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Frage von Lilo M. •

Frage an Harald Graaf von Lilo M. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Graaf!

Auf der Website Ihrer Partei plädieren Sie für die Wiederaufnahme der Vorklassen. Viele Eltern und Pädagogen würden dies begrüßen . Können Sie mir bitte erklären, in welcher Form Vorklassenleiter jetzt im Schulbetrieb eingesetzt werden?

Meine 2. Frage ist:
Wie stehen Sie zur Effizienz der Sprachförderkurse in der Schuleingangphase. Ich las, dass Sie auf diesem Gebiet sehr kompetent sind.

Freundliche Grüße,
Lilo Mildebrath-Büttner

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Antwort von
Bildungspartei

Sehr geehrte Frau Mildebrath-Büttner!

Vielen Dank für Ihre Fragen. Ich beantworte diese gern.

1) Die Vorklassen - eine Institution, die sich über Jahrzehnte bewährt hat - wurden 2005 von der Regierungskoalition aus dem Berliner Schulsystem entfernt. Hierfür gibt es lediglich finanzielle Gründe. Eine pädagogische oder soziale Argumentation sucht man vergebens.
Die VorklassenleiterInnen, die in großer Anzahl neben ihrer Vorschulausbildung zahlreiche Zusatzausbildungen nachweisen können, werden trotz aller Bekundungen über ihre wertvolle Arbeit weiterhin zu Tätigkeiten herangezogen, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen, wie z.B.: Beaufsichtigung der Kinder in der VHG, Begleitung zum Schwimmen und auf dem Weg zum Hort, Essensaufsicht, aber auch VHG-Vertretung von Unterrichtsstunden, was m.E. den Unterrichtsausfall verdeckt. In den wenigsten Fällen werden VKL so wie vorgesehen und versprochen, mit in die Schulanfangsphase als Unterstützung der LehrerInnen eingebunden z.B. für Fördermaßnahmen.. Noch immer schwimmen die Vkl in einem luftleeren Raum ohne einen fest umrissenen Arbeitsauftrag. Laut Vertrag sind fast alle noch als Vkl angestellt. Das Argument, die Wiedereinführung der Vorklassen hätte hohe Personalkosten zur Folge, kann so nicht gelten: Das Personal ist da. Die Ressourcen werden nur nicht genutzt. Die Kompetenzen und das Wissen der Vkl liegen brach. Die Kinder können davon nicht mehr profitieren. Und das, obwohl alle Grundschulen beklagen, dass die dringend notwendige – und vom Senat als Priorität propagierte - individuelle Förderung zu den gegebenen Bedingungen nicht leistbar ist.

Seit gestern berichten die Medien, dass auch FDP und CDU sich nach der Bildungspartei für die Wiedereinführung der Vorklassen an der Berliner Grundschule aussprechen.

2) Sprachförderung: Im 2. Halbjahr des vergangenen Schuljahrs habe ich einen Sprachförderkurs für zukünftige Schulanfänger geleitet. Es waren 13 Kinder aus unterschiedlichen Grundschulen des Bezirks meinem Kurs zugewiesen, von denen 11 Kinder mehr oder weniger regelmäßig erschienen. Sie stammen aus der Türkei, Polen, Mazedonien, Korea, Pakistan und Bosnien -aber auch aus Deutschland. Die Kinder nicht deutscher Herkunft hatten keine bzw. nur geringe deutsche Sprachkenntnisse, während bei den deutschen Kindern Sprachbehinderungen im Vordergrund standen. Die Kinder wurden zur Teilnahme am Vorkurs verpflichtet, weil sie einen zur Schulanmeldung durchgeführten Sprachtest („Deutsch Plus“) nicht bestanden hatten. Die Kinder haben nun für 5 Monate täglich 3 Stunden Sprachförderung erhalten. Selbstverständlich haben sie in der kleinen Gruppe schnell und gut lernen können - auch von einander. Und dies in einer ruhigen und aufgelockerten Atmosphäre im Wechsel von Lernen, Spiel und Bewegung (vorschulische Arbeit mit der Priorität Sprachförderung).

Es war sehr schön mit anzuschauen, wie die Kinder das Gelernte umsetzten, indem sie sich z.B. gegenseitig die Spielregeln auf Deutsch erklärten und sich auch in der Arbeit über die deutsche Sprache unterstützten. Bei den Eltern hat das dazu geführt, dass sich einige von ihnen nun auch für einen Deutschkurs anmelden wollen, damit sie sich mit ihren Kindern auch in der deutschen Sprache verständigen können.

Es sind aber eben nicht nur Sprachprobleme, die die Kinder mitbringen. Vielmehr liegen zusätzlich Auffälligkeiten in der emotional-sozialen Entwicklung, in der Wahrnehmung und Konzentration, in der Fein- und Grobmotorik vor. Auch hier muss eine individuelle Förderung erfolgen, und somit wird die ohnehin knapp bemessene Zeit für die Sprachförderung weiter reduziert.

Der Vorkurs ist eine gute Vorbereitung als Einstieg in die Schulanfangsphase. U.U. haben die Kinder aber durch die langen Sommerferien einige Dinge des zuvor Erlernten wieder vergessen. Wünschenswert wäre es, dass diese Kinder zumindest im ersten Schulhalbjahr in der SAPH weiter begleitet werden können und die Bezugsperson aus dem Vorkurs ihnen zur Seite steht.

Ich persönlich halte es für notwendig, die Vorklassen wieder einzuführen. Nur hier in einer Kleingruppe haben wir ausreichend Zeit die Kinder individuell ein Schuljahr lang
zu „unterrichten“ und zu fördern. Der „Deutsch Plus“-Test sollte zu Beginn der Vorschule durchgeführt und zur Kontrolle nach dem 1.Schulhalbjahr wiederholt werden.

Durch die Wiedereinführung der Vorklassen (Priorität Sprachförderung) als verbindliche Maßnahme (z.B. Klassenstufe 0) werden alle Kinder entsprechend ihren Fähigkeiten individuell gefördert und auf den Schulanfang vorbereitet. Das entlastet auch die LehrerInnen in der SAPH.

Die jetzige Situation in der SAPH, in der fast ausschließlich eine Lehrerin 28-30 Kinder in engen Klassenräumen individuell unterrichten und fördern soll, ist nicht tragbar und auch nicht leistbar. Damit die Kinder „vernünftig“ lernen können, müssen z.B. in der SAPH die Frequenzen auf höchtens 20 Kinder abgesenkt werden, LehrerInnenteams ermöglicht und die teils maroden Klassenräume instandgesetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Harald Graaf