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Hans-Joachim Otto
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Frage von Fabian S. •

Frage an Hans-Joachim Otto von Fabian S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Kollege Otto,

in meiner beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt erlebe ich zunehmend einen eklatanten Verfall der Rechtspflege.

1.)
Die Staatsanwaltschaft in Hessen etwa fertig "Anklagen", für die jeder Referendar verprügelt würde. Selbst mir, als Gelegenheits-Verteidiger, gelingt es regelmässig, diesen Pfusch -unabhängig von Schuld oder Unschuld des Mandanten- zusammenzuschießen. Ermittlungsverfahren (ohne Ladendiebstähle u.a.) dauern inzwischen selten weniger als zwei Jahre. Sach- und selbst Rechtskenntnisse sind bei der StA bestenfalls noch rudimentär vorhanden.

Ein (jetziger) Mandant von mir etwa wurde vor drei Jahren für mehr als ein Jahr inhaftiert. Nach einem Jahr stellte man bei der Justiz dann fest: Das hierfür notwendige Auslieferungsabkommen gibt es nicht. Um eine Entschädigung streitet er noch heute. Die Justiz meint, sie habe keinen Fehler gemacht, eine Entschädigung sei unnötig.

2.)
Prozesskostenhilfeanträge, etwa in Bausachen, werden, da lästige Rechtsstreite drohen, zunächst einmal abgelehnt, in der Hoffnung, der Antragsteller möge die Sache auf sich beruhen lassen. Dies führt dann regelmässig zu einem Umweg über die Obergerichte, welche die Akten dann doch einmal lesen.

3.)
Dies wird dann ergänzt durch maulige Kommentare der Landesjustizminister, denen die Prozeßkostenhilfe zu teuer wird. Dies ist insoweit erstaunlich, als einfachere und bessere Lösungen (etwa eine rein erfolgsabhängige Vergütung oder Vergütung aus der Staatskasse nur aus dem letztlich titulierten Betrag, statt aus dem formalen Streitwert) durchaus leicht umsetzbar wären.

Gibt es Hoffnung auf Besserung?

Immerhin haben es private Unternehmen geschafft, Ihre Verwaltungs-Mitarbeiter mit moderner EDV bei selber Leistung (mindestens) zu halbieren. Was spricht dagegen, dies mit der Justiz genauso zu tun? Bei gleicher Mitarbeiterzahl wäre dann die doppelte Leistungs-Kapazität vorhanden.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Fabian Sallmann
Rechtsanwalt

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Kollege Sallmann,

vielen Dank für Ihre Mail vom 27.02.09. Ganz grundsätzlich kann ich - auch vor dem Hintergrund, daß ich selbst in Frankfurt als Rechtsanwalt und Notar tätig bin - konstatieren: es gibt gute und erfolgreiche Juristen in allen Bereichen des Rechtswesens und es gibt weniger gute bzw. weniger erfolgreiche. Das ist meines Erachtens für sich genommen noch kein strukturelles oder politisches Problem. Schließlich handelt es sich dabei um ein Phänomen, das wir überall in der Gesellschaft antreffen, ob bei Handwerkern, Politikern oder gar bei Ärzten. Juristen stehen ja auch nicht "über den Dingen".

Ich stimme Ihnen allerdings zu, daß im Hinblick auf die Leistungen von Staatsanwälten ein hoher Standard gewährleistet sein sollte, denn eine funktionierende und kompetente Justiz ist ein Grundpfeiler für einen starken Rechtsstaat. Dazu soll nicht zuletzt die relativ komplexe und anspruchsvolle Juristen-Ausbildung beitragen. Sollte es hier strukturelle Defizite geben, sind in erster Linie die Justizprüfungsämter sowie die Universitäten gefragt.

Leider erlebe auch ich in der Praxis immer wieder, daß Verfahren und Prozesse durch bürokratische Vorgänge unnötig in die Länge gezogen werden. Auf der anderen Seite muß berücksichtigt werden, daß gerade der Wunsch nach möglichst objektiven und alle relevanten Fakten berücksichtigenden Verfahren gewisse zeitliche Ressourcen bindet. Die rechtstaatlich gebotene Möglichkeit von Rechtsmitteln kann Verfahren ebenfalls verlängern. Im übrigen darf auch nicht vergessen werden, daß die in Deutschland verbreitete Neigung, jedes kleinste Detail in Gesetzen zu regeln, das Rechtssystem in höchstem Maße beansprucht. Denken Sie etwa an die weltweit in ihre Komplexität einmalige Steuergesetzgebung.

Wenn ich auch Ihre doch recht weitreichende Kritik nicht vollständig teile, sehe ich trotzdem Verbesserungsmöglichkeiten. Diese sind zunächst von den Bundesländern zu forcieren. Ich bin gerade in Hessen guter Dinge, daß aus dem nunmehr vom FDP-Landesvorsitzenden Jörg-Uwe Hahn geleiteten Justizministerium gute Impulse hervorgehen werden. Dazu gehören möglicherweise auch die von Ihnen angesprochenen Effizienz-Steigerungen durch den Einsatz modernerer Informations- und (Tele-)Kommunikationstechnik.

Dennoch warne ich davor, Kostenreduktionen bei der Reformierung zum primären Ziel zu erklären oder sich in gesetzgeberischen Aktionismus zu flüchten. Die obersten Prinzipien für die FDP lauten Qualitätssicherung, Rechtssicherheit und faire Verfahren. Ich denke, daß das deutsche Rechtssystem vor diesem Hintergrund unter dem Strich gut abschneidet.

Ich werde davon unbenommen Ihre Impulse an meine hessische Kollegin Mechthild Dyckmans weitergeben, die in der FDP-Bundestagsfraktion für Justizpolitik zuständig ist. Ich hoffe, daß ich Ihr Anliegen damit ausreichend beantwortet habe und verbleibe

mit kollegialen Grüßen

Hans-Joachim Otto