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Frage von Bernd K. •

Frage an Günter Gloser von Bernd K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gloser!

Der Grundsatz, dass "gleiches Recht für alle" - und zwar jederzeit und überall - herrschen müsse, gehört zu den wichtigsten und gegen heftigste Widerstände erkämpften demokratischen Grundrechten.
Ich frage Sie deshalb, warum heutzutage ein aus dem Amt geschiedener Bundespräsident - im deutlichen Gegensatz zu jedem anderen Bürger - von Kürzungen seiner Bezüge völlig verschont bleibt - und das bis zum Lebensende und unabhängig davon, a) wie lange er dieses Amt wahrgenommen hat und b) welche repräsentativen Aufgaben er denn tatsächlich noch auf freiwilliger(!) Basis wahrnimmt. Zur Erinnerung: Auch andere ehemalige Politiker (Helmut Schmidt) und herausragende gesellschaftliche Persönlichkeiten sind ohne lebenslängliche Voll-Alimentierung öffentlich noch präsent, ohne irgendwelche Zeichen von Verarmung zu zeigen. Auch von 66% von 119.000€ Jahresgehalt wird jeder frühere Bundespräsident gut leben können.
Die Frage, warum der Bundespräsident angesichts seiner geringen Machtbasis überhaupt ein Präsidialamt mit dreistelliger Mitarbeiterzahl führen muss, sei hier nur am Rande gestellt, aber nicht vertieft. Wann wird es endlich eine Direktwahl geben?
In Göttingen sind vor kurzem drei erfahrene Sprengmeister des Kampfmittelbeseitigungsdienstes ums Leben gekommen, als sie einen gefährlichen Blindgänger aus dem Weltkrieg entschärfen wollten. Alle drei waren Familienväter.
Ist Ihnen bekannt, ob den Hinterbliebenen der im Dienst tödlich Verunglückten ebenfalls ein "Ehrensold" bezahlt werden wird wie dem ohne Not ausgeschiedenen Horst Köhler?
Oder wird man den Witwen und Kindern taggenau vorrechnen, welche Rentenansprüche die Familienväter bis zum Todestag erworben hatten und ihnen davon 75% + Waisengeld auszahlen - nach Recht und Gesetz?
Sollten wir jetzt nicht eine öffentliche Diskussion über die inhaltliche Füllung des Begriffs "Ehrensold" führen und wem welche Ehre wann gebührt?
Werden sich für Korrekturen am System einsetzen?
mfG
Bernd Koch

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Koch,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich in weiten Teilen eher als einen Diskussionsbeitrag verstehe. Meine Haltung zur Pensionsregelung habe ich ja schon in der Antwort auf die Frage von Herrn Bogatsch vom 27.07.2010 dargelegt.

Auf einige von Ihnen genannten Punkte möchte ich zusätzlich noch kurz eingehen. Was die Hinterbliebenen der von Ihnen erwähnten im Dienst verunglückten Sprengmeister angeht, so gehe ich selbstverständlich davon aus, dass diese eine angemessene Versorgung erhalten. Genauere Informationen dazu liegen mir aber nicht vor.

Sie haben auch die Mitarbeiterzahl des Bundespräsidialamtes erwähnt. Dabei handelt es sich ja keinesfalls um einen „Hofstaat“, der nur zum Vergnügen des Bundespräsidenten „gehalten“ wird. Vielmehr ist der Bundespräsident - auch wenn er zu Recht nicht über viel exekutive Macht verfügt - ein Verfassungsorgan. Er "repräsentiert" also keineswegs ausschließlich - was auf internationaler Ebene auch schon einen erheblichen Aufwand bedeutet, wie ich vier Jahre lang als Staatsminister im Auswärtigen Amt erleben durfte.

Der Bundespräsident prüft vielmehr z.B. jeden Gesetzestext vor seiner Unterschrift auf seine Übereinstimmung mit der Verfassung. Wäre den Bürgerinnen und Bürgern mehr gedient, wenn er das alleine oder nur mit einer Handvoll Mitarbeiter/innen tun würde? Ganz abgesehen davon wenden sich Tausende von Bürgern mit allen möglichen Anliegen an ihn. Alle diese Anfragen müssen anständig beantwortet bzw. an zuständige Behörden weitergeleitet werden. Die Bürger/innen erwarten vom Bundespräsidenten, wie ja bei Abgeordentenwatch.de von den Abgeordneten auch, ganz selbstverständlich eine zügige und korrekte Bearbeitung. Es liegt auf der Hand, dass dafür auch qualifizierte Mitarbeiter nötig sind.

Man sollte also eine Mitarbeiterzahl auch immer an den Aufgaben messen, die zu bewältigen sind und überlegen, was wäre, wenn die Mitarbeiter nicht da wären!

Zum Schluss noch einmal zur Direktwahl des Bundestagspräsidenten. Die aus der Erfahrung der Weimarer Republik abgeleitete Entscheidung der Väter und Mütter des Grundgesetzes, dem Staatsoberhaupt keine direkten Machtbefugnisse zu geben und ihn auch nicht direkt vom Volk legitimieren zu lassen, erscheint mir bis heute schlüssig.

Ich bin entschieden der Meinung: Die Bürgerinnen und Bürger sollten mehr direkten Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Durch mehr Engagement in Parteien, Interessenverbänden und Bürgerinitiativen, durch eine höhere Wahlbeteiligung und auch durch Teilnahme an Bürgerbefragungen und Bürgerentscheiden, wie es in vielen Bundesländern schon mit Erfolg geschieht.

Unser insgesamt gut funktionierendes politisches System sollte aber nicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden, indem man zusätzlich zu Regierung, Opposition, Parlamentspräsident, Bundesverfassungsgericht und Bundesrat auch noch einen starken Bundespräsidenten schafft, der nach eigenem Ermessen die Regierung oder das Parlament aktiv kontrolliert und direkt in das politische Geschäft eingreift. Das würde zu längeren Verfahren, mehr Unsicherheit und mehr Streit führen und keinesfalls zu schnelleren und besseren Entscheidungen im Sinne der Menschen.

Mit freundlichen Grüßen

Günter Gloser