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Hans-Jürgen Thies
CDU
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Frage von Corvin M. •

Frage an Hans-Jürgen Thies von Corvin M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Thies,
wie stehen sie zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe?

Sowohl die katholische als auch die evangelische kirche haben sich schockiert gezeigt. Stimmen Sie als Mitglied der CDU dieser christlichen Kritik zu?

Mir ist bewusst, dass der Deutsche Bundestag das Urteil akzeptieren muss, jedoch hat das Verfassungsgericht auch darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit einer Regulierung der Sterbehilfe besteht. Wie könnten solche Regeln für sie aussehen?

Viele Grüße
Corvin Minrath

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Minrath,

vielen Dank für Ihre Frage vom 1. März 2020 zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Verbots der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe.

Ich bedauere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020 sehr, welches das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe (§ 217 StGB) für nichtig und verfassungswidrig erklärte. Ich stehe hinter dem Vorhaben des Gesetzgebers, Formen von Sterbehilfe, die von dubiosen Vereinen - teilweise auch gegen Geldleistung - angeboten werden, zu verhindern.

Die Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) teilten in einer gemeinsamen Erklärung die Befürchtung, dass die Zulassung organisierter Angebote der Selbsttötung alte oder kranke Menschen auf subtile Weise unter Druck setzen kann, von derartigen Angeboten Gebrauch zu machen. Als Christ und CDU-Mitglied bin ich der Meinung, dass private Akteure kein Geschäft mit dem Tod machen dürfen und teile die Bedenken der Kirchen. Insbesondere wenn Anbieter von Sterbehilfe für ihre „Leistung“ finanziell entlohnt werden, besteht die Gefahr, dass sie im Eigeninteresse statt im Interesse der Hilfesuchenden beraten. Da sich viele Ärzte aufgrund ihrer Berufsethik daran gehindert sehen, eine Beratung zur Sterbehilfe anzubieten, werden Hilfesuchende aus Mangel an Alternativen in die Arme privater Suizidberatungen getrieben.

Hauptkritikpunkt des Bundesverfassungsgerichts war es, dass das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe eine „autonomiefeindliche Wirkung“ entfalte und daher nicht verfassungsgemäß sei: Es mache die Selbstbestimmung hinsichtlich eines frei gewählten Lebensendes unmöglich. Es mache es ferner dem Einzelnen faktisch weitgehend unmöglich, Suizidhilfe zu erhalten. Angesichts der existentiellen Bedeutung, die der Selbstbestimmung über das eigene Leben für die personale Identität, Individualität und Integrität zukomme, wiege der Eingriff besonders schwer. In seinem Urteil sah jedoch auch das BVerfG die Gefahr, dass durch geschäftsmäßige Suizidbeihilfe sozialer Druck entsteht, der besonders hilfsbedürftige Menschen zur Lebensbeendigung drängt und würdigte das gesetzgeberische Ansinnen, Selbsttötung nicht zum gesellschaftlichen Normalfall werden zu lassen.
Im Moment will die Bundesregierung das Sterbehilfe-Urteil zunächst prüfen und auswerten und erst danach über mögliche Maßnahmen entscheiden. Ziel des Gesetzgebers muss es sein, die Vorgaben des BVerfG zu beachten ohne den Lebensschutz zu vernachlässigen.

Sie haben mich nach meiner persönlichen Einschätzung einer zukünftigen Sterbehilferegulierung gefragt. Gerne möchte ich Ihnen meine Sichtweise darlegen! Dort, wo ein Verbot nicht mehr möglich ist, müssen zumindest Grenzen gezogen werden. So müssen statt dem für verfassungswidrig erklärten Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe nun verbindliche Standards für die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe festgelegt werden, die Fehlentwicklungen und Missbrauch verhindern. Gleichzeitig bedarf es Regelungen der ärztlichen Suizidbeihilfe, die Ärzten die Möglichkeit geben, suizidwilligen Patienten angemessen zu helfen. Um Alternativen zum Suizid zu fördern, sollte eine weitere Verbesserung von Palliativmedizin, Hospizarbeit und Suizidprävention auf den Weg gebracht werden.

Das Thema der Sterbehilfe ist kontrovers und von hoher verfassungsrechtlicher Relevanz. Die Selbstbestimmung und das daraus vom Bundesverfassungsgericht abgeleitete Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben sind zu gewährleisten, ohne dabei Hilfesuchende dem Gutdünken kommerzieller Anbieter auszuliefern.

Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Standpunkte etwas näher bringen konnte und bedanke mich für Ihr politisches Interesse, welches für eine lebendige Demokratie unerlässlich ist.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Jürgen Thies

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