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Herbert Mertin
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Frage von Herbert S. •

Frage an Herbert Mertin von Herbert S. bezüglich Umwelt

Würden Sie mir bitte die Pros und Contras für die Laufzeitverlängerung der AKW auflisten.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schunk,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gern beantworte. Die Frage der Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken liegt nach Auffassung der FDP in der alleinigen Kompetenz des Bundes. Derzeit nehmen die Länder die Atomaufsicht als Auftragsangelegenheit des Bundes wahr.

Da im Rahmen der beschlossenen Laufzeitverlängerung neue Kernkraftwerke weiterhin nicht gebaut werden dürfen, und da sich außer dem stillgelegten Kraftwerk in Mülheim-Kärlich in Rheinland-Pfalz selbst keine zur Energiegewinnung genutzten Kernkraftanlagen befinden, ist die Landespolitik in Rheinland-Pfalz im Gegensatz zu anderen Bundesländern nur in geringem Maße mit der Kernenergie befasst. Dennoch ist die Kernenergie auch für die Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer aufgrund der Kraftwerke in benachbarten Ländern und Bundesländern natürlich sehr wohl ein Thema, bei dem es gilt, die Sorgen und Nöte der Bevölkerung ernst zu nehmen und auf sachlicher Grundlage zu informieren.

Die FDP sieht in der zeitweiligen Weiternutzung der Kernenergie bundesweit vor allem die Chance, bei gleichzeitiger Reduzierung der CO²-Emissionen den Weg in eine erneuerbare Zukunft zu sichern und für die Bürger bezahlbar zu halten. Die Diskussion um die Förderung der Photovoltaik zeigt, dass die Stromkunden auf Dauer nicht bereit sind, immer mehr Subventionen über den Strompreis in eigentlich noch nicht rentable Technologien zu leiten.

Die erneuerbaren Energien sind in der heutigen Situation noch nicht in der Lage, jederzeitige Versorgungssicherheit zu garantieren. Menschen benötigen aber elektrischen Strom, wenn Sie eine Lampe oder ein Gerät einschalten, auch wenn draußen gerade kein Wind weht, oder die Sonne nicht scheint. Speicherkraftwerke stehen noch nicht in ausreichendem Maße bereit, neue Konzepte für die effiziente Zwischenspeicherung von elektrischer Energie sind noch im Entwicklungsstadium, bzw. müssen erst flächendeckend realisiert werden.

Oft wird behauptet, ein kompletter Umstieg auf erneuerbare Energien sei bereits heute theoretisch möglich. Dabei wird aber vergessen, dass diese Theorie in der Praxis ganz erhebliche Kosten verursachen müsste. Bis zu 50% der heute verbrauchten Primärenergie sollen im Wege der energetischen Sanierung eingespart werden können, wobei jedoch meist unklar gelassen wird, wer denn die erheblichen Kosten hierfür tragen soll. Kaum ein Eigentümer verfügt über die Mittel hierzu, und eine Umlage auf Mieten würde den Wohnraum auch in Rheinland-Pfalz drastisch verteuern, wäre also gleichermaßen unbedacht.

Aus diesem Grund dient die Kernenergie insoweit als Brückentechnologie und hilft, Versorgungslücken zu schließen und erleichtert zudem den Verzicht auf ansonsten notwendige, neue Großkraftwerke, die Kohle oder Gas verwenden müssten.

Die oft kolportierte Annahme, dass der Strom aus Kernkraftanlagen die Netze für Strom aus erneuerbaren Energien quasi "verstopfe" ist im Übrigen unzutreffend. Der gesetzlich normierte Vorrang für EEG-Strom gilt auch im Rahmen der Laufzeitverlängerung unverändert weiter.

Ein immer schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien stellt nämlich auch unsere Stromnetze vor neue Herausforderungen. Dies gilt - gegenläufig zur bundesweiten Wahrnehmung - nicht nur für große Überlandleitungen mit hoher Kapazität, sondern gerade auch für die lokalen Versorgungsnetze unserer kommunalen Stromversorger. Wo Elektrizität nicht nur in eine Richtung fließt, sondern immer mehr Windkraftanlagen, Photovoltaikanlagen auf Haus- und Hallendächern, dezentrale Kleinkraftwerke etc. Strom generieren, für den seitens der Energieversorger gesetzliche Abnahmepflicht besteht, erreichen die örtlichen Netze bereits heute schon ihre technischen Grenzen und müssen dringend ausgebaut werden.

Dieser Ausbau der Netze auf allen Ebenen benötigt jedoch Zeit. Auch hier hilft die Kernenergie als Brückentechnologie dabei, die Versorgung zu gewährleisten, bis die neuen, smarten Netze bereit sind, dezentrale Versorgungskonzepte sicher zu tragen.

Zugleich hilft der Weiterbetrieb der bereits voll finanziell abgeschriebenen Kernanlagen auch direkt bei der Finanzierung des Ausbaus erneuerbarer Energien, der energetischen Sanierung und dem Ausbau der Netze. Mittel aus der Brennelementesteuer und vertraglichen Vereinbarungen zur Gewinnabschöpfung sorgen für eine bessere Verträglichkeit der Energiewende für die Verbraucherinnen und Verbraucher, indem sinnvolle Maßnahmen gefördert werden können.

Die deutschen Kernanlagen gehören weltweit zu den sichersten Anlagen überhaupt. Die Sicherheitsstandards zur effektiven Verhinderung einer Gefährdung der Bevölkerung sind streng, sowohl, was den Bau und Betrieb von Anlagen nach dem jeweils gültigen Stand der Technik betrifft, als auch die Verpflichtung zur sicherheitsfördernden Nachrüstung von Kernkraftwerken nach neuesten Erkenntnissen. Katastrophale Unfälle, wie beispielsweise das Unglück von Tschernobyl, sind aufgrund der baulichen Unterschiede deutscher Reaktortypen und den hohen Standards, die in der Sowjetunion seinerseits bewusst umgangen wurden, praktisch ausgeschlossen.

Eine Erkundung von Endlagerstätten ist in der Tat nach wie vor nicht abschließend erfolgt. Allerdings muss auch für die bislang durch den Betrieb der Kernanlagen angefallenen Mengen an radioaktiven Abfällen ohnehin eine vertretbare Lösung gefunden werden. Ein Verzicht auf die Laufzeitverlängerung würde also die ungelöste Endlagerfrage auch nicht entschärfen.

Mit freundlichen Grüßen

Herbert Mertin

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