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Halina Wawzyniak
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Frage von Delciza N. •

Frage an Halina Wawzyniak von Delciza N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Wawzyniak,

besteht die Gefahr, dass durch das Freihandelsabkommen TTIP der gesetzgeberische Spielraum der Deutschen Bundestagsabgeordneten in irgendeiner Weise eingeschränkt wird? Wenn ja, können Sie mir bitte ein Beispiel oder Beispiele nennen?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Naghiu,

ich danke Ihnen für Ihre Frage, bitte um Entschuldigung für die etwas späte Antwort und möchte Ihnen zu Ihrer Frage Folgendes schreiben:
Bei TTIP geht es um Geld und um Marktanteile. Und wie immer in solchen Fällen haben Unternehmensvertreter und Lobbyverbände exklusiven Zugang, können ihre Wunschlisten abarbeiten und genießen eine Art Sonderstatus. So war und ist es auch bei den TTIP-Verhandlungen. Diesen Status hat die Öffentlichkeit und haben die Parlamente nicht. Die Verhandlungen wurden im Geheimen geführt. Doch nicht nur das: Die USA haben der EU sogar verboten, US-Verhandlungspapiere an die EU-Mitgliedsstaaten zu geben. Wir Abgeordneten des Deutschen Bundestages wissen also nicht im Detail, was und worüber überhaupt verhandelt wurde. Und das Wenige, was wir wissen, dürfen wir den Menschen nicht mitteilen, weil wir uns sonst strafbar machen. Parlamente sind nicht mehr als Zaungäste und aufgefordert, am Ende den Vertrag brav abzunicken.
Dies ist sozusagen das Grundübel, die Entstehungsweise des Abkommens ist zutiefst undemokratisch. Die gewählten Volksvertretungen wurden von Beginn an ausgehebelt und missachtet. Träte TTIP in Kraft, setzte sich diese Degradierung der Parlamente fort, ihr Einfluss darauf, wie das Abkommen umgesetzt wird und wie Vorgaben eingehalten werden, ist gering. Das Primat der Politik wäre nicht gegeben.
Ist TTIP erst einmal unterzeichnet, gibt es kein Zurück. Die Parlamente der Europäischen Staaten, vor allem aber die Bürgerinnen und Bürger werden ein weiteres Stück ihrer Souveränität an undurchsichtige Institutionen abgegeben haben. Deren Zusammensetzung liest sich schon in der Planungsphase wie eine Interessensvertretung der Konzerne. Künftig sollen beispielsweise ausländische Investoren vor Schiedsstellen klagen können, wenn sie Gewinneinbußen durch Gesetzesänderungen befürchten. Bestens bezahlte Juristen aus Wirtschaftskanzleien werden über die Klagen befinden. Sie sind nicht unabhängig, sondern dienen den Konzernen, und sie werden uns auch keine Rechenschaft schuldig sein. Berufungsmöglichkeiten wird es nicht geben. Es wird um Milliarden an Entschädigungszahlungen gehen, die aus öffentlichen Geldern an Konzerne gezahlt werden. Auf der Strecke bleiben werden Vorschriften und Standards für Produktsicherheit, Arbeitsbedingungen werden sich verschlechtern, Umweltverträglichkeit von Produkten wird herabgesenkt oder gänzlich ausgehebelt, Kultur wird völlig dem freien Markt unterworfen, Bürger*innenbeteiligung wird noch mehr eingeschränkt. Dies scheint mir von allen großen Übeln auch das größte zu sein:
Einst demokratisch, in den Parlamenten beschlossene Maßnahmen, wie Umwelt-, Gesundheits- oder Sozialauflagen gelten den Konzernen als Handelshemmnisse. Und TTIP sorgt dafür, dass solche Hemmnisse beseitigt werden können. Freihandel heißt in diesem Abkommen, frei von öffentlicher Kontrolle, frei von demokratischer Mitbestimmung, unabhängig von demokratisch ausgehandelten Regeln des Anstands.

Freundliche Grüße
Halina Wawzyniak