des Gymnasiums werden wir auch in Zukunft nicht singen. Zu den gegenwärtigen Zuständen in Hamburger Schulen ließe sich noch eine Menge sagen, aber damit möchte ich es erst einmal bewenden lassen.

Mit freundlichem Gruß
Herbert Schulz